Adolf Sommerfeld 1910–1970
Bauen für Berlin
Text: Katzke, Thomas, Berlin
Adolf Sommerfeld 1910–1970
Bauen für Berlin
Text: Katzke, Thomas, Berlin
Haus Sommerfeld – dominant ziert das erste ganzheitliche Werk des Weimarer Bauhauses den Einband des Buches und erweckt neben dem Interesse auch die Sorge des Betrachters, dass der hohe Wiedererkennungswert dieser Ikone nur der Kaufreizsteigerung dienen solle.
Der Titel nennt vor Sommerfeld jedoch Adolf, nicht Haus. Hier wird aber keine Trittbrettfahrerei betrieben, sondern der in Vergessenheit geratene Unternehmer und Namengeber in Erinnerung gerufen wird.
Der 1886 in Kolmar/Posen geborene Adolf Sommerfeld absolvierte in Berlin eine Zimmermannslehre und gründete 1910 im Alter von 24 Jahren seine erste Baufirma. In den Folgejahren der republikanischen Zwischenkriegszeit expandierte diese zu einer alle Bereiche der „Stadtproduktion“ abdeckenden Unternehmensgruppe. Getreu dem Motto seines Freundes und Bankiers Hugo Simon: „Bauunternehmer müssen gute Netzwerker sein“, war er gleichzeitig auch Betreiber von Sägewerken, Holzbearbeitungsbetrieben, Ziegeleien und Gartenbaubetrieben, Anteilseigner von Wohnungsbaugesellschaften und auch Eigentümer von Bauentwicklungsland in den Berliner Metropolregionen. In Kooperation mit den Stadträten Reuter und Wagner entwickelte er soziale Wohnungsbau-Großprojekte, für die Onkel-Tom-Siedlung in Berlin-Zehlendorf ermöglichte er deren Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz, indem er dort einen U-Bahnhof plante und auch finanzierte.
Zahlreiche seiner Projekte realisierte Sommerfeld mit Protagonisten des „Neuen Bauen“, wie Erich Mendelsohn, Richard Neutra, Fred Forbat, Rudolf Salvisberg, Bruno Taut, Hugo Häring und im Besonderen Walter Gropius, mit dem ihn seit 1919 eine Freundschaft verband. Seine Suche nach innovativen Methoden der schnellen und preiswerten Wohnungsproduktion machte ihn zum Förderer und privaten Geldgeber des Bauhauses. Sommerfeld entwickelte aber durchaus auch Projekte in tradierter Formensprache, wie zu Beginn der dreißiger Jahre die Siedlung Kleinmachnow am Berliner Stadtrand. Mittels eines Finanzierungsangebotes, das nur einen geringen Eigenkapitalanteil erforderte, sollte einkommensschwachen Familien ein Haus mit Sonne, Luft und Garten ermöglicht werden.
Sommerfeld hatte wesentlichen Anteil am Entstehen der Großstadt Berlin und im Besonderen an der Entwicklung der Siedlungsbauprojekte der Weimarer Republik. Der Republikaner und sozialdemokratisch engagierte Jude Sommerfeld war schon vor deren Machtübernahme ein erklärtes Feindbild der Nationalsozialisten. Im März 1933 erfolgte ein Überfall bewaffneter SA-Leute auf sein Haus, Sommerfeld musste um sein Leben und das seiner Familie fürchten und flüchtete über Frankreich und Palästina nach England. Dort nahm er die britische Staatsbürgerschaft an und ändert seinem Namen in Andrew Sommerfield. Die Nationalsozialisten enteigneten 1935 sein Vermögen und arisierten seine Firmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Deutschland zurück, von 1948 bis 1952 andauernde Restitutionsverfahren endeten überwiegend in Vergleichen, machten ihn aber wieder zum Hauptaktionär der Firmengruppe. Sommerfield fand in das Berliner Baugeschehen zurück, konnte aber nicht mehr an seine herausragende Rolle vor 1933 anschließen. 1954 verlegte er seinen Wohnsitz in die Schweiz, wo er 1964, kurz vor Vollendung seines 78. Lebensjahres, verstarb.
Die außerordentlich lesenswerte Publikation von Celina Kress macht deutlich, dass weder innovative Kunstschulen wie das Bauhaus noch der Vorzeige-Wohnungsbau der Weimarer Republik eine lange Lebenserwartung gehabt hätten, wäre allein die Architektenschaft für deren Geburt verantwortlich gewesen. Auch wenn der in einigen Textpassagen ungefiltert durchscheinende wissenschaftliche Duktus der auf einer Doktorarbeit basierenden Monographie den interessierten Laien vielleicht enerviert, kann sie hoffentlich dazu beitragen, Adolf Sommerfeld und sein Schaffen nicht nur in der Fachwelt dem Vergessen zu entreißen – und keine Sorge, „Haus“ Sommerfeld kommt natürlich auch darin vor.
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