Bauwelt

Kö-Bogen an der Kö

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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Kö-Bogen an der Kö

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Die Geschäftswelt bekommt nach der Shoppingmall Westside in Bern, dem geplanten Mirage Center in Las Vegas und dem Luxusturm Zlota 44 in Warschau einen weiteren Libeskind – in Düsseldorf. Seine schrägen Einschnitte in den Fassaden sind diesmal begrünt. Doch was geschieht mit dem „Tausendfüßler“ nebenan?
Eigentlich sollte es nur eine neue U-Bahnlinie quer unter der Innenstadt hindurch werden, doch dann gab deren Bau den Anstoß zu einer großräumigen städtebaulichen und verkehrstechnischen Neuordnung um den Jan-Wellem-Platz, ein zen­traler Knotenpunkt in bester Lage zwischen Kö, Hofgarten und Schauspielhaus. Die Gelegenheit war günstig, auch gleich den Autoverkehr in Tunneln und Tiefgaragen verschwinden zu lassen. Und so wurde das Unmögliche wahr – mitten in der Stadt gab es plötzlich ein perfekt angebundenes und repräsentatives Grundstück, das mit Geschäftsbauten die historische Verbindung zwischen Kö und Hofgarten wieder herstellt. Ideengeber dieses Projekts war Christoph Ingenhoven, der seinen „Kö-Bogen“ schon 2003 auf der MIPIM in Cannes vorstellte. Nach acht Jahren, in denen das Projekt, und die Politik mit der es durchgesetzt werden sollte, sehr kontrovers diskutiert wurden, legten nun am 17. Juni Oberbürgermeister Dirk Elbers und Daniel Libeskind den Grundstein für einen anderen Kö-Bogen. Mit Baukran-Gondelfahrt der Ehrengäste und Live-Cooking (als „Vorgeschmack auf lebendige Weltarchitektur“) in der gigantischen Baugrube wurde der historische Moment zelebriert und das Projekt zum goldenen Baustein in der Düsseldorfer Geschichte erhoben. Die schuldenfreie Stadt hat Geld, ein Filetgrundstück, einen Investor, einen Entwickler und so­gar einen Star-Architekten, was kann da noch schief gehen?

Der Tausendfüßler

Das Kö-Bogen-Projekt bietet die seltene Möglichkeit zur großflächigen Stadtreparatur. Die an den Jan-Wellem-Platz angrenzende Hochstraße, Tausendfüßler genannt, wurde 1962 als Teil der Nord-Süd-Verbindung durch die Innenstadt fertig und soll nun abgerissen und durch einen Tunnel ersetzt werden. Dieses Bauwerk von Friedrich Tamms (1904–1980) aus der Zeit der beginnenden Massenmotorisierung ist in Düsseldorf umstritten. Für die einen ist es ein marodes Relikt überkommener Verkehrsplanung, für die anderen ein Wahrzeichen und Denkmal. Aber nicht nur das Verkehrskonzept wird bis heute kon­trovers diskutiert, es gab auch immer wieder Kritik wegen mangelnder Beteiligung der Öffentlichkeit am gesamten Verfahren. Zur Beschwichtigung lobte die Stadt im Sommer 2007, damals noch mit dem Bankhaus Trinkaus als Investor, einen Fassadenwettbewerb für die Bürohäuser des von Ingenhoven geplanten Kö-Bogens aus. Zuvor hatte sie einen Antrag zur Durchführung eines international ausgelobten Architektenwettbewerbs mehrheitlich abgelehnt. Das Ergebnis wurde jedoch hinfällig, weil das Grundstück laut Entscheid des Oberlandesgerichts nur in einem europaweit ausgeschriebenen Ver­-
fahren verkauft werden durfte. Bei einem daraufhin von der rot-grünen Opposition beantragten Bürgerbegehren stimmte die Mehrheit im April 2008 gegen den Grundstücksverkauf, doch wegen zu geringer Wahlbeteiligung hatte das Ergebnis keine Gültigkeit. An dem nun international ausgeschriebenen Bieterverfahren beteiligten sich zunächst zehn Teams aus Architekten und Investoren, von denen die Stadt fünf in die engere Wahl nahm. Die Forderungen, die die Stadt mit dem Verkauf des Grundstücks verband, waren so groß, dass schließlich nur noch die in Düsseldorf ansässige „die developer Projektentwicklung GmbH“ – mit einem mitgelieferten Libeskind-Entwurf –, bereit war, 46 Millionen Euro für das Grundstück zu zahlen, und sich mit einer Bürgschaft von 120 Millionen Euro zu verpflichten, den ersten Bauabschnitt des Kö-Bogens, der die Bebauung und Untertunnelung des Jan-Wellem-Plat­-zes vorsieht, zu realisieren. Der Libeskind blieb daher ohne Alternative.

„Nature comes into the body of space“

Nun wird für rund 300 Millionen Euro Baukosten auf dem Jan-Wellem-Platz ein sechsgeschossiger Büro- und Geschäftskomplex entstehen, der hofgartenseitig dem Schwung des Landskronenufers folgt und mit Rundungen, die irgendwie das be­-
nachbarte Schauspielhaus zitieren sollen, auf der Innenstadtseite einen neuen Schadowplatz formt. Auf der Hofgartenseite greift Libeskind die Vertikale des gegenüber stehenden Drei­scheibenhauses auf, bricht die Strenge aber mit rhythmischen Störungen und schrägen Grünschlitzen auf. „Nature comes into the body of space“, beschrieb Libeskind diese Idee. Eine historisch begründete Reihe von Platanen vor dem Gebäude vorzusehen waren Architekt und Investor nicht bereit, wohl aber Kirschbäume. Mit rund 40.000 Quadratmeter BGF (plus 36.000 Quadratmeter unterirdisch) ist das 9300 Quadratmeter große Grundstück extrem hoch ausgenutzt. Um das Gebäude bestmöglich in sein Umfeld zu integrieren, schrieb die Stadt parallel zu dem Bieterverfahren einen städtebaulichen und freiraumplanerischen Wettbewerb für das 13 Hektar große Planungsgebiet aus. Gewonnen hat das Büro Molestina Arch­i­tekten mit dem Büro FSWLA Landschaftsarchitektur (beide Köln). Teil der Wettbewerbsaufgabe war der „städtebauliche Umgang mit dem neugeschaffenen Freiraum durch den Wegfall des Tausendfüßlers“. Da der Wettbewerb keine Alternative zum Abriss des Tausendfüßlers zuließ, wandte sich der BDA Ende 2010 mit einem offenen Brief an alle Beteiligten und schlug eine kostengünstigere Alternativlösung mit Erhalt des Tausendfüßlers vor. Auch wenn die Stadt inzwischen ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das den Tausendfüßler für nicht denkmalwürdig hält, wird die Obere Denkmalbehörde einem Abriss niemals zustimmen. Der Streitfall bleibt. Zum Tunnel hat u.a. das Presbyterium der Johanniskirche Einspruch erhoben, da es durch dessen direkt vor der Kirche geplanten Ausgang eine erhebliche Lärmbelästigung befürchtet.

Flaneure

Die Stadt verweist auf die Erfahrungen mit dem Rheinufertunnel, der anfangs ebenso umstritten war wie der Kö-Bogen, und auf dessen Deckel heute die beliebteste Flaniermeile der Stadt liegt. Mit der neuen Hofgartenpromenade soll es dann genauso sein, denn das Flanieren entspreche dem Düsseldorfer.
Fakten
Architekten Daniel Libeskind
aus Bauwelt 27-28.2011
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