Basis, Filiale, Nukleus
In München-Riem will die junge Genossenschaft Kooperative Grossstadt eG ein Wohnhaus bauen und neue Wohnformen erproben. Von klassisch gedachten „Basis-Wohnungen“ hin zu deren Auflösung in „Filial-Wohnungen“ und „Nukleus-Wohnungen“. Die Arbeitsgemeinschaft aus Tim Schäfer und Pablo Donet Garcia mit Tanja Reimers hat die richtige Mixtur gefunden. Die öffentliche Entscheidung begleiteten über 70 Besucher.
Text: Flagner, Beatrix, Berlin
Basis, Filiale, Nukleus
In München-Riem will die junge Genossenschaft Kooperative Grossstadt eG ein Wohnhaus bauen und neue Wohnformen erproben. Von klassisch gedachten „Basis-Wohnungen“ hin zu deren Auflösung in „Filial-Wohnungen“ und „Nukleus-Wohnungen“. Die Arbeitsgemeinschaft aus Tim Schäfer und Pablo Donet Garcia mit Tanja Reimers hat die richtige Mixtur gefunden. Die öffentliche Entscheidung begleiteten über 70 Besucher.
Text: Flagner, Beatrix, Berlin
„Ich möchte Sie vor Beginn bitten, sich möglichst nicht in die Diskussion einzumischen.“ – dass dieser Satz in einer Jurysitzung überhaupt fällt, ist ungewöhnlich. Die Baugenossenschaft Kooperative Grossstadt eG entschied sich jedoch dafür, die Jurierung des Realisierungswettbewerbs „San Riemo“ öffentlich zu machen. Am Vortag nahmen sie im ersten Durchgang aus 62 Einreichungen 14 Arbeiten in die engere Wahl. Neben interessiertem Fachpublikum und Studenten, waren vor allem zukünftige Bewohner und Nachbarn anwesend. Sie wollen sehen, wer und wie festlegt, wie sie wohnen werden.
Ein vielfältiges Angebot an Nutzungen gehört zu den Forderungen und Grundsätzen der Kooperativen Grossstadt eG. Wie wohnt man angemessen, wenn es unterschiedliche Lebensmodelle gibt? Gefordert waren Lösungen für verschiedene Szenarien: Das Basiswohnen (3-Zimmer, Küche, Bad), das Filialwohnen (15% der jeweiligen Wohnflächen wird für Gemeinschaftsbereiche zur Verfügung gestellt) und das Nukleuswohnen, mit einer völligen Auflösung von geschlossenen Wohneinheiten. Letztere beide bieten gemeinschaftliche, alternative Formen des Zusammenlebens, die das Ausdehnen und Zusammenziehen von Nutzungseinheiten, Räumen und Wohnungen möglich machen sollen – ob täglich, wöchentlich oder monatlich. Als Treffpunkt für das gesamte Quartier ist eine Metall- und Holzwerkstatt im Erdgeschoss vorgesehen.
Eine enorme Bandbreite an Ideen wurde eingereicht und der erste Rundgang an diesem Tag ging bis in den späten Nachmittag. So vielseitig die Beiträge, so unterschiedlich fallen die Meinungen aus: „Das tut so fertig!“, „Die Message ist hier ‚boa ey‘!“, „Ein fatales Signal, wenn die Genossenschaft so ein Haus baut!“, „Das ist das gebaute Selfie!“. Es wird hitzig diskutiert, gelobt und kritisiert – und auch als Zuschauer packt einen die Lust sich einzuschalten. Beobachtet man die anwesenden Besucher sieht man Kopf schütteln, begeisterte Augen oder flüsternden Meinungsaustausch. Am späten Abend entscheidet sich die Jury und kurz vor Mitternacht erhält die ARGE aus Tim Schäfer & Pablo Donet Garcia mit Tanja Reimers aus Zürich die Nachricht, dass ihr Entwurf gewonnen hat.
Als „sorgfältig und filigran durchgearbeiteten Beitrag“, beschreibt ihn Juryvorsitzender Christian Inderbitzin eingangs. Im Laufe des Tages holt der Beitrag stetig immer weiter auf. Er ist vielversprechend: die Erschließung liegt außen, hieran schließt sich der „Filialturm“ an, der je Geschoss mal als Wintergarten, Atelier oder Gästezimmer ausgebildet wird. Die Räume innerhalb der Wohnungen verschmelzen förmlich ineinander. Rückzugsorte werden über Nischen, Möbel und feine Wandscheiben definiert. Die Nukleuswohnungen treten dem konträr entgegen und bieten klar ablesbare private Bereiche. Der zweite Preis geht an SummaCumFemmer mit Juliane Greb. In ihrem Entwurf steht das (gemeinsame) Kochen im Mittelpunkt. Dafür schlagen sie jedoch innenliegende Küchen vor. „Da werden sie leistungsstarke Lüftungen brauchen“, so der TGA-Berater. Auch der Zugang vom Aufzug direkt in die Wohnung hinein wird kritisiert.
Die Architekten von Lütjens Padmanabhan bekommen den dritten Preis. Das Projekt wird ausführlich besprochen: „Ist das ein Haus oder ein Bild? Und verstehe ich das Bild auch noch in 5 Jahren?“, fragt Anne-Julchen Bernhardt. Ein einfach strukturierter Entwurf mit einer ausdrucksstarken Fassade. Der Bau wird durch zwei Treppenhäuser in zwei Bereiche aufgeteilt – Filialwohnungen im vorderen Teil, die ein gemeinschaftliches Zusammenleben ermöglichen und die Basiswohnungen im zurückgezogenen hinterem Teil des Baus.
Die Architekten von Lütjens Padmanabhan bekommen den dritten Preis. Das Projekt wird ausführlich besprochen: „Ist das ein Haus oder ein Bild? Und verstehe ich das Bild auch noch in 5 Jahren?“, fragt Anne-Julchen Bernhardt. Ein einfach strukturierter Entwurf mit einer ausdrucksstarken Fassade. Der Bau wird durch zwei Treppenhäuser in zwei Bereiche aufgeteilt – Filialwohnungen im vorderen Teil, die ein gemeinschaftliches Zusammenleben ermöglichen und die Basiswohnungen im zurückgezogenen hinterem Teil des Baus.
Fünf weitere Projekte wurden mit einer Anerkennung gewürdigt. Nach dem ersten Durchgang sind sechs Arbeiten ausgeschieden. Sie gehen auf unterschiedlichste Art und Weise mit der Erforschung des Wohnraums um: Der Entwurf „Sons of Riemo“ der ARGE aus FAM Architekten und dem Buero Kofink
Schels schlagen Laubengang und runde Balkone vor, der Sonnenschutz erfolgt über rote Markisen.
Den Darstellungen der ARGE Adrian Dorschner, Tobias Kahl, Jan Meier und Lena Unger aus Leipzig nach zu urteilen, sollte der Genossenschafts-Neubau von Kaminzimmer, Rundbögen und opulenten Marmorböden dominiert werden – „Ist das eine Münchener Wohnform?“. An diesem Punkt stellt sich durchaus die Frage, wie ernst die Beiträge genommen werden sollten, wenn die Darstellungen sehr verspielt und entschieden sind, jedoch strukturell vage bleiben. Das junge Münchener Büro Fthenakis Ropee antwortet mit abgerundeten Treppenhäusern und kleinen Freisitzen. Löser Lott zeigen „poetisch und mit leichter Kraft“ ein gläsernes Wohnhaus. Der Beitrag von Schürmann + Schürmann wird anfänglich als „eines der innovativsten Projekte“ beschrieben.
Schels schlagen Laubengang und runde Balkone vor, der Sonnenschutz erfolgt über rote Markisen.
Den Darstellungen der ARGE Adrian Dorschner, Tobias Kahl, Jan Meier und Lena Unger aus Leipzig nach zu urteilen, sollte der Genossenschafts-Neubau von Kaminzimmer, Rundbögen und opulenten Marmorböden dominiert werden – „Ist das eine Münchener Wohnform?“. An diesem Punkt stellt sich durchaus die Frage, wie ernst die Beiträge genommen werden sollten, wenn die Darstellungen sehr verspielt und entschieden sind, jedoch strukturell vage bleiben. Das junge Münchener Büro Fthenakis Ropee antwortet mit abgerundeten Treppenhäusern und kleinen Freisitzen. Löser Lott zeigen „poetisch und mit leichter Kraft“ ein gläsernes Wohnhaus. Der Beitrag von Schürmann + Schürmann wird anfänglich als „eines der innovativsten Projekte“ beschrieben.
Mit dem 1. Preis werden die Bewohner auf die beste Art und Weise im geplanten Bau an der Heinrich-Böll-Straße zusammenkommen. Gemeinsam mit wagnis eG und Wogeno München eG bewarb sich die Kooperative 2016 für ein Grundstück, dass ihnen von der Stadt München im Stadtteil Riem zu gesprochen wurde. Auf dem Gelände des stillgelegten Stadtflughafens entstand in den 1990er Jahren die Münchner Messestadt, zahlreiche Wohngebiete und die drittgrößte Parkanlage Münchens. Ein stadtnaher und attraktiver Ort, an dem das genossenschaftliche Konsortium 150 Wohnungen entstehen lassen will. Neben Grundstück, werden sich Infrastruktur und Gemeinschaftseinrichtungen geteilt.
Zum Ende der Sitzung kommt die Frage: „Wagt ihr etwas Neues als junge Genossenschaft?“ – mit dem Konzept der öffentlichen Jury, dem Willen neue Wohnformen voran zu bringen und dem Ziel die schwierige Wohnsituation in München zu verändern: und ob!
Mehr zum Wettbewerb in der Bildergalerie
Zum Ende der Sitzung kommt die Frage: „Wagt ihr etwas Neues als junge Genossenschaft?“ – mit dem Konzept der öffentlichen Jury, dem Willen neue Wohnformen voran zu bringen und dem Ziel die schwierige Wohnsituation in München zu verändern: und ob!
Mehr zum Wettbewerb in der Bildergalerie
Offener Realisierungswettbewerb
1. Preis ARGE Tim Schäfer & Pablo Donet Garcia und Tanja Reimer, Zürich
2. Preis SUMMACUMFEMMER und Juliane Greb, Leipzig
3. Preis Lütjens Padmanabhan, Zürich
Anerkennung ARGE FAM Architekten und Buero Kofink Schels, München
Anerkennung ARGE Adrian Dorschner, Tobias Kahl, Jan Meier, Lena Unger, Leipzig
Anerkennung Fthenakis Ropees, München
Anerkennung Löser Lott Architekten, Berlin
Anerkennung Schürmann + Schürmann Architekten, Berlin
1. Preis ARGE Tim Schäfer & Pablo Donet Garcia und Tanja Reimer, Zürich
2. Preis SUMMACUMFEMMER und Juliane Greb, Leipzig
3. Preis Lütjens Padmanabhan, Zürich
Anerkennung ARGE FAM Architekten und Buero Kofink Schels, München
Anerkennung ARGE Adrian Dorschner, Tobias Kahl, Jan Meier, Lena Unger, Leipzig
Anerkennung Fthenakis Ropees, München
Anerkennung Löser Lott Architekten, Berlin
Anerkennung Schürmann + Schürmann Architekten, Berlin
Preisrichter
Christian Inderbitzin (Vorsitz), Zürich; Anne-Julchen Bernhardt, Köln; Lisa Yamaguchi, München; Martin Steinmann, Zürich; Markus Sowa, Vorstand der KOOPERATIVE GROSSSTADT eG; Reem Almannai, Bauausschuss der KOOPERATIVE GROSSSTADT eG; Christoph Hochhäusler, Regisseur
Auslober
KOOPERATIVE GROSSSTADT eG
Wettbewerbsbetreuung
Händel Junghans Architekten
Christian Inderbitzin (Vorsitz), Zürich; Anne-Julchen Bernhardt, Köln; Lisa Yamaguchi, München; Martin Steinmann, Zürich; Markus Sowa, Vorstand der KOOPERATIVE GROSSSTADT eG; Reem Almannai, Bauausschuss der KOOPERATIVE GROSSSTADT eG; Christoph Hochhäusler, Regisseur
Auslober
KOOPERATIVE GROSSSTADT eG
Wettbewerbsbetreuung
Händel Junghans Architekten
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