Bauwelt

Mehr als Wohnen

Mit dem „Berlin Award 2016 – Heimat in der Fremde“ wurden Unterkünfte und Wohnprojekte für Geflüchtete ausgezeichnet. Die Jury hat auch Arbeiten prämiert, die über das Wohnen hinausweisen

Text: Doris Kleilein

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    Preis Haus der Statistik
    Abb.: raumlabor berlin

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    650–1000 Bewohner könnten im ehemaligen Haus der Statistik (1968-70) am Ber­liner Alexanderplatz untergebracht werden und dort auf soziale Initiativen und Kulturschaffende treffen.
    Abb.: raumlabor berlin

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    650–1000 Bewohner könnten im ehemaligen Haus der Statistik (1968-70) am Ber­liner Alexanderplatz untergebracht werden und dort auf soziale Initiativen und Kulturschaffende treffen.

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    Preis Hof.Haus
    Sportliches Wohnen: Kein Treppenhaus, sondern ein Gemeinschaftsraum mit Leitern zu kleinen Zimmern im Obergeschoss
    Abb.: 4mal4 design

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    Sportliches Wohnen: Kein Treppenhaus, sondern ein Gemeinschaftsraum mit Leitern zu kleinen Zimmern im Obergeschoss

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Mehr als Wohnen

Mit dem „Berlin Award 2016 – Heimat in der Fremde“ wurden Unterkünfte und Wohnprojekte für Geflüchtete ausgezeichnet. Die Jury hat auch Arbeiten prämiert, die über das Wohnen hinausweisen

Text: Doris Kleilein

Wer auf der Architekturbiennale in Venedig war, kennt die 150 eingereichten Arbeiten bereits – sie liegen als A3-Ausdrucke im Deutschen Pavillon zum Durchblättern bereit und ergänzen die Sammlung von Flüchtlingsunterkünften auf www.makingheimat.de. Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat in diesem Jahr den seit 2010 ausgelobten „Urban Intervention Award“ kurzentschlossen zum „Berlin Award 2016 –= Heimat in der Fremde“ umgewidmet und dazu aufgerufen, „innovative, realisierte und geplante Gebäude“ für Geflüchtete einzureichen. Ein wichtiger, leider undotierter Preis, denn auch wenn Deutschland derzeit aufgrund der versperrten Balkan-Route deutlich weniger Geflüchtete aufnimmt, bleibt die Situation prekär: Alleine in Berlin sind 2015 etwa 80.000 Geflüchtete angekommen, viele von ihnen leben nach wie vor in Notunterkünften.
Die Einreichungen kamen aus 13 Ländern, prämiert wurden allerdings ausschließlich Projekte aus Deutschland und Österreich. Mit der Auszeichnung der „Initiative Haus der Statistik“ in Berlin hat die Jury ein politisches Zeichen gesetzt. Das Projekt wurde von Berliner Kulturschaffenden ins Leben gerufen und ist derzeit in Verhandlung mit dem Finanzsenator: Das Land Berlin, so die Forderung, soll alle weiteren Planungen für den Plattenbaukomplex am Alexan­derplatz stoppen, die leerstehende Liegenschaft von der BIMA kaufen und die insgesamt 40.000 Quadratmeter Nutzfläche für ein „Zentrum für Geflüchtete, Kunst und Soziales“ zur Verfügung stellen. Raumlabor Berlin haben ein Standortentwicklungskonzept vorgelegt, das neben „integrativem Flüchtlingswohnen“ auch Arbeitsräume für Kunst und Kultur, Bildungs- und Integrationsangebote für Geflüchtete und Veranstaltungsräume vorsieht. Ein Zentrum dieser Art in derart exponierter Lage könnte das schlechte Image der Stadt Berlin im Umgang mit den Geflüchteten auf­polieren und zum Modellprojekt auch für andere Städte werden.
Neben dieser symbolträchtigen Initiative hat die Jury eine weitere Arbeit prämiert, die auf Nutzungsmix setzt: das über die Grenzen Wiens hinaus bekannte „Magdas Hotel“ von AllesWirdGut, in dem Geflüchtete ein Social Business betreiben. Es sind genau diese Mischkonzepte aus Wohnen und Arbeit, die für das Zusammenleben wichtig sind, da sie den Geflüchteten Einstiegspunkte in das gesellschaftliche Leben bieten. Leider hat sich die Ausschreibung des „Berlin Award 2016“ auf die monofunktionalen Kategorien Kurzzeitunterkünfte und Wohnprojekte beschränkt, sodass nur wenige gemischt genutzte Projekte eingereicht wurden.
Die weiteren Preisträger sind demnach Wohnungsbauten und Notunterkünfte, wobei zwei Arbeiten explizit auf ein gemeinsames Wohnen von Geflüchteten mit anderen gesellschaftlichen Gruppen (Studierende, Obdachlose) setzen. Mit dem Entwurf Hof.Haus schlagen Architekturstudierende der Leibniz Universität Hannover einen zweigeschossigen Holzskelettbau vor, in dem die privaten Räume zugunsten der Gemeinschaftsfläche minimiert sind: Die Zimmer im Obergeschoss sind über Leitern zu erreichen. Ein Projekt, das als Nachverdichtung von Universitätsstandorten denkbar wäre, eine kommunikative Alternative zu getrennten Wohnheimen für Studierende und Geflüchtete.
Wie das Zusammenwohnen funktionieren kann, zeigt der Preisträger „Wohnen für Flüchtlinge und Obdachlose“ in Ostfildern von u3ba, ein 2015 gebautes Ensemble aus drei schwarz gestrichenen Holzhäusern mit Pultdächern, in dem kleine, kombinierbare Zweizimmerwohnungen untergebracht sind.
Neben diesen Lösungen für eine dezentrale Unterbringung wurden in Berlin auch zwei Projekte ausgezeichnet, die sich mit großmaßstäblichem Wohnungsbau beschäftigen und dabei vergleichbare konstruktive Ansätze verfolgen: Maison-Dom-ino-Konstruktionen aus Stahlbeton, die in Leichtbauweise gefüllt werden. Das prämierte Bausystem „SMAQ MAX!“ kommt derzeit erstmalig im österreichischen St. Pölten zum Einsatz, wo bis 2017 ein städtischer Neubau mit 185 Wohnungen entsteht. Drei Meter tiefe Laubengänge und Loggien ergeben dabei ein „weiches, von den Nutzerinnen geprägtes Fassadenbild“.
Anne-Julchen Bernhardt und Jörg Leeser gehen einen Schritt weiter und heben mit ihrer Modellstudie „Neubau – on Königsberger Straße and Aleppoer Weg“ das System Wohnparkhaus auf die städtebauliche Ebene, indem sie vier „spekulative Selbstbaustädte“ vorschlagen, eine Weiterentwicklung des für die IBA Hamburg konzipierten Wohnhauses „Grundbau und Siedler“ (Bauwelt 35.2013). Die Konstruktion soll aus Betonfertigteilen errichtet und mit „Siedlerboxen“ bestückt werden. Warum die beiden letzten Arbeiten für Geflüchtete besonders gut geeignet sein sollen, erschließt sich mir nicht, es sind eher allgemeine Ansätze für seriell vorgefertigten Wohnungsbau. Dennoch: Die große Bandbreite der prämierten Arbeiten, vom ostentativen Massenselbstbau bis hin zum kleinen Wohnhaus, spiegelt die Vielfalt der Bauaufgaben, die sich, soll das Zusammenleben gelingen, nicht über einen Kamm scheren lassen.
Berlin Award 2016 – Heimat in der Fremde
Auszeichnungen Kategorie 1: Kurzzeitunterkünfte
Hof.Haus
4mal4 design, Hannover, Paul Eichholtz, Fabian Wieczorek, Alisa Klauenberg, Tobias Hasselder; Studienarbeit am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre, Leibniz Universität Hannover
Magdas Hotel, Wien (Bauwelt 48.2015) AllesWirdGut Architektur ZT GmbH, Wien, A. Marth, M. Passler, H. Spiegl, C. Waldner; Auftraggeber: Caritas Erzdiözese Wien
Sofortprogramm Leichtbauhallen, München (Bauwelt 48.2015) günther & schabert architekten, München, Jan Schabert; Auftraggeber: Landeshauptstadt München, Kommunalreferat, vertreten durch Baureferat, Hochbau 2
Auszeichnungen Kategorie 2: Wohnprojekte
Neubau – on Königsberger Straße and Aleppoer Weg
, Hamburg BeL Sozietät für Architektur, Köln, Anne-Julchen Bernhardt, Jörg Leser; Auftraggeber: Primus Developments GmbH & Co. KG, Hamburg
Initiative Haus der Statistik, Berlin (Bauwelt 6.2016) raumlabor berlin, Berlin - Andrea Hofmann, Christof Mayer, Frauke Gerstenberg, Markus Bader; Initiatoren: Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser – AbBA Gründer: Zentrum für Kunst und Urbanistik-ZK/U; Atelierbeauftragter Berlin, bbk Kulturwerk; Initiative Stadt Neudenken; Martinswerk e.V.; Belius Stiftung; Stiftung Zukunft Berlin; Schlesische 27; ARRIVO Berlin; CUCULA e.V.; Gyalpa e.V.
Wohnungen für Flüchtlinge und Obdachlose, Ostfildern u3ba; Arge camilo hernandez, urban 3 + Harald Baumann, baumannarchitects, Stuttgart, Camilo Hernandez, Harald Baumann; Auftraggeber: Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft Ostfildern mbH, Stadt Ostfildern
SMAQ MAX!, St. Pölten (Bauwelt 28–29) SMAQ GmbH; ARTEC Architekten – Wimmer und Partner – raum & kommunikation, Wien; Auftraggeber: BWS – Gemeinnützige, allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft, Wien
Auslober
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin
Jury
Oliver Elser, Donatella Fioretti, Jörg Friedrich, Çağla İlk, Regula Lüscher, Mamoun Fansa, Philipp Misselwitz

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