Sofie Thorsen: The Achromatic Island
Position Nr. 04
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Sofie Thorsen: The Achromatic Island
Position Nr. 04
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Ich sehe nicht Schwarz-Weiß, sagt einer der interviewten Farbenblinden. Die Flora im Vordergrund der Landschaft beschreibt er als „irgendwie Gelb“.
Achromatopsie – dieser genetische Defekt, der das Auge zwingt, im konstanten Nachtmodus zu arbeiten, beruht auf dem Umstand, dass nur eine Art der Fotorezeptoren in der Netzhaut des Auges vorhanden ist: die sehr lichtempfind-lichen Stäbchen. Es fehlen die weniger lichtempfindlichen Zapfen, die zwischen Wellenlängen- und Intensitätsunterschieden differenzieren können und somit die Farbwahrnehmung und das Sehen bei Tage sicherstellen. Die Achromatopsie bedingt über die Farbenblindheit hinaus eine schlechte Sehschärfe, Fixationsprobleme und eine Überempfindlichkeit gegen helles Licht.
Was und wie sehen Menschen unter dieser vollkommenen Abwesenheit von Farbe? Und welche (kulturtechnischen) Kompensationen greifen, um dennoch Farben empfinden, über Farben kommunizieren zu können? Die dänische Künstlerin Sofie Thorsen hat sich an einer Annäherung versucht; natürlich sind das künstlerische Äquivalente oder allenfalls Hypothesen, da die Wahrnehmung unter Achromatopsie schlechterdings nicht objektivierbar ist. Ihr Material fand Thorsen auf der dänischen Insel Fur, deren isolierte 1000-Seelen-Population bis in die 1930er Jahre von einer über Generationen vererbten Farbenblindheit betroffen war. Dort traf sie 2009 den letzten mit der Krankheit geborenen Bewohner. Nach Interviews mit weiteren Betroffenen entstand der Schwarz-Weiß-Film „Achromatic Island“: Bildfolgen von der Insel in beirrender Diffusität und fehlender Tiefenschärfe, dank der analogen Aufnahmetechnik in High-Definition-Qualität aber auch ein Spektrum von intensiven, geradezu leuchtenden Grauschattierungen, die unsere an farbigen Digitalbildern trainierte Rezeption um eine unbekannte Erfahrung erweitern.
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