Ein seltsamer Organismus
Bauwelt-Redakteurin Brigitte Schultz wundert sich über Entwicklungshilfe für 5-Sterne-Hotels
Text: Schultz, Brigitte, Berlin
Ein seltsamer Organismus
Bauwelt-Redakteurin Brigitte Schultz wundert sich über Entwicklungshilfe für 5-Sterne-Hotels
Text: Schultz, Brigitte, Berlin
Wenn es um Geld geht, ist die Europäische Union ein seltsamer Organismus. Während an seinem südlichsten Rand den Menschen die Existenzgrundlage bis hin zur ärztlichen Versorgung weggespart wird, werden an anderer Stelle die Millionen mit leichter Hand verteilt. Die Fördergelder der EU nimmt jeder gerne mit – ob der Antragsteller der Förderung „bedürftig“ ist, wird nicht geprüft. Die EU orientiert sich daran, wie strukturschwach eine Region der Statistik nach ist, die Bundesländer verteilen die Gelder vor Ort. Mindestinvestitionssummen und die Förderstrukturen begünstigen oft große Projekte und etablierte Firmen.
Über einen besonders spektakulären Fall wird derzeit nach über einem Jahr Verhandlung am Landgericht Rostock entschieden. Angeklagt ist ein norwegischer Investor, wegen Subventionsbetrug. Man könnte auch sagen, er hat sich sehr genau in die Förderbedingungen eingelesen: Da ein Projekt höchstens 50 Millionen schwer sein darf, um den höchsten Fördersatz von 50 Prozent zu erhalten, wurden aus seinem Baukomplex „Hohe Düne“ bei Warnemünde mit Luxushotels, Restaurants, Kongresszentrum und Yachthafen auf dem Papier einfach zwei Projekte. In beide wurden je 50 Millionen investiert, und beide wurden von EU und Land mit insgesamt 47 Millionen Euro großzügig gefördert. Entscheiden durften dies aufgrund der geteilten Investitionssumme die Landespolitiker, ein höherer Betrag hätte der Zustimmung aus Brüssel bedurft.
Ein Einzelfall? Der EU-Rechnungshof schätzt, dass 2012 rund sieben Milliarden (!) Euro nicht ordnungsgemäß verwendet wurden. Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments, Ingeborg Gräßle, kann aus dem Stand eine Reihe unsinniger Bauprojekte aufzählen. Von Autobahnen ist da die Rede, die keiner benutzt, dem fünften Luxushotel im selben Ort und Regionen, die so „ausfinanziert“ sind, dass es schon viel Fantasie bedarf, um die Gelder aus Brüssel überhaupt noch verteilen zu können. Immerhin steht in der laufenden Förderperiode von 2014 bis 2020 eine Summe von 960 Milliarden Euro zur Verfügung, allein 344 Milliarden für die „Strukturförderung“. Was man damit nicht alles Sinnvolles anstellen könnte. Nicht nur in Griechenland.
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