Bauwelt

Welche Denkmale welcher Moderne?

Tagung über einen erweiterten Denkmalbegriff mit Blick auf Megastrukturen und das Placemaking von Migranten

Text: Schürkamp, Bettina , Köln

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    Abbruchszenario als Aufforderung zum aktiven Widerspruch
    Collage von Matthias Brandmaier, AKBild Wien

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    Modellfoto mit Skizzen einer Megastruktur, die Eckhard Schulze-Fielitz im Rahmen des Wettbewerbs für die Ruhr-Universität Bochum 1962 entwarf
    Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW

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Welche Denkmale welcher Moderne?

Tagung über einen erweiterten Denkmalbegriff mit Blick auf Megastrukturen und das Placemaking von Migranten

Text: Schürkamp, Bettina , Köln

Was bleibt von der Moderne? Neue „Konjunkturen des Nachdenkens“ über das bauliche Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erörterte die 1. Tagung des Forschungsverbundes „Welche Denkmale welcher Moderne?“ (WDWM) Mitte März an der Technischen Universität Dortmund. Das dreijährige Forschungsprojekt WDWM der Bauhaus-Universität Weimar und der TU Dortmund startete im Februar 2014 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderinitiative „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“ unterstützt.
Denkmale der Moderne ringen als „unbequemes Erbe“ besonders um ihre Erhaltung. Im internationalen Vergleich zeigen sich große Unterschiede: Während in manchen Ländern 30 bis 50 Jahre bis zur Unterschutzstellung vergehen, sind es in anderen kaum zehn. In der Graubündener Gemeinde Vals wurde das 1996 von Peter Zumthor erbaute Thermalbad schon zwei Jahre nach der Eröffnung unter Denkmalschutz gestellt (Seite 6), für den sanierungsbedürftigen Rathauskomplex in Marl hingegen, 1960 bis 1967 vom Büro Van den Broek & Bakema erbaut, wurde im Jahr 2009 ein Eintragungsverfahren eingeleitet, das bis heute noch nicht abgeschlossen ist.
Carsten Müller (Weimar) erläuterte anhand der Philharmonia Hungarica e.V, die von 1959 bis 2001 in Marl beheimatet war, wie in einem erweiterten Denkmalbegriff die kollektive Erinnerungskultur nicht nur durch Gebäude, sondern auch durch kulturelle Zeugnisse von Migranten bereichert werden könnte. Mit stadtsoziologischen Methoden untersucht der Raumplaner die Spuren des renommierten Orchesters in einer Stadt, die sich in der Zeit des Wirtschaftswunders im Zeichen der Moderne mit einem ambitionierten Kulturprogramm neu erfand. In einer Diskussion über das „Placemaking“ von Migranten wurde mit Blick auf das für 2018 geplante Europäische Jahr des kulturellen Erbes die anhaltende Aktualität der Ausstellung „Fremde Impulse. Baudenkmale im Ruhrgebiet“ der Landesdenkmalämter NRW (2010) ebenso deutlich wie die weiterer Projekte der Migrationsforschung. So startete das Dokumentationszentrum über die Migration in Deutschland e.V. in Köln gerade mit der Umsetzung eines zentralen Museums, das zunächst als „Virtuelles Migrationsmuseum“ mit einem Blog über den Einfluss von Migration auf die Alltagskultur informiert. Und Barbara Welzel (Dortmund) forderte, dass die Denkmalpflege die vielfältigen Spuren von Migration als Teil eines europäischen Narratives stärker in die Unterschutzstellung und in die öffentliche Vermittlung von Denkmalen einbezieht.
Unter dem Titel „Denkmal, Mahnmal, Hypothek, Ressource?“ untersucht der Forschungsverbund WDWM denkmalgerechte Erhaltungskonzeptionen für Großprojekte der Moderne. Sonja Hnilica (Dortmund) erläuterte wie, ausgehend von Kenzo Tanges Tokyo Bay Projekt (1960), ganze Stadtquartiere in „Dinosauriern“ der Moderne zusammengefasst wurden, die heute vielerorts denkmalgerechte Erhaltungskonzeptionen benötigen. Am Beispiel des „Marburger Systems“ zeigte Silke Langenberg (München) die Substanzverluste auf, die die Anpassungen von Systembauten der Moderne an die aktuellen Nutzungsanforderungen von Hochschulen einfordern. Die in Kürze erscheinende Publikation über das Forschungsprojekt „Big! Bad? Modern“ an der Akademie der bildenden Künste Wien reflektiert die Zukunft von vier Wiener Megaformen in Bezug auf ihre Nutzung, Ästhetik, Akzeptanz und den physikalischen Zustand. Während das Allgemeine Krankenhaus Wien, der Wohnpark Alterlaa und das ORF-Zentrum in ihrem Bestand gesichert scheinen, steht die Wirtschaftsuniversität (WU) leer. Projektszenarien veranschaulichen, dass die Umweltbelastung durch Abriss bei der Bewertung der Nachhhaltigkeit von Neubauprojekten oft nicht berücksichtigt wird. Basierend auf ökologischen und ökonomischen Kriterien sollen bauliche Eingriffe mit Mischnutzungen, Freiflächen und Verkaufsflächen die Großform mit einer neuen Urbanität revitalisieren. Das Engagement von Studierenden für die bedrohte Nachkriegsmoderne setzt auch der am 13. März veröffentlichte ICOMOS-Wettbewerb „From 60 to 90“ fort.

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