Bauwelt

Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel

Aufgesattelt

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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1.Preis: Chaix & Morel und JSWD Architekten
EY Eddie Young/AACMA

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Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel

Aufgesattelt

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Beim Wettbewerb für das Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel hat die EU wieder einmal eine riesige Chance vertan, ihre Identität zu stärken.
Ist die Europäische Union bereits Geschichte? Nein, trotz der Euro-Krise, die scheinbar die Fundamente bedroht, hat das vereinte Europa eine große Zukunft: Frieden, Völkerverständigung und vereinfachter Austausch in vielen Belangen des miteinander Lebens sind zur Normalität geworden. Trotz aller wirtschaftlicher Probleme kann man von einer Erfolgsgeschichte sprechen, auch wenn der Apparat der europäischen Verwaltung im Laufe der Jahrzehnte sehr aufgebläht und von außen betrachtet schwer durchschaubar ist. So dauerte es zum Beispiel ein ganzes Jahr, bis alle zuständigen Gremien einschließlich des EU-Parlaments ihre Zustimmung dafür gaben, das Ergebnis des internationalen Wettbewerbs „Haus der Europä­ischen Geschichte“ zu veröffentlichen und die Entwürfe in einer Ausstellung zu zeigen. Bis 12. Mai war sie in Brüssel zu sehen.  
Die Idee für ein solches Museum, das seine inhaltlichen Schwerpunkte auf die Integration seit den Römischen Verträgen von 1957 und auf „thematische Nahaufnahmen von Prozessen und Ereignissen früherer Jahrhunderte“ setzt, kam im Jahr 2007 von Hans-Gert Pöttering, der zu dieser Zeit Präsident des EU-Parlaments war. Er war auch Vorsitzender der Jury, in der, neben sieben Politikern und Vertretern von Organisationen, Eva Jiřičná aus London als einzige, freie Architektin saß.
Ein offenes internationales Wettbewerbsverfahren mit illustrer Jury wäre bei diesem Projekt von großer europäischer Bedeutung ein Signal gewesen, doch die EU mit ihren verkrusteten Strukturen tut sich weiterhin sichtlich schwer mit einer breiten Diskussion über die Architektur ihrer Bauten. Stattdessen wählte sie ein zweistufiges Verfahren. Nur 26 Teams bewarben sich um eine Teilnahme, 12 von ihnen wurden eingeladen und legten einen ersten Entwurf vor. Im November 2010 wählte die Jury zwei Finalisten aus. Nach deren Ausarbeitung und einer Kostenprüfung entschied sie sich am 3. März 2011 für den Vorschlag des Teams Chaix & Morel, Paris, und JSWD Architekten, Frankfurt/Main, mit der Fassadenberatung von Werner Sobek.
Aufgabe war es, das Museum in einem Gebäude unterzubringen, das in den dreißiger Jahren nach Plänen des Architekten Michel Polak (1885–1948) entstand. Mit breiter Freitreppe zum Park Leopold wurde es als Klinik der Zahnheilkunde vom amerikanischen Industriellen Georges Eastman gebaut. Es steht seit Jahren leer. Nebenan ragt das ellyptische Gebäude des EU-Par­laments mit dem gläsernen Tonnendach empor – ein architektonisch wie städtebaulich äußerst problematischer Kontext. Das Raumprogramm (4000 m² Dauerausstellung, 800 m² Wechselausstellung und ein Veranstaltungssaal mit 100 Plätzen) ist doppelt so groß wie die vorhandene Fläche des Gebäudes. Dies führte dazu, dass alle Wettbewerbsteilnehmer – wie vorgegeben – eine komplette Bebauung des dreiseitig geschlossenen Hofs und eine bis zu dreigeschossige Aufstockung vornahmen.
Chaix & Morel und JSWD Architekten reduzieren die Wucht der Masse, indem sie mit einzelnen Kuben operieren, die in verschiedenen Höhen angeordnet sind. Von außen wirken sie wie eine große zweischichtige Vitrine. Bei Dunkelheit sollen der Aufbau und die neue Hofseite als ein markantes Zeichen an der Rue Belliard erstrahlen. Die Preisträger sind zuversichtlich, dass es mit der Planung vorangeht obwohl die EU keinen Fertigstellungstermin festgelegt hat. Für die Gemeinschaft könnte dieses Museums­projekt als politisches Signal fungieren, das in Zeiten der Krise hoch einzuschätzen wäre. Doch sie nutzt es nicht. Alles geschieht eher im Verborgenen. 


vollständiges Ergebnis:

Einladungswettbewerb in 3 Stufen
Preisträger Chaix & Morel, Paris; JSWD Architekten, Frankfurt/Main; Mostra, Paris
2. Rang Jaboregg & Pálffy, Wien; ARCH+I, Brüssel; Advisers, Brüssel
Fakten
Architekten Chaix & Morel, Paris; JSWD Architekten, Frankfurt/Main; Jaboregg & Pálffy, Wien; ARCH+I, Brüssel; Advisers, Brüssel; Sauerbruch Hutton, Berlin
aus Bauwelt 24.2012
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