Bauwelt

Neumann & Heinsdorff Architekten und das Haus der Generationen

Debüt Nr. 20

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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Neumann & Heinsdorff Architekten und das Haus der Generationen

Debüt Nr. 20

Text: Meyer, Friederike, Berlin

Eine Industriehalle aus den Achtzigern ist zum neuen Zentrum für die niederbayerische Marktgemeinde Mallersdorf-Pfaffenberg geworden
Es ist nicht selbstverständlich, dass eine kleine Gemeinde mit jungen Architekten, noch dazu von außerhalb, fruchtbar zusammenarbeitet. Die niederbayerische Marktgemeinde Mallersdorf-Pfaffenberg hat es vorgemacht. Bekannt ist sie vor allem durch das Benediktinerkloster, in dem die Mallersdorfer Schwestern ein vorzügliches Bier brauen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es einen weiteren Grund, hierher zu fahren: das Haus der Generationen. Es liegt in der Talsenke zwischen Mallersdorf und Pfaffenberg. Früher wurden hier elektrische Bauteile produziert, in einer Fabrik, die dann lange leer stand. Die Gemeinde hat das Gelände gekauft, ein Entwicklungskonzept aufgestellt und einen Wettbewerb für eine Veranstaltungshalle ausgelobt. Sie ist der erste Baustein des neuen Ortszen­trums, das hier geplant ist. Weil EU-Geld für Sanierungsmaßnahmen in Aussicht stand, sollte die zweigeschossige Industriehalle von 1984 erhalten bleiben. Neumann & Heinsdorff Architekten, die Gewinner des Wettbewerbs, haben sie umgebaut, für Vereine aus dem Ort, mit einer Bibliothek und mit einem Veranstaltungssaal für 800 Gäste. Und sie haben damit ihren ersten Auftrag realisiert. 
Als ich zum ersten Mal vom „Haus der Generationen“ hörte, dachte ich an eine Wohnanlage.
Thomas Neumann | Mit Wohnen hat das nie etwas zu tun gehabt. Die leerstehenden Industriehallen waren ein Schandfleck im Dorf. Daher hatte
es im Vorfeld eine Suche nach neuen Nutzungen gegeben, die dann als bunte Mischung aus Veranstaltungsort, Jugendclub, Mutter-Kind-Räumen, Kino und Bücherei zu dem Paket „Haus der Generationen“ geschnürt wurden und Grundlage des Wettbewerbsprogramms waren.
Worum ging es im Wettbewerb?
Marko Heinsdorff | Wir sollten nicht „nur“ ein Gemeindezentrum mit Veranstaltungshalle planen, sondern auch eine „Neue Mitte“ für die beiden Ortsteile. Es war ein Ideen- und Realisierungswettbewerb. Das Gelände konnten wir frei beplanen, bis auf die Halle aus den Achtzigern, die sollte erhalten bleiben.
Was haben Sie vorgeschlagen?
TN | Wir haben erst nicht so ganz verstanden, warum man eine Industriehalle zur Mehrzweckhalle umnutzen möchte. Was für ein Aufwand! Um einen Ansatz für den Entwurf zu finden, haben wir uns gefragt, was die spezielle Qualität der Halle ist. Diese sahen wir in dem großen stützenfreien Raum mit über 30 Meter frei spannenden Bindern. Die Idee war: Die Halle so lassen wie sie ist, mit wenigen Mitteln sanieren und alles Neue außen davor bauen. Die zusätzlichen Räume sind also alle im Anbau oder im Sockelgeschoss.
MH | Dadurch ergab sich die Möglichkeit, dem Saal eine Terrasse vorzu­lagern, von der aus man einen Blick ins Tal hat.

Mit welchen Mitteln haben Sie die Halle für die neue Nutzung adaptiert?

MH | Die Halle hat zwei Geschosse. Der massive Sockel steckt zur Hälfte im Gelände, das zur Straße hin abfällt. Das Obergeschoss ist eine Stahlkonstruktion.
TN | Wir haben ein Fachwerk auf die Stahlrahmen gesetzt. Uns war wichtig, dass die Halle mehr Höhe bekommt, und wir brauchten Platz für die Lüftung und andere Technik. Außerdem war klar, dass die bestehende Konstruktion keine zusätzlichen Lasten – zum Beispiel von einem neuen Dachaufbau – aufnehmen kann. Um die beiden Geschosse zu verbinden und das Untergeschoss zu belichten, haben wir ein 30 Meter langes Deckenloch in den Beton schneiden lassen.
MH | Zwischendurch wollten wir das ganze Tragwerk erneuern, weil man dann die Halle hätte höher bauen können. Wir haben der Regierung von Niederbayern den Vorschlag gemacht: Für das Geld, was die Ertüchtigung des alten Tragwerks kostet, können wir vielleicht ein Holztragwerk bauen und hätten dann mehr Höhe und weniger Brandschutzprobleme. Aber alle sagten, wenn wir von der Stahlkonstruktion abweichen, stellen wir den ganzen Wettbewerb in Frage. Dort war der Umbau schließlich Bedingung.
TN | Das Projekt ist mit 70 Prozent gefördert worden, als Umbau und Sanierung eines Industrieareals. Bei einem Neubau hätte es nichts gegeben.
Welche Nutzungen haben sich zum Schluss gefunden?
MH | Es gibt ein Jugendzentrum, einen Seniorentreff, eine Bibliothek. Schwerpunkt ist die Veranstaltungshalle mit 800 Plätzen – die unterste Grenze, um regionale Prominenz zu gewinnen. Für eine Gemeinde mit 6000 Einwohnern ist das ordentlich. Vor allem gibt es in der Um­gebung schon einige solcher Hallen. Aber das Projekt wurde durch EU-Mittel gefördert. Da hat man gesagt, jetzt oder nie.
TN | Der Bürgermeister sagte: „Baut was, wohin die Gruber kommt!“
Bitte wer?
TN | Die Kabarettistin Monika Gruber. Sie ist in der Gegend das Beispiel für ein Event, das viele Leute anzieht.
[Der Hausmeister kommt gerade vorbei.]
Ist das Haus ausgelastet?

Hausmeister Matthias Buchner | Von 9 bis 11 Uhr ist die Mutter-Kind-Gruppe da, abends ist Billard oder Jugendtreff. Die Bücherei hat drei Tage die Woche offen. Und dann die Veranstaltungen: Morgen ist Neujahresempfang von der Landkreis-CSU, im Anschluss gibt’s eine Siegerehrung vom Fußballturnier. Jedes Wochenende ist was anderes. Bei Hochzeiten allerdings geht es erst ab 250 Gästen los. Da will die Gemeinde den Wirtshäusern im Ort mit ihren kleineren Sälen keine Konkurrenz machen.
Gab es Bedenken, dass die Halle zu monströs wird?
TN | Es gab verschiedene Wünsche. Die Gemeinde wollte eine echte „Stadthalle“. Die Regierung von Niederbayern sah die Sache eher als Umbau, der den Werkstattcharakter der Industriehalle erhält. In diesem Spannungsfeld bewegte sich auch die Diskussion mit den Leuten, dem Bauamt, dem Bürgermeister.
Haben Sie Vorbehalte Ihnen gegenüber, als junge Architekten, gespürt?
MH | Wenn, dann weniger weil wir jung sind, sondern weil wir aus München und Köln kommen, also von außerhalb.
TN | Der Wettbewerbsgewinn hat uns legitimiert. Wir waren die Sieger eines offiziellen Verfahrens. Über Grundsätzliches wurde einfach nicht diskutiert.
MH | Dafür aber um die Fassade. Die Holzverschalung erregte die Gemüter. Worte wie „Stadel“ und „Bretterbude“ fielen.
TN | Für uns Stadtmenschen ist Holz immer positiv besetzt.
MH | Hier in Niederbayern sieht man das anders.
Klingt nach ziemlich idealen Bedingungen und eher kleinen Problemen.
MH | Vielleicht haben wir Glück gehabt, vielleicht haben wir es ganz gescheit gemacht. Auf jeden Fall waren viele gute Leute beteiligt.
TN | Es gab ein städtebauliches Entwicklungskonzept, und das Büro Pfab und Rothmeier aus Regensburg hatte den Wettbewerb ausgezeichnet vor­bereitet. Schließlich gab es den Bürgermeister Karl Wellenhofer und einen Gemeinderat, der für unsere Argumente offen war.
Welche Rolle spielte der Bürgermeister?
TN | Er war die treibende Kraft und hat das Projekt durch schwierige Zeiten manövriert. Zum Beispiel durch die Wirtschaftskrise 2009, die auch auf den Gemeindehaushalt durchgeschlagen war.
MH | Im Prinzip hat sich das Projekt nur um ein Jahr verschoben. Zwischendurch aber haben wir gezittert, ob es überhaupt gebaut wird.
Fakten
Architekten Neumann & Heinsdorff Architekten, München
aus Bauwelt 13.2013
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