Robin Hood Gardens 1972–2012?
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Robin Hood Gardens 1972–2012?
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Der Sozialwohnungskomplex Robin Hood Gardens von Alison und Peter Smithson ist ein herausragendes Beispiel des New Brutalism in London. Prominente Architekten und Institutionen haben sich lange vergeblich für einen Platz auf der Denkmalliste eingesetzt.
Fast schon idyllisch sieht es aus auf dem Bild, das die Zukunft von Blackwell Reach im Londoner Osten darstellt. Das Quartier grenzt an das Finanzzentrum Canary Wharf in den Docklands. Keine drei Meilen Luftlinie entfernt werden in reich-lich fünf Monaten die Olympischen Spiele beginnen. Seit einigen Jahren ist die Gegend im Kommen. Deshalb haben die britische Wohnungsbaugesellschaft Homes and Communities Agency (HCA) und der Ostlondoner Bezirk Tower Hamlets große Pläne. Im Januar haben sie eine Bauanfrage (outline planning application) gestellt. Das Bild, angefertigt vom Büro Horden Cherry Lee, soll die Genehmigungschancen verbessern. 500 Millionen Pfund wollen die Entwickler Swan Housing und Countryside Properties in Blackwell Reach investieren, 1700 neue Wohneinheiten sollen entstehen, Einkaufsmöglichkeiten, eine Moschee und eine Schule. Das zwei Hektar große Gebiet haben sie in vier Abschnitte geteilt, Architekturwettbewerbe sind angekündigt. Doch einige Londoner Büros haben ihre Beteiligung schon im Vorfeld öffentlich abgelehnt. Der Grund: Die Blackwell-Reach-Pläne sehen auch den Abriss von 213 Sozialwohnungen vor, für deren Erhalt sich viele seit Jahren einsetzen: Robin Hood Gardens.
Der städtische Wohnkomplex ist eines der markantesten Beispiele des sozialen Wohnungsbaus der sechziger Jahre. Alison und Peter Smithson haben ihn entworfen, zwei lange Riegel mit Apartments und Maisonettes, mit Balkons und breiten Laubengängen – und einem Park in der Mitte. Wie Lärmschutzwände schirmen sie diesen vor den Schnellstraßen ab. In Robin Hood Gardens wohnt heute eine der größten bengalesischen Nachbarschaften Londons, alle Einheiten sind vermietet. Die Substanz allerdings ist in die Jahre gekommen. Der Beton verschmutzt, die Geländer rostig, an den Fensterrahmen blättert die Farbe ab. Der Bezirk hat sich in den vergangenen Jahren kaum noch um die Instandhaltung gekümmert, 2008 sprach er zum ersten Mal vom geplanten Abriss der Häuser.
Dies hat die Londoner Architektenszene empört. Darf man dieses vor allem städtebaulich gut gesetzte Beispiel des New Brutalism einfach so wegbaggern, bloß weil das Grundstück eine höhere Dichte ermöglicht?
Die wichtigsten englischen Architekturzeitschriften, die Twentieth Century Society, Internetinitiativen und prominente Architekten wie Richard Rogers, Norman Foster und Zaha Hadid, aber auch internationale Medien hatten daraufhin eine Unterschutzstellung für Robin Hood Gardens gefordert und zeitgleich einen Wettbewerb für Umbauvorschläge organisiert. Vergeblich. Für English Heritage war dies kein Grund, Robin Hood Gardens in die Denkmalschutzliste aufzunehmen. Im Gegenteil. Der zuständige Kulturminister Andy Burnham vergab 2009 sogar ein sogenanntes Immunitätszertifikat, das Robin Hood Gardens für die folgenden fünf Jahre vor dem Denkmalschutz „schützt“.
Dass es in London durchaus einen Markt für die brutalistischen Wohnbauten der Sechziger gibt, zeigen die teilprivatisierten Trellick Towers und das Brunswick Center oder auch das Keeling House, das der Bezirk Tower Hamlets 1999 an ei-nen Investor verkauft hat. Alle drei stehen längst auf der britischen Denkmalliste. In ihrem gerade erschienenen Buch „Rückkehr der Wohnmaschinen. Sozialer Wohnungsbau und Gentrifizierung in London“ nennt Maren Harnack einen der Gründe für die hohe Nachfrage. Es sind vor allem die flexiblen Grundrisse. 4,5 Quadratmeter kleine Buchten, die als „Bedrooms“ gezählt werden, nicht abgetrennte Küchen, dafür aber zwei Bäder, die keiner braucht – das sei die pseudoluxuriöse Realität vieler Wohnungen, die derzeit in London gebaut werden. Auch die Bewohner von Robin Hood Gardens, die alle eine neue Wohnung im neuen Blackwell Reach erhalten sollen, werden sich auf eine geringere Wohnqualität einstellen müssen. Wenn nicht ein Wunder geschieht und der Londoner Bürgermeister die Pläne in letzter Instanz doch noch ablehnt. Mit einer Entscheidung rechnet der Bezirk Anfang des Sommers.
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