Peter Behrens. Zeitloses und Zeitbewegendes
Peter Behrens war kein Philosoph, aber das wollte er auch nicht sein. Stattdessen lässt er sich in seinen Schriften als hellwacher, kreativ und komplex denkender Gestalter erkennen.
Text: Kiem, Karl, Berlin
Peter Behrens. Zeitloses und Zeitbewegendes
Peter Behrens war kein Philosoph, aber das wollte er auch nicht sein. Stattdessen lässt er sich in seinen Schriften als hellwacher, kreativ und komplex denkender Gestalter erkennen.
Text: Kiem, Karl, Berlin
Während Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier längst im Olymp der Moderne angesiedelt werden, hat ihr zeitweiliger Arbeitgeber Peter Behrens (1868–1940) bisher eine deutlich geringere Wertschätzung erfahren. Unter dessen Arbeiten hat es vor allem die als Gründungsbau der funktionalistischen Moderne verklärte Turbinenhalle der AEG (1909) in Berlin-Moabit mit ihrer in Glas und Stahl aufgelösten Seitenfassade zu Weltruhm gebracht. Das Gesamtwerk von Peter Behrens ist aber bis heute nur bruchstückhaft untersucht.
Peter Behrens selbst hat der Nachwelt die Rezeption seines Werks auch nicht gerade einfach gemacht: Jugendstil, Neoklassizismus, Reformarchitektur, Expressionismus, Funktionalismus – er präferierte keinen Baustil im Besonderen. Darüber hinaus war kaum eine Objektgattung vor seinem Gestaltungswillen sicher: Bauten, Siedlungen, Gärten, aber auch Gemälde, Bühnenbilder, Kleidung, Tapeten, Schriften, Briefbögen, Lampen, Motoren und anderes mehr entstanden aus seiner Hand.
In Anbetracht dieses Dilemmas ist es nun „der ganze Behrens“, dem sich Hartmut Frank widmet. Der von der HafenCity Universität Hamburg (HCU) emeritierte und heute in Turin lehrende Bauhistoriker hat vor allem auch aufgrund seiner guten Vernetzung mit der französischen und italienischen Forschung immer wieder wichtige neue Einsichten zur Moderne in Deutschland geliefert. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Widerlegung der „Widerspiegelungstheorie“, nach der politische Gesinnungen in Baustile eingeschrieben seien. Insgesamt eine hervorragende Basis, um sich ohne Vorurteile einem so komplexen und widersprüchlichen Werk wie dem von Peter Behrens zu nähern.
Die Forschung zu Behrens wird auch durch den Umstand erschwert, dass der entsprechende Nachlass in alle Winde zerstreut ist. Ein grundlegendes Hindernis ist inzwischen bezüglich der Schriften von Peter Behrens beseitigt, die nun in Buchform vorliegen. Sie sind von den Herausgebern Hartmut Frank und Karin Lelonek ausführlich mit hilfreichen erklärenden und weiterführenden Kommentaren versehen. Eine Einführung von Hartmut Frank gibt eine kenntnisreiche Einordnung dieser Texte in das Leben und Werk von Peter Behrens sowie einen Einblick in den Forschungskontext. Franks Turiner Kollegin Silvia Malcovati analysiert eingehend die theoretischen Grundlagen der Schriften von Peter Behrens. Die Untersuchung des Einflusses der Gedankenwelt von Peter Behrens auf seine Schüler bleibt jedoch Desiderat.
Die Texte von Peter Behrens entstanden zwischen 1900 bis 1938 und erstrecken sich damit auf einen großen Teil seines professionellen Schaffens. Sie eröffnen in großer Eloquenz einen weiten Themenhorizont: Lebens-, Kunstgewerbe- und Ausbildungsreform, Frauen-, Antialkohol- und Gartenstadtbewegung, Deutscher Werkbund, Denkmalschutz und ökologischer Landbau. Hinzu kommen Erörterungen vielfältiger Fragen der Gestaltung und des eigenen Werks. Peter Behrens war kein Philosoph, aber das wollte er auch nicht sein. Stattdessen lässt er sich in seinen Schriften als hellwacher, kreativ und komplex denkender Gestalter erkennen.
Der Band ist aufschlussreich für all jene, die sich näher mit Fragen der Gestaltung im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts beschäftigen. Und eine unverzichtbare Basis, um hinter den Wörtern zu der Sprache der Bilder und Objekte vorzudringen. Die Stellung des „Meisters“ im Vergleich zu seinen später selbst zu „Meistern“ gewordenen Schülern kann erst im Anschluss näher bestimmt werden.
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