Bauwelt

Berliner Museumsinsel ungebaut

Der Wettbewerb von 1883 in einer Ausstellung

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Schmidt & Neckelmann: Motto „Attalos“; perspektivische Ansicht des Altarsaals
    Abbildung:© Architekturmuseum TU Berlin

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    Schmidt & Neckelmann: Motto „Attalos“; perspektivische Ansicht des Altarsaals

    Abbildung:© Architekturmuseum TU Berlin

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    Georg Niemann: Ansicht zum Kupfergraben und Längsschnitt
    Abbildung: Privatbesitz

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    Georg Niemann: Ansicht zum Kupfergraben und Längsschnitt

    Abbildung: Privatbesitz

Berliner Museumsinsel ungebaut

Der Wettbewerb von 1883 in einer Ausstellung

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Die Rede über stattgefundene Architekturwettbewerbe bedient sich des Konjunktivs – was wäre gewesen, was hätte gebaut werden können! Zum Beispiel im Fall der Museumsinsel. In ihrer heutigen Gestalt mit den fünf unverbundenen Museumsbauten entspringt sie keiner durchgehenden Planung. Weder die Architektur der Gebäude noch ihre musealen Konzepte passen zusammen. Das macht den Charme, aber auch die Problematik der Insel aus.
Als das preußische Kultusministerium 1883 eine „Concurrenz wegen der Bebauung der Museumsinsel“ ausschrieb, waren drei Museen bereits gebaut, Schinkels Altes und Stülers Neues Museum sowie Stracks (Alte) Nationalgalerie. Es galt, vor allem den jüngsten Ausgrabungsschätzen aus Pergamon eine angemessene Behausung zu geben und zugleich vielfältige weitere Sammlungen unterzubringen. Dabei war die Wettbewerbsaufgabe durch den Bau der Stadtbahn, die viergleisig quer über den nördlichen Zipfel der Spree-Insel gelegt werden musste, außerordentlich verkompliziert worden.
52 fristgerechte Einreichungen gab es, aus denen vier Preisträger – jedoch kein 1. Preis – und sechs Ankäufe juriert wurden. Realisierungswettbewerbe für einzelne Bauten des enormen Vorhabens hätten folgen sollen. Doch der Wettbewerb blieb liegen und geriet regelrecht in Vergessenheit. Das Erstaunliche ist nun, dass sich die Einreichungen zum Wettbewerb auffinden ließen, zur Hälfte überliefert in einer Mappenedition des Jahres 1885, die 26 Entwürfe in „Lichtdrucken“ umfasst, zur anderen Hälfte rekonstruierbar aus Akten beteiligter Behörden. Diesen Schatz, der ein grandioses Panorama der Architektur des Historismus in seiner Hochblüte um 1880 bildet, hat eine Projektgruppe an der Technischen Universität Berlin gehoben. TU-Professorin Bénédicte Savoy, der Leiter des TU-Architekturmuseums Hans-Dieter Nägelke und der Publizist Nikolaus Bernau haben diese detektivische Arbeit mit Studenten im Sinne des „forschenden Lernens“ geleistet und stellen das Ergebnis in Gestalt einer Ausstellung in der Attrappe von Schinkels Bauakademie schräg gegenüber der „Insel“ vor.
Zu sehen sind – aus konservatorischen Gründen – Reproduktionen der kostbaren Pläne und Zeichnungen. Aber welche Fantasie der Baugedanken, welche Brillanz ihrer Darstellung zeigen sie! Nun gut, man muss den wuchernden Formenreichtum des Historismus zumindest vorurteilslos betrachten mögen, um die Mehrzahl dieser Pläne anders als Schauermärchen wahrzunehmen. Die Moderne, die drei Jahrzehnte nach der „Concurrenz“ begann, gerade noch vor dem Ersten Weltkrieg, konnte mit all den Säulen, Kuppeln und Treppenanlagen nichts mehr anfangen. Erste Vorahnungen der Moderne lassen sich im Wettbewerb auffinden: so in dem seinerzeit nur wenig beachteten Beitrag Alfred Messels, der 1907 dann einen ganz anderen, ungleich kraftvolleren und auf Geschichtszitate verzichtenden Entwurf für das Pergamonmuseum lieferte, welcher mit mancherlei Eingriffen nach seinem frühen Tod von Stadtbaurat Ludwig Hoffmann ausgeführt wurde.
In die zweite Stufe kam der Wettbewerb nicht. Die Wirtschaft des Deutschen Reiches geriet in eine anhaltende Krise, und es starben Kaiser Wilhelm I. und 99 Tage später auch sein Sohn, Kaiser Friedrich III., der als „Protektor“ der preußischen Museen eine herausragende Rolle beim hauptstädtisch gedachten Ausbau der rapide wachsenden Museen hätte spielen sollen. Der Enkel Wilhelm II. kehrte zum hergebrachten Prinzip der Direktvergabe von Bauaufträgen zurück und ließ seinen Hofarchitekten Ernst von Ihne schließlich 1897 das zunächst nach dem verstorbenen Friedrich benannte Museum auf der Inselspitze bauen.
Das aber – und das zeigt die Ausstellung – geht auf Baugedanken des 1880er Wettbewerbs zurück. Mehrere Einreichungen hatten bereits einen Solitär jenseits der Bahntrasse vorgesehen, während andere sich noch an die Hoffnung klammerten, die Bahngleise baulich überwölben und die bereits verlorene Idee eines organischen Museumskomplexes halbwegs retten zu können. Und doch bezaubern gerade diese letzteren Entwürfe, indem sie verschwenderische Abfolgen von überkuppelten Sälen und tempelartigen Fassaden vor Augen stellen. Der Einfluss der Pariser Beaux-Arts-Architektur ist zu erkennen, während das Vorbild des Schinkelʼschen Klassizismus verblasst. Berlin befand sich auf dem Weg zu einer Paris, London und Wien ebenbürtigen Hauptstadt, ohne dann doch jemals dorthin zu gelangen.
Man muss die Ausstellung genießen und mit der eigenen Vorstellungskraft durch die gezeichneten Räume wandern. Was für eine Museumslandschaft wäre das geworden! Allerdings eine, in der die funktionalen Erfordernisse etwa des Pergamonaltars hinter der Repräsentationspflicht der Prachtbauten zurückgestanden hätten. Messels Entwurf machte dann 23 Jahre später einen radikalen Schnitt und negierte endgültig, was eine halbwegs einheitliche „Insel“ hätte werden können. Es blieb der Konjunktiv. Was damals erdacht und dann sehr ungnädig beiseite gelegt wurde, ist in der Ausstellung zu bewundern, ebenso in dem hervorragenden Begleitbuch, das eine Fundgrube bleiben wird für die ungebaute Architektur des Historismus.
Fakten
Architekten Niemann, Georg (1841-1912); Schmidt, Albert (1841-1913); Neckelmann, Skjøld (1854-1903)
aus Bauwelt 37.2015
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