Kleines Requiem für Bogdan Bogdanović
Nachruf
Text: Podrecca, Boris, Wien
Kleines Requiem für Bogdan Bogdanović
Nachruf
Text: Podrecca, Boris, Wien
Bogdan Bogdanović, der letzte große Memorial- und Denkmalerbauer ist am 18. Juni im 88. Lebensjahr in Wien gestorben. Sein Interesse galt nicht dem profanen, zweckgebundenen Objekt, sondern dem evokativen Klang symbolischer Bauaufgaben. Es waren vornehmlich Nekropole, sprechende Städte der Toten, die sich auf das Zivilisatorische der Polis bezogen und die er in Jugoslawien, seiner später verlorenen Heimat, baute.
Geboren wurde Bogdanović 1922 in Belgrad als Sohn eines bekannten Publizisten. Sein Architekturstudium schloss er 1950 unter der Obhut des Nestors der serbischen Moderne, Nikola Dobrović, ab.
Im gleichen Jahr wirkte er als Assistent, später als Professor und Direktor des urbanistischen Instituts der Universität Belgrad. Sein erstes Werk war 1952 das Memorial für die jüdischen Opfer des Faschismus in Belgrad, in dem nun seine Urne – die eines Nichtjuden – aufbewahrt wird.
Bogdanović schrieb Dutzende Bücher und baute über einen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren Nekropole und Denkmäler in ganz Jugoslawien (Bauwelt 12.09). Die bekanntesten kann man noch heute besichtigen; teilweise tragen sie als Kriegsfolgen Spu-ren mutwilliger Beschädigung, teilweise wurden sie rekonstruiert, wie das bekannteste in Jasenovac (die Blume aus Beton) oder jene in Mostar, Prilep, Cacak, Vukovar usw. 1976 gründete Bogdanović eine pri-vate Meisterklasse im Dorf Mali Popović, in der eine ausgesprochen undogmatische Lehrmethode gepflegt wurde. Die Schule wurde dann im Kriegsgetümmel geplündert und geschlossen.
1981 trat Bogdanović aus der Serbischen Akademie der Wissenschaften aus und wirkte von 1982
bis 1986 als Bürgermeister von Belgrad. 1987 verkündete er seine intellektuelle Verweigerung durch einen offenen Brief an Milosević und begab sich in die Dissidenz. Ab 1993 lebte er mit seiner Frau Xenia, zugleich sein Schutzengel, im Exil in Wien, wo er als Schriftsteller tätig war. Seine Bücher behandeln den Grenzgang zwischen Politik und Architektur, zwischen Anekdote und offenem Widerstand eines Intellektuellen in der Rumpelkammer der Vergangenheit.
Die anthropologische Beobachtung der Erinnerung war Bogdanovićs Forschungsinstrumentariumdes Bauens. Die Ausweitung seines Gedankenguts, bestehend aus Archetypen und Mythologemen, rief in den angepassten Architekturkreisen Skepsis und Verärgerung hervor. Man sah in seiner Haltung keine adäquate Botschaft zur Neustrukturierung einer sozialistischen Gesellschaft, eher eine Sammlung von assoziativem, verbrauchtem Material. Doch die Abkehr vom Soziorealismus in Titos Jugoslawien und eine liberale Kunstpolitik bildeten ein freisinniges Milieu, in dem auch Bogdanović erfolgreich wirken konnte.
Bogdanović war im Grunde genommen ein transzendentaler Materialist und Ästhet, versehen mit einem Hauch von Surrealismus und Anarchie. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen hatte Belgrad sich stark an Paris orientiert, und Bretons Umkehrung der Realität war den jüngeren linken Intellektuellen durchaus bekannt. Es lag auf der Hand, dass Bogdanovićs Artefakten die Sehnsucht nach einer verlorenen Zeit, nach vergrabenen und verschütteten Regeln des Stadtbaus innewohnten, die er zum Leben zu erwecken trachtete. Seine Werke zielten auf die Aufhebung dieser Zeit, doch ohne Proust’sche Melancholie, vielmehr mit einer besonnenen, optimistischen, manchmal sogar ironischen Haltung.
Die Zeichen von Bogdanovićs unerschöpflichen, immer aufs Neue erdachten Kombinatorik seiner Mythologica standen im bewussten und mahnenden Widerstand gegenüber dem damals gängigen Funktionalismus. Sein Spiel mit Archetypen und kosmologischen Symbolen, sogar seine Hinwendung zur Architektur der Termiten, Bienen und Spinnen und deren Gleichnis mit mathematischen Ordnungen, wie er uns in seinen Essays vergnüglich berichtete, dazu alle erdenklichen esoterischen Regeln der Stadtgründungen haben ein handfestes Ideogramm vom Stadtschreiben, Stadtlesen und Stadtleben gebildet.
Heute, in einer Zeit friedlicher Koexistenz von pluralen und entgegengesetzten Architekturhaltungen, blickt man aus gebotener Distanz mit neuem Interesse und Respekt auf die solitäre Poetik Bogdanovićs, die kompromisslos gegen das Zeitgeistige aufspielte. Gerade weil es eben nicht um das seelisch-geistige, sondern um eine lebensbejahende, elementare und mit Bodenhaftung versehene Verbindung der Gestalt mit den kosmischen Sphären geht. Wie glücklich und stolz war Bogdanović, als eine ehemalige Studentin ihm bei ihrem Besuch erzählte, ihr Kind sei zwischen den Pinien und Steinen seines Partisanendenkmals in Mostar gezeugt worden.
Geboren wurde Bogdanović 1922 in Belgrad als Sohn eines bekannten Publizisten. Sein Architekturstudium schloss er 1950 unter der Obhut des Nestors der serbischen Moderne, Nikola Dobrović, ab.
Im gleichen Jahr wirkte er als Assistent, später als Professor und Direktor des urbanistischen Instituts der Universität Belgrad. Sein erstes Werk war 1952 das Memorial für die jüdischen Opfer des Faschismus in Belgrad, in dem nun seine Urne – die eines Nichtjuden – aufbewahrt wird.
Bogdanović schrieb Dutzende Bücher und baute über einen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren Nekropole und Denkmäler in ganz Jugoslawien (Bauwelt 12.09). Die bekanntesten kann man noch heute besichtigen; teilweise tragen sie als Kriegsfolgen Spu-ren mutwilliger Beschädigung, teilweise wurden sie rekonstruiert, wie das bekannteste in Jasenovac (die Blume aus Beton) oder jene in Mostar, Prilep, Cacak, Vukovar usw. 1976 gründete Bogdanović eine pri-vate Meisterklasse im Dorf Mali Popović, in der eine ausgesprochen undogmatische Lehrmethode gepflegt wurde. Die Schule wurde dann im Kriegsgetümmel geplündert und geschlossen.
1981 trat Bogdanović aus der Serbischen Akademie der Wissenschaften aus und wirkte von 1982
bis 1986 als Bürgermeister von Belgrad. 1987 verkündete er seine intellektuelle Verweigerung durch einen offenen Brief an Milosević und begab sich in die Dissidenz. Ab 1993 lebte er mit seiner Frau Xenia, zugleich sein Schutzengel, im Exil in Wien, wo er als Schriftsteller tätig war. Seine Bücher behandeln den Grenzgang zwischen Politik und Architektur, zwischen Anekdote und offenem Widerstand eines Intellektuellen in der Rumpelkammer der Vergangenheit.
Die anthropologische Beobachtung der Erinnerung war Bogdanovićs Forschungsinstrumentariumdes Bauens. Die Ausweitung seines Gedankenguts, bestehend aus Archetypen und Mythologemen, rief in den angepassten Architekturkreisen Skepsis und Verärgerung hervor. Man sah in seiner Haltung keine adäquate Botschaft zur Neustrukturierung einer sozialistischen Gesellschaft, eher eine Sammlung von assoziativem, verbrauchtem Material. Doch die Abkehr vom Soziorealismus in Titos Jugoslawien und eine liberale Kunstpolitik bildeten ein freisinniges Milieu, in dem auch Bogdanović erfolgreich wirken konnte.
Bogdanović war im Grunde genommen ein transzendentaler Materialist und Ästhet, versehen mit einem Hauch von Surrealismus und Anarchie. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen hatte Belgrad sich stark an Paris orientiert, und Bretons Umkehrung der Realität war den jüngeren linken Intellektuellen durchaus bekannt. Es lag auf der Hand, dass Bogdanovićs Artefakten die Sehnsucht nach einer verlorenen Zeit, nach vergrabenen und verschütteten Regeln des Stadtbaus innewohnten, die er zum Leben zu erwecken trachtete. Seine Werke zielten auf die Aufhebung dieser Zeit, doch ohne Proust’sche Melancholie, vielmehr mit einer besonnenen, optimistischen, manchmal sogar ironischen Haltung.
Die Zeichen von Bogdanovićs unerschöpflichen, immer aufs Neue erdachten Kombinatorik seiner Mythologica standen im bewussten und mahnenden Widerstand gegenüber dem damals gängigen Funktionalismus. Sein Spiel mit Archetypen und kosmologischen Symbolen, sogar seine Hinwendung zur Architektur der Termiten, Bienen und Spinnen und deren Gleichnis mit mathematischen Ordnungen, wie er uns in seinen Essays vergnüglich berichtete, dazu alle erdenklichen esoterischen Regeln der Stadtgründungen haben ein handfestes Ideogramm vom Stadtschreiben, Stadtlesen und Stadtleben gebildet.
Heute, in einer Zeit friedlicher Koexistenz von pluralen und entgegengesetzten Architekturhaltungen, blickt man aus gebotener Distanz mit neuem Interesse und Respekt auf die solitäre Poetik Bogdanovićs, die kompromisslos gegen das Zeitgeistige aufspielte. Gerade weil es eben nicht um das seelisch-geistige, sondern um eine lebensbejahende, elementare und mit Bodenhaftung versehene Verbindung der Gestalt mit den kosmischen Sphären geht. Wie glücklich und stolz war Bogdanović, als eine ehemalige Studentin ihm bei ihrem Besuch erzählte, ihr Kind sei zwischen den Pinien und Steinen seines Partisanendenkmals in Mostar gezeugt worden.
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