Jochem Poensgen - Architektur des Lichts
Werke, Entwürfe, Texte 1956-2012
Text: Kowa, Günter, Berlin
Jochem Poensgen - Architektur des Lichts
Werke, Entwürfe, Texte 1956-2012
Text: Kowa, Günter, Berlin
Auch wenn das rätselhaft technoide Umschlagsfoto etwas anderes vermuten lässt, „Jochem Poensgen, Architektur des Lichts“ ist bezwingende Lektüre, seit langem die beste über ein Bau-Thema, das keineswegs nur speziell oder gar randständig ist.
Auch wenn das Buch einem der Grandseigneurs der deutschen Nachkriegs- und Gegenwartsglasmalerei gewidmet ist, so nennt es Herausgeber Holger Brülls „kein Buch über einen Künstler, sondern über Kunst“ – über Kunst, so zieht es sich als roter Faden auf gut 400 Seiten, im Dienste der Architektur.
Im Zeitalter des autonomen Künstlers ist das beileibe keine selbstverständliche Haltung, aber Poensgen nennt sein Werkprinzip „die fröhliche Selbstauslieferung an die Rahmenbedingungen von Gestaltungsaufgaben.“ Diese scheinbare Zurückhaltung wiederum braucht das Gegenüber, einen, der die Gestaltungsaufgabe versteht und definiert – im Idealfall der Bauherr, und ihm zur Seite der Architekt oder der Denkmalpfleger. Letzterer ist Poensgens häufigster Ansprechpartner angesichts seines Schwerpunkts in der Gestaltung historischer Sakralräume, und auch der Herausgeber kommt aus dieser Sparte.
Das Buch lenkt die Aufmerksamkeit auch auf Poensgens stilbildenden Beitrag zur (sakralen) Moderne der 60er und 70er-Jahre, zum Konzept der „Lichtwand“, zur Betonästhetik des „Brutalismus“ und zum Einzug minimalistischer und experimenteller Kunstprinzipien in die Gegenwartsarchitektur – eine Epoche, die gerade über den Umweg über die Kunst vor einer Neu- und Wiederentdeckung (etwa der „Zelt“-Kirchen) steht und deren gebaute Beispiele vielerorts vor dem Abriss zu bewahren sind.
Die bestechende, teils kunsthistorische, teils analytische Werkschau, die Brülls im ersten Drittel des durchweg großformatig und farbig bebilderten Bandes bietet, ordnet Poensgens Schaffen in Phasen, in denen sich der jeweilige Zeitstil spiegelt, er ihn aber auch mitprägt. Abgesehen von frühen Fingerübungen unter dem Einfluss Fernand Légers, steht Poensgen unbeirrt zur Abstraktion, die in ihrer Entwicklung expressive, ornamentale, kinetische, postmoderne und zuletzt seriell-strukturale Ausdrucksformen durchläuft. Die Beständigkeit liegt dabei in der Empfänglichkeit für Raumvorgaben, etwa dem Zusammenklang von Farbtönen und Ornamentformen in Ausstattung, Wänden und Architekturgliedern. Mit diesem Verständnis von Raum als Resonanzkörper hat Poensgen vor allem in historischen Kirchen Aufsehen erregende Wege zu zeitgenössisch geprägten, dabei uneitlen Ergänzungen aufgezeigt. Das gilt für die intensiven Farbspiegelungen in rheinischen Kirchen der (Neu-)Gotik ebenso wie für die systematische „Lichtregie“ in der purifizierten Romanik der Klosterkirche Jerichow.
Gut 155 Arbeiten listet der Werkkatalog mittlerweile auf, und er reicht weit über das heimische Rheinland hinaus. Poensgens schöpferische Kraft scheint ungebrochen. Im „Selbstkommentar“, den dieselbe aufgabenbezogene Klarheit kennzeichnet, diskutiert er seine raumbezogene Entwurfspraxis etwa am Beispiel von St.Maria zur Höhe in Soest oder seinen Beitrag zum bislang ergebnislosen Wettbewerb für den Bamberger Dom. Auch seine in Auswahl abgedruckten kunsttheoretischen Texte bleiben praxisnah. Auf Poensgens kleine Zahl liturgischer Raumgestaltungen mit allem Inventar geht der Marburger Theologe und Kunsttheoretiker Horst Schwe-bel ein. Ausgehend von Kirchenbaukunst und Denkmalpflege führt sie am wandlungsfähigen Funktionalismus von Poensgens Lebenswerk das Beispiel von Architektur vor Augen, die sich als atmosphärisches Raumerlebnis versteht.
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