Zwischen den Stühlen
Bei großen Projekten ziemlich üblich: Mit der Ausführungsplanung beauftragt der Bauherr nicht den Entwerfer, der den Wettbewerb gewonnen hat, sondern einen anderen Architekten. Anna Hopp und Carsten Wiewiorra vom Berliner Büro wiewiorra hopp schwark über ihre Erfahrung mit einer umstrittenen Konstellation
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Zwischen den Stühlen
Bei großen Projekten ziemlich üblich: Mit der Ausführungsplanung beauftragt der Bauherr nicht den Entwerfer, der den Wettbewerb gewonnen hat, sondern einen anderen Architekten. Anna Hopp und Carsten Wiewiorra vom Berliner Büro wiewiorra hopp schwark über ihre Erfahrung mit einer umstrittenen Konstellation
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Neben Projekten, die Sie selbst entwerfen und umsetzen, wie etwa das im letzten Jahr fertiggestellte Finanzamt in Oranienburg (Bauwelt 14.2018), ist ein Standbein Ihres Büros, von anderen Architekten angefertigte Entwürfe zur Ausführungsreife zu bringen. Dass Auftraggeber Entwurfs- und Ausführungsplanung in unterschiedliche Händen legen, ist nichts Ungewöhnliches. Dass wir darüber sprechen schon.
Carsten Wiewiorra In der Tat, offen gesprochen wird in Deutschland in der Kollegenschaft nicht über das Thema. Obwohl viel so gearbeitet wird. Viele Architekten bearbeiten nur noch die Leistungsphasen 1 bis 4. Weil sie sich in der Leistungsphase 5 nicht zuhause fühlen, weil das Büro gerade die Kapazitäten nicht hat – oder weil der Bauherr das wünscht.
Frau Hopp, Sie haben lange in den Niederlanden gearbeitet. Dort ist die Trennung von Entwurfs- und Ausführungsplanung normal.
Anna Hopp Ganz wenige Büros dort machen die Ausführungsplanung selbst. Es ist üblich, dass man die Entwurfsplanung abschließt und die Planung dann an ein sogenanntes Baubüro abgibt, das sämtliche Details entwickelt. Wobei sich in den Niederlanden ohnehin die Details stärker ähneln, es wird viel mehr standardisiert. Ich habe so oft zum Beispiel in Wohnungen die gleiche Maisonettetreppe gesehen, bei ganz unterschiedlichen Entwurfsarchitekten.
So üblich die Trennung von Entwurfs- und Ausführungsplanung inzwischen auch hierzulande sein mag – bei uns herrscht unter Architekten doch die Meinung vor, dass eigentlich beides aus einer Hand kommen muss, um die Qualität eines Entwurfs auch in derselben Qualität umsetzen zu können.
Anna Hopp Es ist schwierig für einen Entwurfsarchitekten, die Ausführungsplanung abzugeben, wenn er das Projekt gerne selbst weitergeführt hätte. Die Kontinuität ist unterbrochen, und man weiß nicht, ob das Projekt in der Weise fortgeführt wird, wie man sich das gedacht hat. Deshalb stehen wir bei den Projekten, in denen wir die Ausführungsplanung für andere übernehmen, immer erst einmal in der Kritik. In gewisser Weise sitzen wir auch zwischen den Stühlen. Wir haben den Auftrag ja nicht vom Entwurfsarchitekten bekommen, sondern vom Bauherrn. Und müssen natürlich auch dessen Auftrag erfüllen.
Carsten Wiewiorra Wir kennen die Situation aus eigener Erfahrung. Zu Beginn unserer Bürokarriere, etwa bis 2008, haben wir große Wohnungsbauprojekte entworfen, bei denen wir die Leistungsphasen 1 bis 4 bearbeiteten. Maximal entwickelten wir noch Leitdetails, dann ging das an jemand anderen. Wir waren nie zufrieden mit der Ausführungsplanung, weil sie meist vom GU selbst gemacht wurde.
Bei den Projekten, bei denen wir heute die Ausführungsplanung übernehmen, gehen wir das mit einem entwerferischen Impetus an. Wir entwerfen beim Detaillieren, anders als ein GU, der ein Detail als ein zu lösendes Problem betrachtet – und das möglichst kostengünstig hinbekommen möchte. Das muss uns natürlich auch gelingen. Aber unserer Art zu detaillieren liegt ein Verständnis des Entwurfs zugrunde.
Weshalb ist es bei Bauherren großer Projekte, meist sind das Projektentwickler, überhaupt so beliebt, den Entwerfer nicht auch die Ausführungsplanung machen zu lassen?
Anna Hopp Da gibt es verschiedene Gründe. Bei einem Bauvorhaben zum Beispiel, das wir bearbeitet haben, gab es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Entwurfsarchitekten. Da war es für den Auftraggeber angenehmer, die Ausführungsplanung aus einem einzigen Stift kommen zu lassen, um effizienter bauen zu können.
Carsten Wiewiorra Der Auftraggeber hätte sich sonst für einen der Entwurfsarchitekten entscheiden müssen, so hat er sich für keinen entschieden, sondern für uns. Auch, das muss man klar sagen, weil der Auftraggeber uns aus vorherigen Bauvorhaben bereits kannte.
Anna Hopp Gerade bei großen Bauvorhaben ist es für Auftraggeber interessant, in der Ausführungsplanung mit Architekten zusammenzuarbeiten, die sie gut kennen. Wir haben eine ganze Zeit lang viel für einen bestimmten Bauherrn gearbeitet – der weiß inzwischen genau, auf was er sich mit uns einlässt.
Für den Bauherrn ist die Schnittstelle zwischen Entwurfs- und Ausführungsplanung auch deshalb interessant, weil dadurch so etwas wie ein Vier-Augen-Prinzip entsteht. Dass andere Architekten nach dem Entwurf noch einmal drüberschauen: Sind denn eigentlich alle Bestimmungen eingehalten?
Carsten Wiewiorra Die Bauaufsicht macht das ja nicht mehr, seit die Verfahren vereinfacht
wurden. Interessanterweise entsteht durch die Trennung von Entwurfs- und Ausführungsplanung wieder einer Art Prüfinstanz.
wurden. Interessanterweise entsteht durch die Trennung von Entwurfs- und Ausführungsplanung wieder einer Art Prüfinstanz.
Das scheint mir ein besonders heikler Teil der Sache zu sein. Da kommen Sie an, überprüfen den Entwurf eines Kollegen und sagen: Das und das funktioniert so nicht. Und vermutlich, ohne dass der Entwerfer mit im Boot sitzt?
Anna Hopp Der Entwurfsarchitekt ist dabei nicht außen vor. Wenn genug Zeit ist für die Entwurfsplanungsprüfung, kann natürlich der Entwurfsplaner mit herangezogen werden und selbst noch ändern. Dann kann das als ein Nachtrag zur Baugenehmigung gemacht werden. Je früher das geschieht, desto besser. Es sollte also zu diesem Zeitpunkt zum Beispiel noch keine Wohnung eines Projekts verkauft sein. Danach wird es wesentlich schwieriger, noch etwas zu ändern.
Rechnet der Bauherr nicht vor allem auch damit, dass eventuelle, sagen wir mal: Eitelkeiten des Entwurfsarchitekten nicht mehr so eine Rolle spielen, wenn ein anderer die Ausführungsplanung macht?
Carsten Wiewiorra Naturgemäß geht jemand, der den Entwurf nicht selbst verfasst hat, mit mehr Abstand an die Sache heran – egal wie sehr er sich in den Entwurf hineindenkt.
Und der Bauherr wird seine speziellen Budgetvorstellungen bei einem anderen Architekten wahrscheinlich auch leichter durchsetzen können.
Anna Hopp Es geht natürlich auch darum ein Budget zu erfüllen. Das gelingt einem leichter, wenn man aus vorherigen gemeinsamen Projekten mit dem Bauherrn die Schwerpunkte bereits kennt.
Noch einmal ein Stück zurück: Ein Büro hat einen Wettbewerb für ein Wohnungsbauprojekt gewonnen, macht die weitere Entwurfsplanung. Dann beauftragt der Projektentwickler Sie mit der Ausführungsplanung. Wie beugen Sie der Gefahr vor, dass – um ein aktuelles Projekt in der Berliner Europacity als Beispiel zu nehmen – am Ende nicht ein Haus von Ihnen entsteht, mit einem Fassadenbild, das zufällig Max Dudler im Wettbewerb gezeichnet hat?
Anna Hopp Wenn wir einen Dudler-Entwurf übernehmen, dann kommt nachher auch ein Dudler-Haus raus – kein Haus, dem eine Gestaltung von uns zugrunde liegt. Wir prüfen einen solchen Entwurf, schauen uns seine Prinzipien genau an und führen den Entwurf weiter, sodass er schließlich ausführbar ist.
Carsten Wiewiorra Wir nehmen nur Projekte an, bei denen die Entwurfsrichtung so anspruchsvoll ist, dass sie uns interessiert – und auch liegt. Ganz klar: Wenn wir mit einer Architektursprache überhaupt nichts anfangen könnten, dann würden wir auf keinen Fall die Ausführungsplanung dafür machen!
Plant denn der Entwurfsarchitekt üblicherweise noch Leitdetails, auf die Sie sich stützen können?
Anna Hopp Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Aber häufig kommt es vor, dass Leitdetails vom Entwurfsarchitekten kommen. Um noch einmal bei der Berliner Europacity zu bleiben: Dort wird die Gestaltung ja mit der Senatsbaudirektorin abgestimmt. Dann kommen ohnehin alle Beteiligten zusammen.
Generell kann man nicht für jede kleinste Veränderung mit dem Entwurfsarchitekten Rücksprache halten. Das kann der Bauherr nicht bezahlen, weil man sich dann vielfach im Kreis dreht und alles zu lang dauert. Aber bei größeren Änderungen macht man das. Gerade hatten wir bei einem Projekt den Fall, dass wir am Ende der Ausführungsplanung noch einmal wegen einer größeren Änderung, die sich aus einer veränderten Gesetzeslage ergab, mit den Entwerfern zusammengekommen sind.
Carsten Wiewiorra Beim Projekt „Mosaik Eilenriede“ in Hannover, das ist ein Ensemble aus 18 Mehrfamilienhäusern, entworfen vom Züricher Büro Marazzi + Paul, hat der Bauherr für einzelne Häusergruppen noch einmal Fassadenwettbewerbe durchgeführt. Der Ziegelstein, den wir schließlich für alle Häuser verwendet haben, wurde mit allen Architekten zusammen bemustert – in der ganz großen Runde, die sich auf diesen einen Stein einigen konnte.
Wir haben zu Beginn über die möglichen Befindlichkeiten der Entwurfsarchitekten bei dieser Konstellation gesprochen. Mal andersherum: Was würden Sie sich gelegentlich wünschen, damit Sie Ihre Arbeit noch besser machen können?
Anna Hopp Die Schnittstelle zwischen Entwurfs- und Ausführungsplanung ist eigentlich im Leistungsbild klar definiert. Trotzdem sind manche Dinge, die abgeschlossen sein sollten, nicht abgeschlossen und gehen dann mit hinüber in die Ausführungsplanung. Da gibt es viele Dinge, Materialkonzept oder dergleichen, die an keiner Stelle zusammenfassend festgehalten sind. Wir müssen dann ziemlich detektivisch arbeiten und schauen: Wo könnte noch etwas versteckt sein, das zu beachten ist. Und viel Zeit ist dafür eigentlich nicht, weil die Baustelle bald losgehen soll.
Wie viel Zeit haben Sie in der Regel?
Anna Hopp In letzter Zeit war es oft so, dass drei Monate, nachdem wir mit der Ausführungsplanung beauftragt wurden, die Gründung gegossen wurde. Bei einem Projekt von verschiedenen Entwurfsarchitekten mit gut 400 Wohnungen ist das schon knapp.
Drei Monate?
Anna Hopp Ja. Und vier bis sechs Wochen davon sind eigentlich für die Prüfung notwendig, eigentlich sollten es besser zwei Monate sein. Natürlich ist bei der Gründung noch nicht so viel zu zeichnen. Aber wenn die Grundplatte erst einmal gegossen ist, kann man nicht mehr auf Feinheiten reagieren. Wenn zum Beispiel eine Achse um einen Zentimeter verschoben ist, muss dieser Zentimeter bis zum Ende beibehalten werden und stört uns die ganze Zeit über. Wir würden uns wünschen, gelegentlich einen Schritt zurückgehen zu können, um Dinge, die in der Entwurfsplanung fast gleich sind, tatsächlich gleich zu machen. Fast gleiche Dinge erzeugen Planungsaufwand und Kosten.
Ist das etwas, wovon Sie den Bauherrn inzwischen überzeugen können? Im Sinne von:
„Geben Sie uns vier Wochen mehr, das zahlt sich nachher auch für Sie aus.“
„Geben Sie uns vier Wochen mehr, das zahlt sich nachher auch für Sie aus.“
Anna Hopp Schwieriges Thema.
Sie arbeiten schon fast zehn Jahre in dieser Konstellation, bei der Sie sich, wie ich meinte herauszuhören, immer in einer etwas undankbaren Position befinden. Haben Sie vor, das weiter zu machen, sich vielleicht sogar noch stärker als Ausführungsplaner zu spezialisieren?
Carsten Wiewiorra Wir haben eine Menge Erfahrungen gesammelt und sehen uns verstärkt nach Projekten um, bei denen wir alles, also die Leistungsphasen 1 bis 5, anbieten.
Anna Hopp Damit das Herzblut, das in die Ausführungsplanung einfließen muss, wenn sie gut werden soll, in Zukunft wieder verstärkt unseren eigenen Entwürfen zugutekommt.
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