Bauwelt

Die Wehrhahn-Linie ist überall möglich

Andrea Blome ist Architektin und Leiterin des Amtes für Verkehrsmanagement der Stadt Düsseldorf. Die Kunsthistorikerin Ulla Lux begleitete die Wehrhahn-Linie als Projektleiterin für das Kulturamt. Ein Gespräch über eine 15-jährige ungewöhnliche Zusammenarbeit

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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    Von Tunnelbau im Schildvortrieb ...
    Foto: Ingo Lammert

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    ... bis zu künstlerischer Handarbeit reichte das Spektrum beim Bau der Wehrhahn-Linie.
    Foto: Heike Klussmann/netzwerkarchitekten

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    ... bis zu künstlerischer Handarbeit reichte das Spektrum beim Bau der Wehrhahn-Linie.

    Foto: Heike Klussmann/netzwerkarchitekten

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    Die Künstlerin Heike Klussmann im Werk von Schwab-Stein bei der Fertigung der Betonelemente für das „Kontinuum“.
    Foto: Heike Klussmann/netzwerkarchitekten

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    Die Künstlerin Heike Klussmann im Werk von Schwab-Stein bei der Fertigung der Betonelemente für das „Kontinuum“.

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    Manuel Franke bearbeitet seine siebbedruckten Gläser für den Bahnhof Graf-Adolf-Platz.
    Foto: Glas Trösch/Martin Mai

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    Manuel Franke bearbeitet seine siebbedruckten Gläser für den Bahnhof Graf-Adolf-Platz.

    Foto: Glas Trösch/Martin Mai

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    Thomas Strickers Weltraumfahrt für die Benrather Straße wird programmiert.
    Foto: Thomas Stricker

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    Thomas Strickers Weltraumfahrt für die Benrather Straße wird programmiert.

    Foto: Thomas Stricker

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     Enne Haehnle und der Kunstschmied Andreas Althammer bei der Arbeit an „Spur X“
    Foto: Fa. Althammer, Leipzig/K. Zimmermann

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     Enne Haehnle und der Kunstschmied Andreas Althammer bei der Arbeit an „Spur X“

    Foto: Fa. Althammer, Leipzig/K. Zimmermann

Die Wehrhahn-Linie ist überall möglich

Andrea Blome ist Architektin und Leiterin des Amtes für Verkehrsmanagement der Stadt Düsseldorf. Die Kunsthistorikerin Ulla Lux begleitete die Wehrhahn-Linie als Projektleiterin für das Kulturamt. Ein Gespräch über eine 15-jährige ungewöhnliche Zusammenarbeit

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Frau Blome, Frau Lux, erinnern Sie sich daran, wie es war, als vor mehr als 15 Jahren die Entscheidung fiel, aus der Wehrhahn-Linie eine Kunstlinie zu machen?
Ulla Lux Ich habe mich sehr gefreut, war aber skeptisch. Erst nach der Juryentscheidung wusste ich, jetzt kann es klappen, da ich die Künstlerin Heike Klussmann seit einigen Jahren kannte und schätzte.
Andrea Blome Ich habe damals im Büro des Oberbürgermeisters Erwin gearbeitet. Und das war einer der ersten Termine, den ich wahrgenommen habe. Ich habe eine lebhafte Erinne-rung daran, wie die Architekten und Künstler ihre Wettbewerbsentwürfe für die U-Bahnhöfe im Tanzhaus am Capitol vorgestellt haben.
Warum wollte Düsseldorf eine Kunstlinie?
Andrea Blome Der Rat der Stadt hatte sich früh überlegt, ein Infrastrukturprojekt dieser Dimension, das absehbar sehr viel Geld kosten würde, eben nicht nur als Verkehrsbauwerk zu betrachten, sondern es so zu planen, dass es einen Mehrwert für die Stadt bringen sollte. Und da Düsseldorf mit der Kunstakademie und den Sammlungen und Museen stolz darauf ist, eine Kunststadt zu sein, sollte dadurch eben auch ein Beitrag zur Kunst in Düsseldorf geleistet werden.
In der Begründung der Wettbewerbsjury hieß es damals über die Preisträger, „sie haben mit großer Sicherheit die Lösung für das Problem der Gestaltung von U-Bahnhöfen neu erfunden“. Was sagen Sie heute, was ist die Lösung?
Ulla Lux Die Lösung war und ist die interdisziplinäre Teamarbeit von Spezialisten. Durch die Zusammenarbeit verschiedener Denkrichtungen gelingt es jeder Disziplin, einen Schritt über sich hinaus zu gehen und die Spezialgebiete zu verflechten.
Andrea Blome Es gibt sicher verschiedene Ansätze und ganz verschiedene Lösungen. Auf der ganzen Welt werden ja U-Bahnen gebaut, auch mit spektakulären Bahnhöfen. Was die Wehrhahn-Linie zu einem so besonderen Projekt macht, ist die Idee, das gesamte Projekt als Kontinuum zu betrachten, als eine durchgehende Röhre. Dazu gehören auch die Schnitträume, die nicht nur eine räumliche, sondern auch eine visuelle Verbindung zwischen der sehr tief liegenden Fahrebene und der Oberfläche schaffen.
Die Verbindung eines komplexen Verkehrsbauwerks mit einer raumgreifenden Architektur und zeitgenössischer Kunst ist also nicht die Zwangsheirat, für die sie alle gehalten hatten?
Ulla Lux Dass die Architekten verpflichtet waren, mit Künstlern und Künstlerinnen zu arbeiten, war erst einmal eine Zwangsheirat. Aber als die Qualitäten der Bereiche und Personen sichtbar wurden und jeder mit Vertrauen und Offenheit in die Gespräche ging, wurde das Kollektiv ein freudvolles, konstruktives, kooperatives Team.
Andrea Blome Meistens ist es so, dass sich die Städte viel später, wenn die Architekten beauftragt und das Projekt längst im Bau ist, überlegen, dass sie „was mit Kunst machen“ wollen. Das Ergebnis ist dann natürlich eine andere Kunst, eher eine Art Wandgestaltung. Doch die Einheit, mit der Architekten und Künstler hier von Anfang an und schließlich über 15 Jahre zusammengearbeitet haben, ist einmalig.
Ist es nicht riskant, als Leiterin eines städtischen Amts, Prozesse anzustoßen, die nicht zu hundert Prozent planbar sind? Woher nahmen Sie den Mut, so groß zu denken?
Andrea Blome Das war hoch spannend. Ich bin selbst Architektin und meine Aufgabe war es, alle Professionen zusammenzubringen. Eine große Leistung haben die netzwerkarchitekten vollbracht, die den Ingenieurbau und die Kunst zusammengehalten haben. Wir haben es ja hier mit Bauingenieuren zu tun, die richtige „Technokraten“ sind. Die Spezialtiefbauer arbeiten in einer absolut technisch geprägten Männerwelt und hatten anfangs große Schwierigkeiten, sich mit den Künstlern anzufreunden und zu verstehen und umzusetzen, was die wollen. Die ticken ja vollkommen anders. Meine Ingenieure arbeiten nach Zeitplänen, nach den verschiedenen Gewerken, die zusammengefasst werden müssen. Das hat eine ganz eigene Dynamik. Und die Denke des Künstlers lässt sich ja nicht gerne in Terminpläne und Vergabeeinheiten pressen.
Ulla Lux Ich habe mich auf meine Erfahrungen verlassen. Durch die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern kenne ich ihr Potenzial: ihre Fähigkeit Raum zu denken und zu spüren, sowie skulpturale Setzungen zu entscheiden. Sie haben ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten, das zunächst ohne Vorgaben beginnt. Diese Freiheit provoziert eine andere und mutige Herangehensweise, die stets einen kraftvollen Einstieg bedeutet.
Die Vergaberichtlinien verpflichten öffentliche Auftraggeber dazu, den Anbieter mit dem jeweils günstigsten Angebot zu beauftragen. Das steht in harschem Gegensatz zur Kunst, wo Dinge hergestellt werden müssen, die eine besondere Qualität aufweisen, Techniken, die außergewöhnlich sind, noch nicht erprobt etc. Wie sind Sie hier vorgegangen, wo nichts Standard war, wo es keine oder kaum vergleichbare Aufgaben gab?
Andrea Blome Unsere Aufgabe war es, die Skizzen der Künstler in etwas zu übersetzen, das man nicht nur bauen kann, sondern das auch allen Vorschriften an Statik, an Brandschutz, an Vandalismussicherheit und an all dem, was in unseren Normen in Deutschland und Europa niedergelegt ist, entspricht. Da gab es an der Schnittstelle mit Kunst und Kultur, wenn etwa die Künstler ihre Ideen durch die Bemusterung bringen mussten, manchmal ein aufwendiges und zähes Ringen. Hier ist das Kulturamt in Per-son von Frau Lux, die die Künstler bei der Stange gehalten hat, intensiv tätig gewesen. Und dann wird eine ganz normale Werkplanung gemacht. Schließlich ist es dann, wie etwa bei Manuel Franke, nur eine Vergabe für eine Glasfassade, die er in der Werkstatt des Unternehmers noch künstlerisch gestaltet hat.
Ulla Lux Wenn es sich ausschließlich um Kunst handelt, gelten spezielle Vergaberichtlinien, das heißt, eine sachlich fachliche Begründung rechtfertigt die entsprechende Beauftragung.
Wie haben Sie gearbeitet: Zwei Ämter in zwei Stadtteilen, sechs Architekten in Darmstadt, sechs Künstler?
Ulla Lux Die Besprechungen fanden in der Regel im Amt für Verkehrsmanagement und in den letzten Monaten auf den Baustellen statt. Dort arbeiteten fast alle Fachleute. Vieles lief natürlich übers Netz.
Das Gesamtkonzept wirkt auch so überzeugend, weil es keine Werbung in den Bahnhöfen und auf den Bahnen gibt – wie rechnet sich das?
Ulla Lux Die Aufmerksamkeit der Benutzer soll-te sich nur auf die Kunst und die Architektur richten. Meines Wissens fallen die Einnahmen durch Werbung in U-Bahnen nicht wirklich ins Gewicht.
Sie haben mit der Berliner Agentur Bureau N eine außergewöhnliche Öffentlichkeitsarbeit gemacht, unter anderem ein Album bei Instragram angelegt, es gibt eine Webseite, professionelle Fotos, Ende April wird es einen Katalog geben – wen möchten Sie ansprechen?
Ulla Lux Wir möchten sowohl Fachleute als auch eine breite Öffentlichkeit mit allen Altersgruppen ansprechen. Dazu kommt der Wunsch, überregionale Aufmerksamkeit zu erreichen, da dieses Projekt ein außergewöhnliches Experiment und qualitativ hochwertig ist. Auch für Düsseldorf als Kunststadt ist es wichtig, ein Projekt dieser Größenordnung international bekannt zu machen.
Andrea Blome Das Schöne ist ja, dass wir kein Museum sind. Außer zwischen ein Uhr nachts und vier Uhr morgens sind unsere Bahnhöfe immer und für jeden offen. Die Wehrhahn-Linie ist momentan ein absoluter Hotspot in der Stadt, sodass die Leute am Wochenende kommen, um sich die Bahnhöfe anzuschauen. Ich bin selber auch an den letzten beiden Sonntagen U-Bahn gefahren, weil ich es so interessant fand, den Leuten zuzuhören, was sie sehen und wie sie es empfinden.
Ist eine Wehrhahn-Linie nur in Düsseldorf möglich oder könnte es ein Beispiel sein, das Schule machen wird?
Andrea Blome Ich glaube, dass sich inzwischen alle Städte mit der Gestaltung von U-Bahnhöfen Mühe geben. Die Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren, Architekten und Künstlern ist schon eine besondere Herausforderung. Wenn man sich dafür entscheidet, muss man auch die Kraft aufbringen, konsequent und kontinuierlich dabei zu bleiben.
Ulla Lux Ich denke, die Wehrhahn-Linie ist über-all möglich. Voraussetzung ist jedoch eine gleichberechtigte interdisziplinäre und neugierige Zusammenarbeit aller Beteiligten. Und ein wenig Glück muss man natürlich auch haben, denn es sind wirklich viele Menschen, die miteinander umgehen müssen.
Fakten
Architekten Blome, Andrea, Düsseldorf; Lux, Ulla, Düsseldorf
Adresse Wehrhahn-Linie Düsseldorf


aus Bauwelt 15.2016
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