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Niemeyer im Land des Prinzen von Asturien

Text: Macher, Julia, Barcelona

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Foto: Angel Navarrete

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Niemeyer im Land des Prinzen von Asturien

Text: Macher, Julia, Barcelona

Aufatmen im nordspanischen Avilés: Endlich ist das Kulturzentrum von Oscar Niemeyer nahezu fertig. Nur mit der Einrichtung des Auditoriums und mit der Verbindung zur Stadt hapert es noch. Kostenberater der Stadt, die es gern bei den Skizzen des 103-jährigen Brasilianers belassen hätten, fanden kein Gehör.
Es war eine spontane Idee – und bekanntlich ist die Umsetzung einer solchen nicht immer ganz einfach. Zum 25. Jubiläum schenkte Oscar Niemeyer der renommierten spanischen Prinz-von-Asturien-Stiftung, die ihn und auch viele andere internationale Persönlichkeiten in verschiedenen Kategorien mit Preisen à 50.000 Euro für das Lebenswerk ausgezeichnet hat, den Entwurf für eine Gebäudegruppe: ein muschelförmi­ges Auditorium, eine schlichte weiße Ausstellungskuppel, bei­des über einen geschwungenen Steg miteinander verbunden, dazwischen, gewissermaßen als Kontrapunkt, ein Panoramaturm mit breiter Krempe und elliptisch gewundener Wendeltreppe. Alle drei Elemente wurden von Niemeyer beim Entwerfen im heimischen Rio de Janeiro in bekannter Manier mit Schwung skizziert. Vier Jahre später steht nun das Gros des Komplexes im nordspanischen Avilés, einer von Strukturwandel und Umweltverschmutzung gebeutelten Industriestadt nahe Gijón und Oviedo in Asturien. Wie eine Art Raumschifflandeplatz ankert das Centro Niemeyer am Industriehafen auf einer keilförmigen Landzunge, von der Altstadt durch ei­nen Kanal und eine Eisenbahntrasse getrennt. Für einen von dem Architekten konzipierten breiten Steg war, nachdem der Bau bereits 43,4 Millionen Euro verschlungen hatte, kein Geld mehr übrig; Fußgänger müssen sich jetzt mit zwei Passerellen begnügen.
Multidisziplinär
Doch über solche Planungsfehler meckert in Avilés keiner. Zu groß sind die Hoffnungen, die auf dem Komplex ruhen: Was in Bilbao das Gehry-Guggenheim, soll in Avilés das Centro Niemeyer leisten, nämlich einer strukturschwachen Region zum Aufschwung verhelfen – mit einem, wie die Macher gerne zugeben, künstlerisch komplett anderen Konzept. Im Gegensatz zur potenten Filiale des internationalen Franchise-Unternehmens Guggenheim verzichtet das Centro Niemeyer sowohl auf einen klar umrissenen Inhalt wie auch auf eine eigene Sammlung. Stattdessen sollen Themen wie „Licht“ so multidisziplinär wie möglich beleuchtet werden – mit Ausstellungen, Konzerten, Filmreihen, Podiumsdiskussionen, Events. Architektonisch bieten die Gebäude dafür alle Spielmöglichkeiten, aber auch die eine oder andere Kopfnuss: Die zum Ausstellungsraum bestimmte Kuppel etwa erzeugt innen durch das Spiel mit konkaver und konvexer Linienführung eine interessante Raumerfahrung, wird aber mit Standardausstellungen à la „Stellwand links, Stellwand rechts“ kaum zu bespielen sein. Einfacher machen es Kulturverwaltern da der dem Ursprungsentwurf als vierter Baukörper später zugefügte, geschwungene Flachbau sowie das noch nicht fertiggestellte Auditorium (die Eröffnung ist für März vorgesehen). Der Konzertsaal, in dem es nach Niemeyers Egalitätsprinzip keine Logen geben wird, bietet eine ebenerdige Fensterfront, die sich zum Platz hin öffnen lässt. So wird die Bühne Open-Air-Spektakel-tauglich, wenn das eher raue asturische Klima dies zulässt. Der weitläufige Platz fasst mit seinen 44.000 Quadratmetern zehntausend Menschen. Man könnte sich hier gut einen bra­silianischen Karneval vorstellen, aber werden hier eines Tages auch die eher bodenständigen Bürger von Avilés flanieren? Natürlich hat Natalio Grueso, Direktor des Centro Niemeyer, als Zielpublikum nicht nur die 80.000 Einwohner der gegenüberliegenden Flussseite im Sinn. „Avilés hat ein Einzugsgebiet von einer Million Menschen. Wir wollen neben dem klassischen Kulturpublikum vor allem junge Leute an­locken.“ Außerdem soll das Zentrum in einem internationalen Netzwerk auch als Produktionsstätte funktionieren, eine Koproduktion mit der von Hollywood-Regisseur Sam Mendes geleiteten Brooklyn Academy of Musik (BAM) ist bereits unter Dach und Fach. Mit drei bis vier Millionen Euro ist das Jahresbudget relativ niedrig, zudem steht und fällt das künstlerische Projekt mit der tatkräftigen Persönlichkeit des Direktors. Als ehemaliger Leiter der Abteilung Internationale Beziehun­gen der Prinz-von-Asturien-Stiftung hat Natalio Grueso ein gut gefülltes Adressbuch. Ehemalige Preisträger wie Woody Allen oder Stephen Hawking sitzen seit kurzem im künstlerischen Beirat.
Foster folgt
Die Formel „Stararchitekt plus Kultur- und Kongresszentrum ergibt Aufschwung für strukturschwache Region“ wird in Nordspanien gleich an verschiedenen Orten ausprobiert. Am Hafen von Santander entsteht zurzeit Renzo Pianos Centro Cultural Botín. Vor der Pilgerstadt Santiago de Compostela baut Peter Eisenman die gigantomanische Cidade de Cultura, die ihr ursprüngliches Budget von 120 Millionen Euro schon mehrfach überschritten hat (Bauwelt 47.2010). Und das nahe gelegende Oviedo, das als Sitz der Prinz-von-Asturien-Stiftung selbst gerne das Centro Niemeyer beherbergt hätte, lässt sich von Santiago Calatrava ein gewaltiges Kongresszentrum bauen. Zweifel am Erfolg dieser Kultur-Großbauten sind berechtigt: Die Hälfte der jährlichen Kongresse sind regionaler Natur, zudem zählt keines der 46 asturischen Museen am Tage im Durchschnitt mehr als 47 Besucher. In Avilés ist der Erfolg des Oscar-Niemeyer-Zentrums zudem eng an den des Masterplans für das insgesamt 500.000 Quadratmeter große Industriegebiet gekoppelt. Das Büro Foster + Partner ist beauftragt, das Areal in eine „Insel der Innovation“ zu verwandeln, mit Technologiepark, Kongresszentrum, exklusiven Wohnanlagen und einem neuen Bahnhof. Der ausgearbeitete Entwurf von Norman Foster – der Architekt wurde vor zwei Jahren ebenfalls mit dem Prinz-von-Asturien-Preis bedacht – wird erst Ende 2012 vorliegen. Vielleicht bekommt das Niemeyer-Ensemble dann auch eine bessere Anbindung an die Stadt.
Fakten
Architekten Niemeyer, Oscar, Rio de Janeiro
aus Bauwelt 3.2011
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