Vorhang Kö-Bogen
Text: Gatermann, Arnd, Düsseldorf
Vorhang Kö-Bogen
Text: Gatermann, Arnd, Düsseldorf
Düsseldorf im Glück: Die Immobilienmesse MIPIM in Cannes hat am 13. März den Kö-Bogen als weltbestes Kommerzgebäude in der Kategorie Stadterneuerung ausgezeichnet. Die Vermietung läuft jetzt noch besser. Doch Libeskinds Fassade mit den obligatorischen Einschnitten offenbart sonderbare Zwänge
Nach Gehry nun Libeskind. Dazwischen Richard Meier, den kaum jemand beachtete – bis Libeskind kam. Aber der Reihe nach: Düsseldorf hat zwei überdimensionierte Verkehrsadern zurückgebaut. Auf der neuen Rheinpromenade kann man nun zum „Medienhafen“ (Bauwelt 47.1997) mit den Gehry-Bauten flanieren, die das Stadtmarketing ebenso gerne erwähnt wie den neuen Kö-Bogen von Daniel Libeskind. Zuvor wurde in der Innenstadt die Hochstraße „Tausendfüßler“ abgerissen. Straßenbahnen und Autos queren die Fußgängerzone zukünftig unterirdisch. Im Bereich eines ehemaligen Straßenbahnknotenpunkts bot sich so ein Baugrundstück in prominenter Lage am nördlichen Ende der Königsallee. Die „Kö“ genannte Nobel-Einkaufsmeile wurde hier verlängert und mündet jetzt in bogenförmigem Verlauf in einen schon vorhandenen Park, den Hofgarten.
Für das „Jahrhundertprojekt Kö-Bogen“ gab es im Rahmen eines Investorenwettbewerbs auch Entwurfsvorschläge Düsseldorfer Architekturbüros. Entschieden wurde der Wettbewerb letztlich durch die Bankenkrise, in deren Folge sich nach und nach mehrere Investoren zurückzogen. Übrig blieb die Projektentwicklung GmbH „die developer“, die ihren Daniel Libeskind mitbrachte. Dieser war an einen vorbereiteten Bebauungsplan gebunden, der die Gebäudeform und die Höhe vorgab. Das Gebäude hat sechs Geschosse, drei hohe für Einzelhandel und Gastronomie und darüber drei für Büros. Es handelt sich um zwei Gebäudekörper mit einem breiten Durchgang, der in den Büroetagen von einem mehrgeschossigen Verbindungssteg überspannt wird. Die über beide Gebäudeteile gleichförmig durchlaufende Fassadengestaltung lässt den Komplex jedoch wie einen einzigen Baukörper erscheinen. An der „Kö“ beginnt zunächst ein gerades Fassadenstück, das um die Ecke in einen großen Bogen übergeht, der wegen seiner imposanten städtebaulichen Geste dem Projekt den Namen gab. Hier kann man auf einer neuen Promenade am Gebäude entlang flanieren. Libeskind hat an dieser Gebäudeseite eine flächige Fassade gewählt, bei der Glas und Naturstein bündig in einer Ebene liegen. Eine streng vertikale Gliederung, die gut zum sehr langen Fassadenabschnitt passt, wird überlagert von linienförmigen Bögen, an denen sich Glas und Naturstein abwechseln und ein Muster bilden, das zusätzlich mit den für Libeskind obligatorischen schrägen Einschnitten garniert wird. Hier wurden in die Fassade Kübel integriert, in denen Pflanzen, sogar Bäume, wachsen. Deren Wurzelwerk muss bewässert und im Winter beheizt werden. In den Visualisierungen des Projekts waren diese Einschnitte noch grün bewuchert. Die Formalie kennzeichnet den Bau als einen Libeskind. Viel mehr kann man dazu nicht sagen.
Im Grundriss ein Bogen, im Aufriss auf- und absteigende Kurven, Schlitze, Begrünungen und eine Flächigkeit – hier wurde zuviel gewollt. Die papierdünn wirkende Fassade ist hinter jedem Natursteinfeld in Wahrheit ca. 40 Zentimeter dick und bietet den dahinter liegenden Nutzungen nur schmale Gucklöcher in Richtung Park. Wegen der ebenso tiefen Fensterpfosten kann man im Schrägblick nicht in das Gebäude hineinsehen. Geht man abends die Promenade entlang, wirkt der Bau daher dunkel. Der Flaneur sieht neben zwei Ladeneingängen nur noch drei Fluchttüren und den bereits erwähnten Durchgang. Warum wurde die Möglichkeit, das Gebäude großzügig zum Hofgarten hin zu öffnen, nicht genutzt?
Zwei weitere Fassadentypen gibt es: eine Glasfassade mit vorgesetzten waagerechten Lamellen und eine horizontal gegliederte Streifenfassade. In den frühen Entwurfsdarstellungen waren für letztere noch versetzte schmale Streifen aus Glas und Naturstein vorgesehen, die dem Schwung der Außenhaut folgen sollten. Die Einsicht, dass die Nutzer der Büros auch im Sitzen nach draußen gucken können sollten und die Forderung nach raumhohen Fenstern für das Kaufhaus haben diese Idee der strengen Horizontale aufgeweicht. Der Entwurf wollte nicht zur Nutzung passen. Die nunmehr hohen Fensterbänder werden von den vertikalen Strukturen der polygonalen Fassade überlagert, die in Teilbereichen geknickte Glasscheiben aufweist. Nur dort, wo die Gläser tatsächlich gebogen sind und sich an die wellenförmige Grundrissstruktur anschmiegen, wirkt die Fassadenidee schlüssig umgesetzt. Der Kaufhausbetreiber hat allerdings einen Großteil der Verglasung mit dunkelgrauen Vorhängen geschlossen. Die Eingänge zum Kaufhaus, in die Wölbung eingeschobene Rahmen, sind zu klein geraten. Ein paar Meter weiter, im gleichen Gebäude, hat Apple die für seine Läden typische quadratische und zweigeschossige Glasfassade vorgegeben. Eine wohltuende Eingangsgeste, die Libeskind gerne noch ein halbes Dutzend Mal rund um das Gebäude hätte verteilen sollen. Die Lamellenfassade soll als Kontrast zu den beiden flächigen Fassadentypen offensichtlich Tiefe erzeugen. Der Übergang von der Lamellenstruktur zur Streifenfassade verläuft schräg und sorgt für Dachdecker-Details – 50 Zentimeter breite Abdeckbleche an der Schauseite zur Fußgängerzone.
Die Fassaden sind insgesamt gut detailliert und die Materialien hochwertig. Irritierend ist jedoch die übergeordnete Gestaltungsidee einer Assemblage rein grafisch dominierter Versatzstücken, die übergangslos aneinander stoßen und die eine großzügige Öffnung des Gebäudes hin zum belebten Umfeld vermissen lässt. Ein paar Schritte weiter ist jetzt – erst nach Abriss des Tausendfüßlers – das vor 13 Jahren eröffnete „Weltstadthaus“ P&C von Richard Meier in voller Schönheit zu sehen. Mit seiner Glasfassade überstrahlt es besonders in den Abendstunden alle Gebäude im Umfeld. Gehry und Libeskind stehen für Düsseldorfs Image, aber gegen den Meier, ein paar Schritte weiter, kommen sie nicht an.
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