Ungewöhnlich wohnen
Bremer Perspektiven
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Ungewöhnlich wohnen
Bremer Perspektiven
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Wohnen, eines der Grundbedürfnisse des Menschen, wird einem großen Teil der Weltbevölkerung nicht angemessen befriedigt. Und weil eine Schlafstätte noch keine Wohnung macht und selbst eine Wohnung bei falscher Belegung bzw. Nutzung kein würdiges Wohnen ermöglicht, haben auch Industrienationen wie Deutschland ein nicht zu unterschätzendes Wohnproblem.
Die Städte haben in den letzten Jahren soziale Wohnprogramme vernachlässigt, zurückgefahren oder sogar eingestellt und somit dem freien Immobilienmarkt und den damit einhergehenden Preissteigerungen die Türen geöffnet.
Um ein weiteres soziales Ungleichgewicht zu vermeiden und die Städte lebenswert zu halten und allen sozialen Schichten finanzierbaren (Qualitäts-!)Wohnbau zu bieten, besinnen sich die Verantwortlichen wieder auf städtisch geförderte oder initiierte Projekte. Unter dem Titel „Ungewöhnlich wohnen“ haben 2011 in Bremen der Senat, die Architektenkammer und die GEWOBA 15 Büros eingeladen, für fünf Quartiere „ungewöhnliche Ideen“ zu entwickeln. Da dem Wohnungsbau eine Schlüsselrolle der Stadtentwicklung zukommt, muss auf veränderte demographische, wirtschaftliche und ökologische Bedingungen reagiert werden. Entscheidende Themen wie Nachhaltigkeit, (Nach-)Verdichtung und Barrierefreiheit lassen sich mit „klassischen“ Grundrissen, die auf einen 4-Personen-Haushalt – Vater (arbeitend), Mutter (Hausfrau), zwei Kinder – nicht mehr in Einklang bringen.
Der Autor Dirk Meyhöfer war bis 1987 als Redakteur bei Architektur & Wohnen tätig und kann somit auf ein profundes Wissen zum Thema Wohnen verweisen, wenngleich A&W „ungewöhnlich wohnen“ als elitäre Disziplin der finanziell unabhängigen Oberschicht begreift. Das aufschlussreichste Kapitel des Buches lautet „Alles ganz einfach und kompliziert“. Hier wird das Thema Wohnen einmal komplett von der Industrialisierung bis zur Gegenwart durchdekliniert und speziell am Alt-Bremer Haus gemessen, das noch heute ein adaptionsfähiges Modell darstellt und sich dank seiner innerstädtischen Lage großer Beliebtheit erfreut.
Die Bremer Perspektiven, die der Wettbewerb hervorgebracht hat, stellt Meyhöfer in fünf Kapitel gegliedert vor. Alle Büros präsentieren Lösungen für die stadt- und sozialverträgliche (Nach-)Verdichtung in einer hybriden Nutzung aus Wohnen und Arbeiten. Wie so häufig ist der formulierte Anspruch dabei sehr viel höher, als die Ergebnisse einzulösen vermögen – viele Lösungen zeigen mehr oder weniger „flexible“ Grundrisse, wie sie heute Standard sind. Die uneinheitliche Darstellung, Originalpläne der Architekten (!) in nicht immer sorgfältiger Auswahl und teilweise unleserlich klein, macht Vergleiche allerdings sehr schwer, was gerade in Bezug auf die Mustergültigkeit schade ist. Der Beitrag von Brandlhuber+ bleibt da als fast einziger als innovativ, adaptionsfähig und sinnfällig dokumentiert in Erinnerung.
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