Fabrik
Ein Bildepos der Technik
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Fabrik
Ein Bildepos der Technik
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Der erste Eindruck, wenn man den Nachdruck dieses Schweizer Fotoessays aus dem Jahr 1943 aufschlägt, teilt sich der Nase mit: Schon lange habe ich kein Buch mehr in der Hand gehalten, das so gut riecht – ein Duft wie von Zedernholz. Den nächsten angenehmen Eindruck nehmen die Finger wahr, die die Seiten des Buches umblättern.
Nicht zu glatt und nicht zu rau, ist das Papier von einer Beschaffenheit, dass die Druckerschwärze darauf zu fühlen ist. Sie ist es denn auch, die fortan das Auge beschäftigt, 95 Seiten lang: So umfangreich ist die Serie „Fabrik“, die der Schweizer Fotograf Jakob Tuggener (1904–1988) anlässlich eines Firmenporträts der Maschinenfabrik Oerlikon quasi nebenbei anfertigte. Es ist eine recht düstere Serie, mit ihren kräftigen Kontrasten der Bildsprache des Expressionismus verpflichtet, mit ihren teils surreal anmutenden Bildaufbauten und -paarungen wie filmisch-bewegt. Aber wovon erzählt sie? In den letzten Bildern wird es unmissverständlich deutlich: „Fabrik“ ist ein Werk, dass sich siebzig Jahre fortgesetzter Weltzerstörung später wie eine Warnung anschaut gegen die feindlichen Kräfte, die der Mensch freizusetzen imstande ist. In seiner Fortschrittsskepsis und in seiner Menschlichkeit dürfte denn auch die entscheidende Zeitlosigkeit der Serie liegen – und vielleicht auch der Grund für ihren einst bescheidenen Erfolg auf dem Buchmarkt. Umso verdienstvoller, dass der Steidl Verlag ihr mit dieser bibliophilen Neuausgabe zu einer zweiten Chance verhilft, ergänzt um ein Nachwort. Darin schreibt Martin Gasser, dass der umfangreiche Nachlass des Fotografen von der Jakob Tuggener-Stiftung betreut und gemeinsam mit der Fotostiftung Schweiz aufgearbeitet werde. Wer sich zuvor in die „Fabrik“-Bilder vertieft hat, liest dies als Versprechen.
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