Bauwelt

Über die Zukunft der Fassade

Im Gespräch: Winfried Heusler, Schüco

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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    Winfried Heusler (rechts), Boris Schade-Bünsow (links)
    Foto: Frank Peterschröder

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    Hasso-Plattner-Institut, Erweiterung in Potsdam
    Foto: Schüco

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    Foto: Schüco

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    Schüco Elementfassade, Sonderkonstruktion und E²-Fassade
    Foto: Schüco

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    Schüco Elementfassade, Sonderkonstruktion und E²-Fassade

    Foto: Schüco

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    Campus La Forgiatura in Mailand mit dem Fassadensystem Schüco AWS 102/Aluminium-Systeme, Schüco Großlamelle ALB passive/Aluminium-Systeme, Schüco USC 65/Aluminium-Systeme
    Foto: Schüco

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    Campus La Forgiatura in Mailand mit dem Fassadensystem Schüco AWS 102/Aluminium-Systeme, Schüco Großlamelle ALB passive/Aluminium-Systeme, Schüco USC 65/Aluminium-Systeme

    Foto: Schüco

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    Die Industrieländer sind mehr oder weniger auf einem gutem Weg zu einem nachhaltigen Ressourcenverbrauch. Ganz anders sieht das in den Entwicklungsländern aus. Zumindest bei negativen Szenarien steigt der Verbrauch hier derartig schnell an, dass zu erwarten ist, dass er in einigen Jahren über dem der Industrienationen liegen wird.
    Quelle: Heusler/Kadija (Schüco)

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    Die Industrieländer sind mehr oder weniger auf einem gutem Weg zu einem nachhaltigen Ressourcenverbrauch. Ganz anders sieht das in den Entwicklungsländern aus. Zumindest bei negativen Szenarien steigt der Verbrauch hier derartig schnell an, dass zu erwarten ist, dass er in einigen Jahren über dem der Industrienationen liegen wird.

    Quelle: Heusler/Kadija (Schüco)

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    Winfried Heusler, Schüco
    Foto: Frank Peterschröder

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    Winfried Heusler, Schüco

    Foto: Frank Peterschröder

Über die Zukunft der Fassade

Im Gespräch: Winfried Heusler, Schüco

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

Wie haben sich die Fassaden in den letzten Jahrzehnten verändert?

Die mit Abstand größte Veränderung betrifft den Wärmeschutz. Und das ist meiner Meinung nach eine extrem einseitige Optimierung gewesen – Wärmeschutz, Wärmeschutz, Wärmeschutz. So wurden die Profile immer tiefer. Zudem sind die Fensterflächen immer größer und die Glasgewichte immer höher geworden. Was dabei leider zu kurz gekommen ist: Es ist ja nicht nur das Heizen wichtig, sondern gerade bei großen Glasflächen in vielen Gebäuden auch das Kühlen. Da haben wir immer noch Nachholbedarf. Der Sonnenschutz wurde nicht ausreichend berücksichtigt. Das gleiche gilt für die Tageslichtnutzung, auch hier in Deutschland. International sind andere Aspekte wichtig: Sturm, Starkregen und, beispielsweise in Hongkong, Feuchtigkeit.
Welche Innovationen waren für Sie in dieser Zeit richtungweisend?
Wichtig waren ganzheitliche Optimierungen, beispielsweise additive Layer-Systeme, bei denen hintereinander aufgebaute Schichten bestimmte Funktionen haben, abhängig von der Jahres- und Tageszeit und den Außenbedingungen. So gibt es tags durch transparente Gläser visuellen Kontakt nach außen. Nachts braucht man den nicht, dann schiebt man vor das Glas eine nichttransparente Schicht zum Sicht- und Wärmeschutz. Bei starker Sonnenstrahlung wird die Sonnenschutz- und Photovoltaik-Schicht aktiviert. So kann die Fassade variabel auf veränderliche Außen- und Innenbedingungen reagieren.
Welche zusätzlichen Funktionen können Fassaden heute schon erfüllen?
Die Integration von Teilen der technischen Gebäudeausrüstung ist sehr interessant. Ein Beispiele hierfür sind Fassaden mit integrierten Komponenten der dezentralen Lüftung, wie bei unserer E²-Fassade des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam.
Gibt es noch mehr, was Sie in naher Zukunft erwarten?
Modularisierung im großen und kleinen Maßstab sowie die Konvergenz der Gewerke sind zwei großartige Sachen, welche in enger Verbindung zueinander stehen. Fassaden beinhalten zur Steigerung der Energieeffizienz sowie des Komforts und der Sicherheit immer mehr Sensoren, Antriebe und elektronische Komponenten. Diese werden in die Fassade integriert. Zukunftsweisende Fassadenmodule nutzen das Plug-and-play-Prinzip mit optimierten Schnittstellen. Bauteile, die längere Innovationszyklen haben (z.B. Rahmenprofile, Dichtungen und Gläser) bleiben in der Fassade, Komponenten mit kürzeren Innovationszyklen (insbesondere elektronische Bauteile) tauscht man häufiger. Das ist modernisierungsgerecht.
Verringert sich dadurch zukünftig die gestalterische Freiheit des Architekten?
Im Gegenteil. Ich finde, dass man mehr Möglichkeiten hat als früher, z.B. beim parametrischen Entwerfen und Planen. Hiermit kann man Fassaden wesentlich individueller und zielgerichteter optimieren, nicht nur funktionell, sondern auch gestalterisch.
Sind diese Techniken in absehbarer Zukunft verfügbar?
Ja
Welche große Innovation erwarten Sie langfristig? Was fehlt Ihnen noch?
Für mich ist die oben beschriebene Elektrifizierung eine Übergangstechnologie. Langfristig werden wir Materialien haben, die auf äußere Einflüsse reagieren. Zukünftig erzeugt die Natur das Steuerungssignal und die Fassade reagiert selbsttätig darauf. Wichtig ist aber, dass der Mensch die Funktion der Fassade noch beeinflussen kann. Hier stehen wir vor echten Herausforderungen.
Herr Heusler, Sie sind auch Professor an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold. Welche Fächer vermitteln Sie?
Ich unterrichte Fassadentechnik für Architekten und Ingenieure. Es geht um die Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Fassaden, um theoretische Grundlagen genauso wie um die praktische Anwendung.
Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Ich lege Wert auf die gleichwertige Betrachtung von Funktion und Gestaltung. Es geht mir auch um die Emotionalisierung der Fassade. Ingenieure versuchen kontinuierlich und in kleinen Schritten einzelne Funktionen von Komponen-ten zu optimieren und wundern sich, dass sie damit keine Begeisterung auslösen. Architekten
erzeugen mit formalästhetischen Aspekten Emotionen, wie beispielsweise Frank O.Gehry in Bilbao. Das spricht die Leute an, und das Gebäude erhält plötzlich eine symbolische Bedeutung.
Formal expressive Architektur stellt Ingenieure und Fassadenplaner häufig vor große Herausforderungen.
Das hängt mit Kosten, Terminen und Qualität zusammen. Häufig werden bei derartigen Projekten diese Grundanforderungen nur unzureichend definiert. Wenn aber kreative Architekten mit innovativen Ingenieuren im Team auf Augenhöhe neuartige Fassaden entwickeln, führt dies in vielen Fällen erfahrungsgemäß zu Projekten, die funktionieren und gleichzeitig Begeisterung erzeugen und emotionalisieren.
Im September veranstalteten Sie in Detmold und bei Schüco eine kombinierte Hochschulkonferenz mit dem Titel „Zukunftsstadt 2050“. Was hatte es damit auf sich, welche Themen
haben Sie beschäftigt?
Die Bevölkerung wird in den nächsten 35 Jahren auf neuneinhalb Milliarden Menschen anwachsen und dies hauptsächlich in den heutigen Entwicklungsländern. In enger Verbindung damit steht der Trend zur Urbanisierung. Durch die zunehmenden Emissionen besteht die Gefahr, dass der Klimawandel verschärft wird, und gleichzei-tig kommt die digitale Transformation, die unser Arbeitsleben verändern wird.
In dem Workshop in Detmold untersuchten wir an fünf Standorten „Zukunftsbilder der Schule 2050“. Wir betrachteten Mumbai in Indien, Lagos in Nigeria – das ist übrigens die am schnellsten wachsende Stadt Afrikas und damit auch der Welt, Bogota in Kolumbien und Berlin. Zudem untersuchten wir die Region Ostwestfalen-Lippe. Wir erwarten an diesen fünf Standorten völlig unterschiedliche Entwicklungen. Am greifbaren Beispiel „Schule“ sollten die Studenten ableiten, wie sich die Städte entwickeln könnten.
Einerseits wollten wir langfristige Trends und deren Konsequenzen diskutieren, andererseits wollten wir die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit erproben und fördern. Im zweiten Teil der Konferenz präsentierten die Studenten ihre Ergebnisse vor Architekten und Ingenieuren aus Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch vor politischen Vertretern. Das war der Auftakt zu einem zweitägigen Symposium mit Fachvorträgen und Podiumsdiskussionen.
Es geschieht nicht oft, dass große Industrieunternehmen mit Hochschulen auf diese Art und Weise kooperieren. Gab es Ressentiments auf Seiten der Hochschule?
Es gab anfangs tatsächlich gewisse Ressentiments, es sind einfach zwei total unterschiedliche Welten. Wir hatten nach vielleicht sechs Wochen ein Niveau erreicht, auf dem wir konstruktiv miteinander arbeiteten. Und seitdem geht es kontinuierlich aufwärts. Jetzt macht es richtig Spaß!
Glauben Sie, dass Sie damit ein Beispiel
setzen?
Ich bin fest davon überzeugt. Aber einfach zu sagen, wir arbeiten jetzt interdisziplinär, international sowie in Forschung, Lehre und Industrie zusammen, geht nicht. Das müssen Menschen wollen und machen.
Was ist für Sie im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP21 in Paris die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung – und gleichzeitig der beste Lösungsansatz ist ein ganzheitlicher. Ein nachhaltiger Energie- und Ressourcenverbrauch, mit dem die Welt 2050 leben kann, liegt sicher unter dem Verbrauch der Industrienationen und über dem der heutigen Entwicklungsländer. Wir arbeiten in Deutschland seit vielen Jahren kräftig daran, ein verträgliches Niveau zu erreichen. Ganz gut sind wir bei dem Energieverbrauch pro Quadratmeter. Was kontraproduktiv läuft ist der Flächenverbrauch pro Kopf. Wir gönnen uns immer mehr Platz. So wie wir den Energieverbrauch pro Quadratmeter reduziert haben, haben wir die Quadratmeter pro Kopf erhöht.
Auf der anderen Seite wollen die Menschen in den Entwicklungsländern genauso gut leben wie wir. Mit den Strategien, mit denen wir heute arbeiten, werden wir z.B. in Dubai einen Ressourcenverbrauch erreichen, der über unser heutiges Niveau weit hinaus geht. Das müssen wir gemeinsam ändern – interdisziplinär, international und ganzheitlich.
Fakten
Architekten Mark Braun Architekten; Päschke Architekten, Berlin; Giuseppe Tortato, Mailand
aus Bauwelt 40-41.2015
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