1 + 1 = 1
Teile und Ganzes
Text: Mehlhorn, Dieter-J., Kiel
1 + 1 = 1
Teile und Ganzes
Text: Mehlhorn, Dieter-J., Kiel
Die Grafik des Umschlags verweist auf das Thema des mit einem etwas lapidaren Titel versehenen Buches. Es geht um Wohnungsbau, der sich anpassen lässt an sich verändernden Bedarf: Zusammenlegung von mehreren Wohnungen zu einer, aber auch die Trennung großer Wohnungen in kleinere Einheiten, also auch 1 = 1 – 1.
In der Praxis kennt man die festgefügten Grundrisse, deren Veränderung Unsummen kosten würde. Stattdessen zieht man den Abbruch vor und baut neue, häufig nicht viel bessere Wohnungen für die aktuelle Nachfrage, ohne wiederum an eine mögliche Weiterentwicklung und damit an die notwendige Nachhaltigkeit zu denken.
Hans Schmalscheidt, Architekt und ehemals Professor in Kassel, zeigt anhand verschiedenster Haustypen (frei stehende Einfamilienhäuser, Häuser mit verbindender Eingangshalle, Vorhäuser, Reihenhäuser bis zu Geschosswohnungen etc.), dass es auch anders geht und man spätere Veränderungen bereits bei der Konzeption der Grundrisse berücksichtigen kann und vor allem sollte. Die Gegenüberstellung von Grundtyp und Skizzen der möglichen Veränderung lässt den großen Spielraum von Architekten, Bauherren und Wohnungsbauunternehmen erkennen, auch ohne erhebliche Mehrkosten Vorsorge zu treffen, die Wohnungen für sich ändernde Lebensformen nutzbar zu machen.
Nicht weniger als 94 Beispiele werden mit Lageplan, Grundrissen, Schnitten, Axonometrien und Perspektiven dokumentiert und beschrieben. Den Rezensenten überzeugt vor allem die durchgängige Bebilderung mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen unter völligem Verzicht auf die heute üblichen Animationsgrafiken und Hochglanzfotos. Die abstrahierende Zeichnung fordert, genauer hinzuschauen und sich nicht überwältigen zu lassen. Wie wenige Striche genügen, eine räumliche Situation treffsicher darzustellen, wird an der knappen Zeichnung von Emil Steffann evident (Arbeiterhaus in Lothringen).
Zur Erläuterung und Begründung des Gedankenansatzes, die Veränderbarkeit von Wohnhäusern bereits in die ersten Entwurfsüberlegungen einzubeziehen, verweist Schmalscheidt immer wieder auf ältere, vor allem ländliche Bauformen. Diese entsprachen bereits den Grundsätzen der Nachhaltigkeit, als es den Begriff noch gar nicht gab. Dabei irritiert aber an einigen Stellen der recht freie Umgang mit der Baugeschichte. Auch die pauschale, sehr verkürzte Einführung in die Grundbedürfnisse des Menschen kann nicht überzeugen: Nachhaltigkeit ist heute sicher ein Erfordernis verantwortlichen Handelns, aber sicher kein menschliches Grundbedürfnis. Das schmälert jedoch den Wert des kostengünstigen Buches überhaupt nicht. Es enthält so viele wertvolle Anregungen, dass es zwingend auf den Arbeitstisch jedes mit Wohnungsbau beschäftigten Architekten und Stadtplaners sowie Projektentwicklers gehört.
0 Kommentare