Bauwelt

Das Tauziehen zwischen Umweltschutz und Entwicklung

Energieeffiziente Urbanisierung in Entwicklungsländern? Das Beispiel Indien

Text: Kundoo, Anupama, Auroville (Indien)

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Das Tauziehen zwischen Umweltschutz und Entwicklung

Energieeffiziente Urbanisierung in Entwicklungsländern? Das Beispiel Indien

Text: Kundoo, Anupama, Auroville (Indien)

Wo über 20 Prozent der städtischen Bevölkerung in Slums ohne Strom und Wasser leben bedeutet jede kleinste Verbesserung eine exponentielle Erhöhung des Energieverbrauchs. Ein unlösbares Dilemma?
Will man das Thema der „energieeffizienten Stadt“ im internationalen Kontext diskutieren, muss man sich die unterschiedlichen Definitionen von „Urbanisierung“ in den verschiedenen Ländern der Erde deutlich vor Augen führen – andernfalls könnte in Bezug auf die Entwicklungs- und Schwellenländer ein sehr verzerrtes Bild der Realitäten vor Ort gezeichnet werden, bei dem die drängendsten Probleme, die heute dort herrschen, möglicherweise ganz übersehen werden. Die Diskussion sollte damit beginnen, sich mit dem scharfen Kontrast zu befassen zwischen dem, was unter Urbanisierung in den Entwicklungsländern und was darunter in den entwickelten Ländern verstanden wird.
Die zweite Welle der Urbanisierung
Die Urbanisierung, die gegenwärtig in den Entwicklungsländern stattfindet, unterscheidet sich ihrem Wesen nach von jener, die sich in Europa und Nordamerika im Verlauf von zweihundert Jahren (1750–1950) vollzog. Die Erkenntnis, dass die schnelle Verstädterung der ärmeren Länder eine „zweite Welle“ der Urbanisierung darstellt, ist für das Verständnis der Komplexität der Probleme entscheidend, denen diese Städte heute ausgesetzt sind. Denn diese „zweite Welle“ hat ein ganz anderes Ausmaß als die erste: Die Geschwindigkeit der Veränderungen ist beispiellos; mit dem rasanten Anstieg der städtischen Bevölkerung gehen viel umfassendere und schnellere Wandlungsprozesse in Demografie, Wirtschaft und städtischer Struktur einher. Von der früheren Urbanisierung waren viel weniger Menschen betroffen, und die Veränderungen vollzogen sich langsamer. Beispielsweise hat es in den Entwicklungsländern in ein, zwei Jahrzehnten einen Rückgang der Sterberate gegeben, für den es in den entwickelten Ländern ein oder zwei Jahrhunderte brauchte. Als Folge davon unterscheiden sich die Probleme in den Städten dieser ärmeren
Länder deutlich von denen in Städten der ersten Verstädterungswelle. Die Infrastruktur muss viel schneller aufgebaut werden, und die Entwicklung angemessener Formen der politischen, sozialen und ökonomischen Organisation und Reorganisation, die geeignet sind, sich an die neuen Bedürfnisse anzupassen, ist eine wesentlich größere Herausforderung.
Es ist entscheidend, die Eigenart des Verstädterungsprozesses in den ärmeren Ländern auf internationaler Ebene zur Kenntnis zu nehmen, weil sich das zukünftige Bevölkerungswachstum hauptsächlich auf Städte in Entwicklungsländern konzentrieren wird und weil ein hoher Prozentsatz dieser Menschen in Armut leben wird. Die städtische Bevölkerung in den entwickelten Ländern wird Prognosen zufolge nur sukzessive von 0,9 Milliarden Menschen im Jahr 2000 auf eine Milliarde im Jahr 2030 anwachsen, während sich die Bevölkerung in verstädterten Gebieten weniger entwickelter Länder in der gleichen Zeitspanne von 1,9 Milliarden Menschen auf 3,9 Milliarden mehr als verdoppeln wird. Noch vor 60 Jahren, genauer im Jahr 1950, war New York die einzige Stadt mit einer Bevölkerung von mehr als 10 Millionen Einwohnern. Im Jahr 2015 wird es voraussichtlich 23 Städte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern geben, davon 19 in Entwicklungsländern.
Aus dem Land in die Stadt: Die unbewohnbaren Städte Indiens
Indien ist ein gutes Beispiel für die angesprochenen Entwicklungen. Der Anteil Indiens an der Landfläche der Erde beträgt nur 2,4 Prozent, sein Anteil an der Weltbevölkerung hingegen 16 Prozent. Die Urbanisierungsrate ist alarmierend: Betrug der Anteil der städtischen Bevölkerung 1971 erst 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung Indiens, so stieg er bis 2001 auf 28 Prozent und soll, Prognosen zufolge, bis 2025 auf 50 Prozent anwachsen. Die hohe Einwohnerzahl auf vergleichsweise wenig Land erzeugt einen gewaltigen Druck auf die – in Indien immerhin reichlich vorhandenen – natürlichen Ressourcen. Dieser Druck wird weiter zunehmen, da Indiens Bevölkerung wegen des starken Rückgangs der Kindersterblichkeitsrate und der steigenden Lebenserwartung kontinuierlich weiter wächst. Auch wenn das Land heute noch eine landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft darstellt, so wird sich das doch sehr schnell ändern. Neben der schnellen Verstädterung ländlicher Gebiete ist dabei vor allem der Wunsch der Menschen ausschlaggebend, andere Beschäftigungsmöglichkeiten in städtischen Gebieten zu finden, auch wenn dies ein Leben in extrem schlechten städtischen Verhältnissen bedeutet. Der Trend zur Landflucht und die Geschwindigkeit, mit der die Bevölkerung in den Städten wächst, führen vor allem zu einer weiter steigenden Nachfrage nach städtischen Ressourcen und erzeugen Druck auf die städtische Infrastruktur. Der Bericht zur nationalen Bevölkerungspolitik warnte im Jahr 2000, dass der jährliche Bevölkerungszuwachs Indiens alle Anstrengungen zur Erhaltung der Ressourcen und der Umwelt zunichte machen könnte.
Der Bevölkerungsdruck betrifft die Städte in allen Regionen, und in fast allen städtischen Gebieten verschlechtert sich die Lebensqualität schnell. Die Lage im Bereich der technischen Infrastruktur – Wasserversorgung, sauberes Trinkwasser, Kanalisation, Stromversorgung, öffentliche Verkehrsmittel – ist äußerst angespannt, zudem herrscht ein großer Mangel an Wohnraum von ausreichender Qualität. Wegen des Fehlens von Erholungseinrichtungen, Parks, Gärten und weiteren sozialen Infrastrukturen geraten auch die bestehenden, früher funktionierenden Einrichtungen unter einen solchen Druck, dass die indischen Städte zunehmend unbewohnbar werden. Alle Versuche, die städtische Infrastruktur zu verbessern, werden durch zeitgleiches unkontrolliertes Wachstum untergraben, indem Siedlungen in der Regel entstehen, bevor geplante Eingriffe und Infrastrukturen realisiert werden. Gegenwärtig lebt ein großer Teil der städtischen Bevölkerung in Häusern, die nicht über eine Grundausstattung mit Toiletten und Leitungswasser verfügen.
Das Ungeplante verschlingt das Geplante
Die Vereinten Nationen definieren Siedlungen mit mehr als 20.000 Einwohnern als Städte und solche mit mehr als 100.000 Einwohnern als Großstädte, egal, ob eine Infrastruktur vorhanden ist oder nicht. Die Städte Indiens werden überwiegend einfach bevölkert, aber nicht aktiv geplant oder strategisch erschlossen. Die Stadtplanung und -gestaltung in den vorhandenen Städten ist keineswegs in einem Ausmaß gewachsen, das mit den Kräften der Urbanisierung Schritt halten könnte.
Indiens alte Städte wie Old Delhi, die Beispiele für geplante, jahrhundertelang funktionsfähige Städte waren, wurden in den letzten Jahren von der ungeordneten Expansion verschlungen. Sie platzen aus den Nähten, als würde ein städtisches Gefüge, das sorgfältig auf die gesellschaftlichen, klimatischen und geografischen Bedingungen abgestimmt war, hastig und sorglos von ungeschickter Hand überschrieben. Auch neuere geplante Städte wie Pondicherry, die eine Zeit lang die städtische Entwicklung im Zaum halten und eine gewisse Lebensqualität garantieren konnten, sind inzwischen von der generellen Verschlechterung der Umgebung überrollt. Selbst in Städten, die über eine funktionierende Infrastruktur verfügen, gibt es keinen Versuch, diese in den Erweiterungsgebieten einzuführen und Verbesserungen zu erzielen, durch die sie sich von anderen, ungeplant wachsenden städtischen Gebieten, wie sie für Indien typisch sind, unterscheiden würden.
Ebenso wenig gibt es ausreichende Anstrengungen, die Lebensbedingungen und die Beschäftigungssituation in den ländlichen Gebieten zu verbessern, um damit die Urbanisierung durch Landflucht zu verlangsamen. Auch Bemühungen, durch die Schaffung neuer Siedlungen und neuer Zentren den Druck von den bestehenden Städten zu nehmen, deren Infrastrukturen längst die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit überschritten haben, sind nicht in ausreichendem Maß zu verzeichnen. Hinzu kommt noch, dass die vorhandenen Beispiele neuer Stadterschließungen und neuer Satellitenstädte alles andere als vielversprechend oder gar nachhaltig sind. Das 32 Kilo­meter südlich von Delhi gelegene Gurgaon zum Beispiel, eines der am schnellsten wachsenden städtischen Zentren in Indien (hierhin verlegen große multinationale Konzerne ihre Firmensitze, um den verstopften Geschäftsvierteln New Delhis zu entkommen, und Familien der Oberschicht lassen sich hier nieder), hat einen Boom bei der Errichtung glänzender High-Tech-Geschäfts- und Apartmentgebäude zu verzeichnen, die eine Nachfrage an Energie und Infrastruktur erzeugen, die weit höher ist als die durchschnittliche Pro-Kopf-Nachfrage im Land. Mit konventionellen Ansätzen und nachhaltigen Entwicklungsstrategien (die heute zwingend geboten sind) kann diese unmöglich gedeckt werden. Obwohl ein großer Teil der Planung noch gar nicht realisiert ist, hat Gurgaon schon heute mit akutem Wassermangel und unzureichender Stromversorgung zu kämpfen.
Slums und die Lage der Armen
Die Behörden und Stadtverwaltungen werden der Probleme nicht Herr und sind unfähig, mutige Schritte zu einer sichtlichen Verbesserung zu gehen. Gleichzeitig macht die rasante Zunahme der städtischen Bevölkerung alle kleinen Bemühungen zunichte. So verfallen die indischen Städte in einer alarmierenden Geschwindigkeit. Wer es sich leisten kann, kehrt der Stadt den Rücken und zieht in isolierte und kontrollierbare Gated Communities. Wer sich das nicht leisten kann, muss sehen, wie er zurechtkommt. Rund 22 Prozent der städtischen Bevölkerung Indiens leben in Slums (weltweit sind es in den Entwicklungsländern 32 Prozent); nahezu alle diese Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. In der glanzvollen Metropole Mumbai leben sogar 55 Prozent der 11 Millionen Einwohner in Slums, die etwa 13 Prozent der Landfläche der Stadt einnehmen. In diesen Slums sind die grundlegenden städtischen Dienstleistungen wie Müllentsorgung, sauberes Trinkwasser, funktionierende Kanalisation, elektrischer Strom oder befestigte Straßen nicht vorhanden. Die Menschen müssen stundenlang Schlange stehen, um Wasser in Eimer zu füllen und nach Hause zu tragen. Vielfach werden Eisenbahngelände und Strände als Toiletten genutzt. Öffentliche Toiletten sind oft weit entfernt und vollkommen überbeansprucht. Eine sanitäre Infrastruktur ist praktisch nicht vorhanden.
Der Prozentsatz der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, ist zwar von 36 Prozent im Jahr 1994 auf 28 Prozent im Jahr 2005 gesunken, aber dieser Rückgang ist nicht hoch und bleibt hinter dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zurück. Außerdem gibt es regionale Unterschiede bei der Verteilung der Armut. Die Bundesstaaten mit niedrigem Einkommen hinken auch im sozialen Bereich den anderen Staaten hinterher. Unterschiede bei grundlegenden Dienstleistungen wie Kanalisation, Wasser- und Stromversorgung zeigen sich auch zwischen Stadt und Land. Dass nahezu zwei Drittel aller Inder in ländlichen Gebieten leben, verstärkt die Effekte noch und führt zu ungleichen Entwicklungstrends.
Obwohl sich in bestimmten Bereichen der Lebensstandard verbessert hat, hat Indien noch einen langen Weg vor sich. Nach dem indischen Bericht zur städtischen Armut aus dem Jahr 2009 ist die absolute Zahl der Armen, die in städtischen Gebieten leben, beträchtlich gestiegen. Für diese Menschen ausreichende Lebensgrundlagen zu schaffen, ihnen Zugang zu sanitären Einrichtungen, zur Gesundheitsversorgung, zu Wasser und elektrischem Strom, zu öffentlichen Erholungseinrichtungen und zur Müllentsorgung zu geben, das Wachstum der Slums einzudämmen und die unzureichende Ressour­cenausstattung der Gemeinden zu verbessern, sind die größten Herausforderungen, denen das Land sich stellen muss.
Von allem zu wenig: elektrischer Strom, Wasser, Verkehrsmittel. Der Energiebedarf steigt.
Indien ist heute der fünftgrößte Energieverbraucher weltweit. Angesichts der Tatsache, dass 30 Prozent der ländlichen und sechs Prozent der städtischen Bevölkerung noch nicht einmal elektrischen Strom für Beleuchtung haben, ist ein beträchtlicher Anstieg der indischen Energienachfrage zu erwarten. Abgesehen von der Bereitstellung eines Mindestmaßes an Energie für alle ist eine zuverlässige Energieversorgung für die Industrie zu gewährleisten, will man das Wirtschaftswachstum bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Lebensbedingungen sicherstellen.
Obwohl Indien weltweit der viertgrößte Verursacher von CO2-Emissionen ist, ist der Pro-Kopf-Anteil im Vergleich nicht nur zu den entwickelten Ländern, sondern auch zu anderen großen Entwicklungs- bzw. Schwellenländern wie China oder Brasilien sehr niedrig. Glücklicherweise hat das Land einen großen Reichtum an regenerativen Energieträgern wie Sonne, Wasserkraft und Wind und betreibt eines der umfangreichsten Programme zur Nutzung erneuerbaren Energien weltweit.
Neben der ausreichenden eigenständigen Versorgung mit Nahrungsmitteln ist die Wasserversorgung eines der größten Probleme in Indien. Das schwindende Grundwasser stellt eine große Bedrohung für die Nahrungsmittelversorgung dar, weil 80 Prozent der gegenwärtigen Grundwasserentnahme – und mehr als 30 Prozent des Energieverbrauchs – landwirtschaft­lichen Zwecken geschuldet sind. Angesichts der wachsenden Nachfrage der Industrie und des privaten Sektors werden die Wasserreserven knapp. Ein weiteres Thema ist die Wasserqualität: Der gesamten Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, bleibt eine große Herausforderung. Ein häufiges Problem ist die Verschmutzung offener Gewässer durch ungeklärte oder nur teilweise aufbereitete Abwässer. Einleitungen aus Landwirtschaft, Industrie und Privathaushalten verschmutzen nach wie vor die indischen Küstengewässer. Eine wichtige Aufgabe ist die gerechte Verteilung der Ressourcen in einem Land, in dem es gewaltige Unterschiede in der Verfügbarkeit gibt. In Ahmedabad beispielsweise konsumieren 25 Prozent der Bevölkerung 90 Prozent des Wassers, während sich die übrigen 75 Prozent mit gerade einmal zehn Prozent begnügen müssen.
Gegenwärtig sind nur drei Prozent des indischen Energieverbrauchs auf den Verkehr zurückzuführen – in Deutschland sind es rund 30 Prozent. Das liegt an der im weltweiten Vergleich sehr geringen Anzahl an privaten Autos. Mit 12 Autos pro 1000 Einwohner rangiert Indien auf dem 114. Platz der Welt; Spitzenreiter sind die USA mit 842 Autos pro 1000 Einwohner, und Deutschland nimmt mit 558 Autos den 10. Platz ein. Der Fahrradanteil liegt in Indien vergleichsweise viel höher als der von Autos und motorisierten Zweirädern, er vari­iert zwischen 7 und 15 Prozent in großstädtischen und zwischen 13 und 21 Prozent in klein- und mittelstädtischen Gebieten. Die niedrigen Kosten und die leichte Einsetzbarkeit machen das Fahrrad zu einem begehrten Transportmittel für Schüler, Studenten und Arbeiter mit kleinem Einkommen. Dabei liegt auf der Hand, dass Fahrradfahren in Indien hauptsächlich zweckorientiert ist, d.h., dass das Rad mangels alter­nativer Verkehrsmittel genutzt wird. Der Anteil der Autonutzer hingegen liegt in den indischen Großstädten lediglich zwischen drei und 13 Prozent. Der dramatische Anstieg der Pkw-Zahl ist zum einen ein Indikator für veränderte Lebensstile, gleichzeitig aber auch für einen unzureichenden öffentlichen Nahverkehr, der mit der massiven Urbanisierung nicht Schritt halten kann. Die Folgen sind gesteigerter Treibstoffverbrauch, steigende Luftverschmutzung und Verkehrsstaus.
Mit weniger mehr erreichen
Im Streben nach Wachstum und Entwicklung hat Indien in den letzten Jahren eine weitreichende Schädigung der Umwelt in Kauf genommen. Da ein großer Teil der Bevölkerung noch nicht ausreichend mit den elementaren Lebensgrundlagen versorgt ist, wird wirtschaftliches Wachstum das Hauptziel bleiben. Gleichzeitig ist eine Abkehr von vielen Entwicklungstrends der Vergangenheit gefordert. Doch auch wenn bei der Entwicklung ein Nachhaltigkeitsmanagement eingeführt würde, ließe sich höchstwahrscheinlich ein beträchtlicher Anstieg des Verbrauchs von Energie und weiteren Ressourcen nicht vermeiden, wenn den Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung und dem Ziel, den unterprivilegierten Teilen der Gesellschaft einen angemessenen Lebensstandard zu verschaffen, Rechnung getragen werden soll.
Der Erfolg einer nachhaltigen Entwicklung der Städte hängt hauptsächlich von guter Verwaltung und einer alle berücksichtigenden Entwicklung mit adäquaten Finanzierungsmechanismen ab. Zwar gibt es in Indien eine Unmenge an Vorschriften und Bestimmungen, aber die Umsetzung bleibt aufgrund fehlender Mechanismen zur Durchsetzung, unzureichender technischer und personeller Ausstattung sowie unzureichender Finanzierung weit hinter den theoretischen Ansprüchen zurück. Um dieses Problem in den Städten anzugehen, hat die indische Regierung die „National Mission on Sustainable Habitat“ als eine von acht Aufgaben im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zum Klimawandel (NAPCC) verabschiedet. Sie soll die Energieeffizienz als einen integralen Bestandteil der Stadtplanung festschreiben und die Stadterneuerung durch die Anwendung der Vorschrift zum energiesparenden Bauen (Energy Conservation Building Code; ECBC), durch städtische Abfallentsorgungssysteme und ein öffentliches Transportwesen fördern. Um den Plan zur Erzielung einer nachhaltigen Lebenswelt umzusetzen, ist eine dementsprechende Entwicklung der städtischen Gebiete auch in Indien das Gebot der Stunde.
Die Urbanisierung ist in Indien die entscheidende Frage für die Entwicklung des gesamten Landes, die die Zukunft bestimmen und alle sonstigen Entwicklungsbereiche beeinflussen wird. Sie muss deshalb landesweit strategisch geplant werden und darf nicht länger den Städten überlassen bleiben – eine Gesamtperspektive ist erforderlich. Eine Entwicklung nach Nachhaltigkeitskriterien ist für Indien keine Wahlentscheidung, sondern alternativlos. Der indische Architekt und Stadtplaner Bimal Patel erklärt: „Als Europa den gleichen Prozess durchlief, dachte noch niemand an schwindende Ressourcen, und politische und religiöse Gruppen halfen dabei, die Verteilung in gerechte Bahnen zu lenken. Im 21. Jahrhundert muss Indien die Technologie nutzen, um mehr mit weniger zu erreichen, und gleichzeitig seine Bürger davon überzeugen, dass ihr erstrebter Wohlstand selbstzerstörerisch ist. Indien befindet sich in der Lage eines Hungrigen, der sich gerade zu Tisch setzt und entdecken muss, dass die Party vorbei ist.“

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