Paul Böhm – Bauten und Projekte
Dem Buch selbst fehlt die Ästhetik eines Architektenbuches, die auch aus dem Verzicht entsteht
Text: Winterhager, Uta, Köln
Paul Böhm – Bauten und Projekte
Dem Buch selbst fehlt die Ästhetik eines Architektenbuches, die auch aus dem Verzicht entsteht
Text: Winterhager, Uta, Köln
Kein Bau habe den Architekten Paul Böhm mehr gefordert als die Kölner Zentralmoschee, schreibt Wolfgang Pehnt. Und zweifelsohne hat kein Bau mehr zu seiner Bekanntheit beigetragen. Für Pehnt ein Anlass, eine Werkschau zu publizieren, Bauten und Projekte in der Form eines elaborierten Portfolios zu präsentieren und mit seinem profunden Wissen als Architekturhistoriker zu unterfüttern. Denn Paul Böhm kann man ohne seine Familie nicht begegnen. Pehnt bezeichnet sie in seinem einleitenden Essay „Reichtum und Strenge“ als die Erbengemeinschaft des Großvaters Dominikus Böhm, der die (Kirchen-)Baumeistertradition der Familie begründete, des Vaters Gottfried Böhm, dessen mächtige Architekturplastiken mit dem Pritzkerpreis ausgezeichnet wurden, und, in der nächsten Generation, des Sohnes Paul Böhm, jüngster von vier Brüdern, von denen drei Teilhaber im Familienbüro wurden. „Wie in mittelalterlichen Bauhütten gibt es unausgesprochen ein Repertoire von Formen, auf das alle Böhms Zugriff zu haben scheinen“, beschreibt Pehnt die Zusammenarbeit, die die Handschrift jedes einzelnen geprägt hat. Ausbruchsversuche tolerierte der Clan, und Paul Böhm ging für ein Jahr nach New York, um bei Richard Meier zu ar-beiten. Doch die Familienbande zog ihn wieder in das Büro Böhm nach Köln, bis er dort 2001 schließlich sein eigenes Büro gründete.
Pehnt blickt nun zurück auf bald 30 Jahre Architekturschaffen, zeigt 20 Projekte in chronologischer Folge und füllt damit 144 Seiten in einem großformatigen Band. Acht der Projekte sind fertig gestellt, zwei noch nicht gebaut, drei im Bau, und sieben wurden nicht realisiert. Die-se Werkschau ist sehr ehrlich – viel zu ehrlich für eine Szene, in der sonst nichts ohne Retusche gezeigt werden darf. Fast wirkt sie wie ein Atelierbesuch, vor dem niemand aufgeräumt hat – nur die Modelle sind seltsamerweise verschwunden. Wir sehen neben anerkannt Gutem und Schönem, dass die Zentralmoschee, die erst Meilenstein, dann Stolperstein der Integrationsdebatte wurde, schon altert, während der Bauzaun noch steht. Dass auch scheinbar zeitlose Ideen ein Verfallsdatum haben und dass das Scheitern zum Schaffen gehört. Nicht weil Pehnt es so inszenieren wollte, sondern weil es wohl so war.
Es ist eine Fülle von Materialien und Themen, die das Bild des Architekten zwar facettenreich, aber auch seltsam unscharf werden lässt; nicht immer bleibt die Handschrift erkennbar. Und leider zu häufig schaffen es die Visualisierungen nicht, die kraftvolle Plastizität der Böhmschen Architektur so zu transportieren, wie die „familieneigene Faktur“ es tut. Dem Buch selbst, das zwar hochwertig und mit 69 Euro auch vergleichsweise teuer ist, fehlt die Ästhetik eines Architektenbuches, die auch aus dem Verzicht entsteht. Es will zu viel. Schöne Bilder sind da, doch in der Masse gehen sie unter. Wie wohltuend atmosphärisch sind da die Doppelseiten, auf denen nicht mehr als zwei Fotografien gezeigt werden. Hier endlich wirken Formen und Figuren, Licht und Schatten, Oberflächen und Details, sprechen für den Architekten, der sich in diesem Buch nur darin erklärt.
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