„An die Leser!“. Baukunst darstellen und vermitteln
Berliner Architekturzeitschriften um 1900
Text: Rumpf, Peter, Berlin
„An die Leser!“. Baukunst darstellen und vermitteln
Berliner Architekturzeitschriften um 1900
Text: Rumpf, Peter, Berlin
Wie es sich für eine Dissertation gehört: alles, aber auch alles zum Gegenstand sammeln, ordnen und gegenseitige Verbindungen knüpfen. Und wenn das noch in tadellosem Deutsch geschieht, vorbildlich gedruckt wird und sogar dem Nicht-Fachmann Gewinn verschafft, darf das Produkt auch in den Buchhandel gelangen – auch wenn reißender Absatz eher nicht zu erwarten ist.
Der Gegenstand: sechs Kunst- und Architekturzeitschriften, herausgegeben in Berlin und untersucht innerhalb des Zeitraums zwischen 1900 und 1914 hinsichtlich ihrer Zielsetzung, ihrer Themen, der Zielgruppe, der Verbreitung, der Machart und – so weit möglich – ihrer Wirkung. Es sind dies: 1. „Berliner Architekturwelt“. Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart. Ernst Wasmuth. 2. „Centralblatt der Bauverwaltung“. Verlag Ernst & Sohn. 3. „Der Städtebau“. Monatsschrift für die künstlerische Ausgestaltung der Städte nach ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Grundsätzen. Ernst Wasmuth. 4. „Der Sturm“. Wochenzeitschrift für Kultur und Künste. Verlag Der Sturm. 5. „Kunst und Künstler“. Illustrierte Monatszeitschrift für bildenden Kunst und Kunstgewerbe. Bruno Casirer. 6. „Die Bauwelt“. Illustrierte Zeitschrift für das gesamte Bauwesen. Ullstein & Co. (Letztere damals dreimal wöchentlich für 2 Mark im Quartal, und die Einzige, die heute noch erscheint.)
Die Autorin, Eva Maria Froschauer, selbst einige Jahre journalistisch im Metier tätig, hat der Übersichtlichkeit dienend einen strengen Aufbau für das umfangreiche Material gewählt, der hier wiederzugeben den Rahmen einer Rezension sprengen würde. So viel sei gesagt: Die Untersuchung beschränkt sich nicht auf die sechs Fachperiodika als solche, sondern versucht, die Architektur der Jahre vor dem
Ersten Weltkrieg anschaulich zu machen, sie in das Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Politik einzubinden und dabei den Blick von außen und innen auf das Berlin jener Zeit zu richten. Beleuchtet wird u.a. die Rolle der Illustrationen, speziell der aufkommenden Fotografie und deren technische Verfahren. Schwerpunkt aber bleibt die Architektur bzw. die Aufgabe des Kritikers, zu denen auch Architekten wie Hermann Muthesius, Martin Wagner, Paul Schultze-Naumburg, Karl Scheffler, Adolf Behne, August Endell gehören. „Es geht um das Amt des Kritikers, dessen Selbstverständnis und dessen Aufgaben. Es geht darum, dass der Kritiker ‚den Leser an die Hand‘ nehmen, also führen wollte und die Einwirkung auf dessen Geschmack als ureigensten Auftrag verstand.“
Ersten Weltkrieg anschaulich zu machen, sie in das Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Politik einzubinden und dabei den Blick von außen und innen auf das Berlin jener Zeit zu richten. Beleuchtet wird u.a. die Rolle der Illustrationen, speziell der aufkommenden Fotografie und deren technische Verfahren. Schwerpunkt aber bleibt die Architektur bzw. die Aufgabe des Kritikers, zu denen auch Architekten wie Hermann Muthesius, Martin Wagner, Paul Schultze-Naumburg, Karl Scheffler, Adolf Behne, August Endell gehören. „Es geht um das Amt des Kritikers, dessen Selbstverständnis und dessen Aufgaben. Es geht darum, dass der Kritiker ‚den Leser an die Hand‘ nehmen, also führen wollte und die Einwirkung auf dessen Geschmack als ureigensten Auftrag verstand.“
Was allgemein für Dissertationen gilt, gilt auch hier. Der betreuende Mentor – Marco De Michelis an der Bauhaus-Universität Weimar – soll nicht nur interessante Nebenaspekte entdecken und verborgene Quellen öffnen, sondern muss darauf bedacht sein, dass das zu beackernde Feld sich nicht im Uferlosen verliert, dem Thema und der Doktorandin zuliebe. „Hauptgefahr einer solchen Untersuchung liegt in der Überfülle des Materials“, wie es die Autorin in der Einleitung schreibt. Dieser Gefahr scheint hier nicht immer begegnet zu sein. Zugegeben: Eine Dissertation samt ihrem wissenschaftlichen Apparat (Quellen, Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Personenregister, Abbildungsnachweis) ist keine Roman, der zum Verschlingen einlädt. Aber einige Seitenpfade des Fachzeitschriftenmarktes verleiten dazu, den Gegenstand aus dem Auge zu verlieren. Als weiteres Handicap sei der enge Zeitraum 1900 bis 1914 angemerkt, da zumindest „Der Sturm“ und „Die Bauwelt“ erst ab 1910 erschienen. Überhaupt: die Bauwelt! Sie ist nolens volens für die Autorin die ergiebigste Quelle, neben der die anderen Probanden strecken- und themenweise wie künstlich beatmet erscheinen.
Abschließend sei nicht verschwiegen, dass der Rezensent, selbst aus dem Geschäft kommend, intensiver und motivierter als vielleicht Architekten oder interessierte Laien sich dem in jeder Hinsicht umfangreichen Werk gewidmet hat. Was er nicht nur, aber auch seinen Kollegen – Redakteuren, schreibenden Kritikern, Verlagspersonal – anempfehlen möchte.
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