Das 4/5-Geschenk
Über den Neubau der Kunsthalle Mannheim ist fast entschieden
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Das 4/5-Geschenk
Über den Neubau der Kunsthalle Mannheim ist fast entschieden
Text: Baus, Ursula, Stuttgart
Ausgerechnet Mannheim leistet sich in allgemeinen Sparzeiten einen Neubau seiner Kunsthalle. Rund 68 Millionen Euro soll er kosten. Dazu muss man wissen, dass ein Spenderehepaar 50 Millionen Euro beisteuert. Welcher Gemeinderat könnte sich dem Charme des Projekts da noch verschließen?
Die Mannheimer Kunsthalle steht zentral am Friedrichsplatz, der – leicht abgesenkt – von einer im Halbrund geführten Straße mit Arkaden umschlossen ist. Mittendrin, wie ein Wahrzeichen, ein Wasserturm. Fast alles ist im ortstypischen roten Sandstein gebaut und darf als stadträumlich reizvolle Komposition gelten. Eingeschränkt wird das Platzvergnügen allerdings durch viel zu viel Autoverkehr. Die Kunsthalle, auf der Südseite gelegen, verfügt bislang über zwei Gebäudetrakte: einen Altbau von Hermann Billing aus dem Jahr 1907, der gerade renoviert wird, und einen vorgelagerten „Neubau“ des Mannheimer Büros Lange Mitzlaff Böhm Müller von 1983, der abgerissen werden soll. Die Sammlung zeigt hochwertige Skulpturen, Malerei der Moderne und – besonders prominent – die letzte von vier Fassungen von Édouard Manets „Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko“ aus den Jahren 1868/69.
Keine Entscheidung – schlechte Entscheidung?
Am Bewerbungsverfahren zum Wettbewerb durften Büros mit Erfahrung im Museumsbau teilnehmen; 29 gingen schließlich ins Rennen, darunter das Who’s-Who des internationalen Architekten-Jetsets. Für die Sammlung und die – in Mannheim wertgeschätzte – Kunstvermittlung sollten adäquate Räume geschaffen sowie die exquisite Lage am Friedrichsplatz berücksichtigt werden. Einen zeichenhaften Museumsbau in Bilbao-Manier wollte man nicht, schloss ihn aber auch nicht aus. Die Jury unter Vorsitz von Jörg Friedrich, Hamburg, erkor „einstimmig“ drei erste Preisträger, gmp, Volker Staab und Peter Pütz, und schickte sie in die Überarbeitungsrunde. Keine Entscheidung, das weiß man ja, ist meist eine schlechte Entscheidung.
Die Mannheimer Kunsthalle stellt bis zum 14. Oktober alle Pläne aus, veröffentlicht möchte sie keine sehen – das Nachsehen haben jene Leser, die nicht einfach nach Mannheim reisen können. Auch fehlte das Juryprotokoll bis zum Redaktionsschluss – fraglich, ob es überhaupt an die Öffentlichkeit gegeben wird. Das ist unbegreiflich, weil Pläne und Protokoll die präziseste Auskunft über Entwürfe und Juryentscheidungen geben. Und sie sind essentiell wichtig, damit sich der Leser sein eigenes Urteil bilden kann.
Die Wirtschaftslage darf nochmals erwähnt werden, um die Relevanz dieses Wettbewerbs zu vergegenwärtigen. Vorhaben für prominente Kulturbauten werden immer öfter abgesagt, und aus dieser Misere sollten sich vielleicht Konsequenzen für eine neue Museumstypologie ergeben. In Mannheim scheint allerdings das Zusammenspiel von Bescheidenheit und Einfallskraft, das sich in neuen stadträumlichen Konstellationen, ungewöhnlichen Funktionszusammenhängen, Präsentationskonzepten und vielen anderen denkbaren Themen niederschlagen könnte, nur bedingt erkannt worden zu sein. Doch nun ins Detail.
Kisten, Stadtbausteine, Solitäre
Das Erscheinungsbild der Baukörper ist durch die „Kiste“ dominiert, auch die drei gleichrangig Erstplatzierten dürfen als Spielart dieses Prinzips gelten: gmp summiert eine Vielzahl von Quadern zu einer Art Stadtmotiv und umschließt sie mit einer bronzefarbigen Metallnetzhülle zur „Kiste“. Peter Pütz – bis Anfang 2012 mit Karl Hufnagel zusammen, der jetzt einen eigenen Entwurf einreichte – lieferte einen Entwurf mit guten Funktions- und Lichtkonzepten ab, der Baukörper wirkt – obwohl gegliedert – wie eine Stein- und Glaskiste. Und Volker Staab lockert die Kiste mit einer Art Vorbau auf, der mit Brücken erschlossen ist und unter dem es vielleicht etwas zugig sein kann.
Die charmantesten „Kisten“ lieferten ausgeschiedene Teilnehmer: David Chipperfield mit zudem wohlproportionierten Innenräumen, Jabornegg & Palffy mit einer eleganten Fassade, Kister Scheithauer Gross mit reizvoller Ornamentik oder auch wps aus Schwäbisch Gmünd, letztere mit einem ortsbezogen modernisierten Arkadenkonzept im Erdgeschoss. Sie alle entschieden sich außerdem für Variationen des ortstypischen, roten Sandsteinmaterials an der Fassade.
Apropos Stadt: Viele Entwürfe wirken in der Wahl zwischen angepasstem Stadtbaustein und Aufsehen erregendem Solitär etwas unentschieden. An ein Sarg erinnert der Quader von Neutelings Riedijk; wie verzogene Jalousien kommen einem Zaha Hadids Fassaden vor. Einge verweigerten sich auch der lückenfüllenden Kiste: Rafael Moneo, Nieto Sobejano und Kühn Malvezzi mit asymmetrischen Kompositionen, die kleine Vorplätze frei lassen; Karl Hufnagel mit einem symmetrisch erschlossenen Hof. Dass sich manche Architekten mit dem Ort schwer tun, mag Gründe haben. Schneider+Schumacher variierten ihre Oberlichter aus dem Frankfurter Städel, SANAA lieferten eine Überall-und-nirgends-Architektur ab, Paul Böhms Entwurf könnte auch eine Firmenzentrale in Oberursel sein, Ortner + Ortner überkuppelten ihren Museumsbaukörper wie eine Moschee.
Mit einem couragiert ausgezeichneten ersten Preisträger wäre ein Vertrauensvorschuss in die Architekten zu riskieren gewesen. Der eine oder andere hätte ihn verdient.
Kommentar der Redaktion | Glückliches Mannheim! Hans-Werner Hector, einer der Gründer des Softwareunternehmens SAP, und seine Gattin spendeten 50 Millionen Euro für den Neubau der Kunsthalle. Hector und die Stadt Mannheim haben gemeinsam die private Stiftung Kunsthalle Mannheim gegründet. Die fungiert als Ausloberin des Wettbewerbs und als Bauherrin – und wird der Stadt Mannheim den fertiggestellten Neubau dann „schenken“. Nun hat die Wettbewerbsjury drei gleichrangige erste Preise vergeben. Warum drei gleichrangige Preise? Warum gerade für diese Arbeiten? Wir erfahren es nicht – denn das Juryprotokoll wird nicht veröffentlicht; vielleicht später „in Auszügen“, teilt man uns bei der Pressestelle der Kunsthalle mit; ein verlässliches Datum möchte man nicht nennen. Grundrisse, Schnitte? Die sind zwar in der Ausstellung der Wettbewerbsentwürfe in der Kunsthalle für jedermann einsehbar, werden aber nicht zur Veröffentlichung in der Presse freigegeben, „um die notwendige Vertraulichkeit der Verhandlungsverfahren zu gewährleisten“, die die Stiftung bis Ende des Jahres mit den drei Preisträgern führen will. Soll die fundierte Diskussion in der (Fach-)Öffentlichkeit über den besten Entwurf gezielt unterbunden werden? Wenn sich hier ein Unternehmen am Stadtrand ein Privatmuseum hinstellen wollte, wäre die Sache bloß ein Achselzucken wert. Die Kunsthalle aber wird im Herzen Mannheims neu gebaut und keineswegs rein privat finanziert. 68,3 Millionen Euro soll sie schätzungsweise kosten. Mindestens 18,3 Millionen Euro also wird die Öffentlichkeit bezahlen. Und die hat ein Recht auf ein von Anfang bis Ende transparentes Verfahren.
ein 1. Preis gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner, Hamburg
ein 1. Preis Peter Pütz Architekten, Berlin
ein 1. Preis Staab Architekten, Berlin
Anerkennungen Annette Gigon/Mike Guyer Architekten, Zürich; Karl Hufnagel Architekten, Berlin; Ortner& Ortner Baukunst, Berlin; Rafael Moneo Arquitecto, Madrid; Schneider+Schumacher, Frankfurt/M., Wien
Keine Entscheidung – schlechte Entscheidung?
Am Bewerbungsverfahren zum Wettbewerb durften Büros mit Erfahrung im Museumsbau teilnehmen; 29 gingen schließlich ins Rennen, darunter das Who’s-Who des internationalen Architekten-Jetsets. Für die Sammlung und die – in Mannheim wertgeschätzte – Kunstvermittlung sollten adäquate Räume geschaffen sowie die exquisite Lage am Friedrichsplatz berücksichtigt werden. Einen zeichenhaften Museumsbau in Bilbao-Manier wollte man nicht, schloss ihn aber auch nicht aus. Die Jury unter Vorsitz von Jörg Friedrich, Hamburg, erkor „einstimmig“ drei erste Preisträger, gmp, Volker Staab und Peter Pütz, und schickte sie in die Überarbeitungsrunde. Keine Entscheidung, das weiß man ja, ist meist eine schlechte Entscheidung.
Die Mannheimer Kunsthalle stellt bis zum 14. Oktober alle Pläne aus, veröffentlicht möchte sie keine sehen – das Nachsehen haben jene Leser, die nicht einfach nach Mannheim reisen können. Auch fehlte das Juryprotokoll bis zum Redaktionsschluss – fraglich, ob es überhaupt an die Öffentlichkeit gegeben wird. Das ist unbegreiflich, weil Pläne und Protokoll die präziseste Auskunft über Entwürfe und Juryentscheidungen geben. Und sie sind essentiell wichtig, damit sich der Leser sein eigenes Urteil bilden kann.
Die Wirtschaftslage darf nochmals erwähnt werden, um die Relevanz dieses Wettbewerbs zu vergegenwärtigen. Vorhaben für prominente Kulturbauten werden immer öfter abgesagt, und aus dieser Misere sollten sich vielleicht Konsequenzen für eine neue Museumstypologie ergeben. In Mannheim scheint allerdings das Zusammenspiel von Bescheidenheit und Einfallskraft, das sich in neuen stadträumlichen Konstellationen, ungewöhnlichen Funktionszusammenhängen, Präsentationskonzepten und vielen anderen denkbaren Themen niederschlagen könnte, nur bedingt erkannt worden zu sein. Doch nun ins Detail.
Kisten, Stadtbausteine, Solitäre
Das Erscheinungsbild der Baukörper ist durch die „Kiste“ dominiert, auch die drei gleichrangig Erstplatzierten dürfen als Spielart dieses Prinzips gelten: gmp summiert eine Vielzahl von Quadern zu einer Art Stadtmotiv und umschließt sie mit einer bronzefarbigen Metallnetzhülle zur „Kiste“. Peter Pütz – bis Anfang 2012 mit Karl Hufnagel zusammen, der jetzt einen eigenen Entwurf einreichte – lieferte einen Entwurf mit guten Funktions- und Lichtkonzepten ab, der Baukörper wirkt – obwohl gegliedert – wie eine Stein- und Glaskiste. Und Volker Staab lockert die Kiste mit einer Art Vorbau auf, der mit Brücken erschlossen ist und unter dem es vielleicht etwas zugig sein kann.
Die charmantesten „Kisten“ lieferten ausgeschiedene Teilnehmer: David Chipperfield mit zudem wohlproportionierten Innenräumen, Jabornegg & Palffy mit einer eleganten Fassade, Kister Scheithauer Gross mit reizvoller Ornamentik oder auch wps aus Schwäbisch Gmünd, letztere mit einem ortsbezogen modernisierten Arkadenkonzept im Erdgeschoss. Sie alle entschieden sich außerdem für Variationen des ortstypischen, roten Sandsteinmaterials an der Fassade.
Apropos Stadt: Viele Entwürfe wirken in der Wahl zwischen angepasstem Stadtbaustein und Aufsehen erregendem Solitär etwas unentschieden. An ein Sarg erinnert der Quader von Neutelings Riedijk; wie verzogene Jalousien kommen einem Zaha Hadids Fassaden vor. Einge verweigerten sich auch der lückenfüllenden Kiste: Rafael Moneo, Nieto Sobejano und Kühn Malvezzi mit asymmetrischen Kompositionen, die kleine Vorplätze frei lassen; Karl Hufnagel mit einem symmetrisch erschlossenen Hof. Dass sich manche Architekten mit dem Ort schwer tun, mag Gründe haben. Schneider+Schumacher variierten ihre Oberlichter aus dem Frankfurter Städel, SANAA lieferten eine Überall-und-nirgends-Architektur ab, Paul Böhms Entwurf könnte auch eine Firmenzentrale in Oberursel sein, Ortner + Ortner überkuppelten ihren Museumsbaukörper wie eine Moschee.
Mit einem couragiert ausgezeichneten ersten Preisträger wäre ein Vertrauensvorschuss in die Architekten zu riskieren gewesen. Der eine oder andere hätte ihn verdient.
Kommentar der Redaktion | Glückliches Mannheim! Hans-Werner Hector, einer der Gründer des Softwareunternehmens SAP, und seine Gattin spendeten 50 Millionen Euro für den Neubau der Kunsthalle. Hector und die Stadt Mannheim haben gemeinsam die private Stiftung Kunsthalle Mannheim gegründet. Die fungiert als Ausloberin des Wettbewerbs und als Bauherrin – und wird der Stadt Mannheim den fertiggestellten Neubau dann „schenken“. Nun hat die Wettbewerbsjury drei gleichrangige erste Preise vergeben. Warum drei gleichrangige Preise? Warum gerade für diese Arbeiten? Wir erfahren es nicht – denn das Juryprotokoll wird nicht veröffentlicht; vielleicht später „in Auszügen“, teilt man uns bei der Pressestelle der Kunsthalle mit; ein verlässliches Datum möchte man nicht nennen. Grundrisse, Schnitte? Die sind zwar in der Ausstellung der Wettbewerbsentwürfe in der Kunsthalle für jedermann einsehbar, werden aber nicht zur Veröffentlichung in der Presse freigegeben, „um die notwendige Vertraulichkeit der Verhandlungsverfahren zu gewährleisten“, die die Stiftung bis Ende des Jahres mit den drei Preisträgern führen will. Soll die fundierte Diskussion in der (Fach-)Öffentlichkeit über den besten Entwurf gezielt unterbunden werden? Wenn sich hier ein Unternehmen am Stadtrand ein Privatmuseum hinstellen wollte, wäre die Sache bloß ein Achselzucken wert. Die Kunsthalle aber wird im Herzen Mannheims neu gebaut und keineswegs rein privat finanziert. 68,3 Millionen Euro soll sie schätzungsweise kosten. Mindestens 18,3 Millionen Euro also wird die Öffentlichkeit bezahlen. Und die hat ein Recht auf ein von Anfang bis Ende transparentes Verfahren.
ein 1. Preis gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner, Hamburg
ein 1. Preis Peter Pütz Architekten, Berlin
ein 1. Preis Staab Architekten, Berlin
Anerkennungen Annette Gigon/Mike Guyer Architekten, Zürich; Karl Hufnagel Architekten, Berlin; Ortner& Ortner Baukunst, Berlin; Rafael Moneo Arquitecto, Madrid; Schneider+Schumacher, Frankfurt/M., Wien
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