Blaupause am Rand der Stadt
Treffpunkt Parkhaus: In Hamburgs 105. Stadtteil, dem seit 2016 in Planung befindlichen Oberbillwerder, sollen multifunktionale „Mobility Hubs“ für die Mobilität der Zukunft entstehen.
Text: Mijatović, Maja, Hamburg
Blaupause am Rand der Stadt
Treffpunkt Parkhaus: In Hamburgs 105. Stadtteil, dem seit 2016 in Planung befindlichen Oberbillwerder, sollen multifunktionale „Mobility Hubs“ für die Mobilität der Zukunft entstehen.
Text: Mijatović, Maja, Hamburg
Wie lassen sich Städte so gestalten, dass sich ihre Lebensqualität spürbar verbessert? Einen wesentlichen Einfluss darauf hat bekanntermaßen der Straßenraum, der noch immer vom Auto dominiert wird – auch vom ruhenden Verkehr. Nun wagt die IBA Hamburg am Stadtrand, im geplanten Stadtteil Oberbillwerder, ein Experiment, das als Blaupause fürs gesamte Land dienen könnte: multifunktionale und transformierbare Parkhäuser. „Ziel ist es, dass wir den ruhenden Verkehr aus den öffentlichen Straßen heraushalten. Wir wollen nicht, dass die Straßen mit Autos zugeparkt werden. Stattdessen sollen sich diese in den Mobility Hubs konzentrieren“, erläutert IBA-Geschäftsführerin Sabine de Buhr. Die Hubs sollen den Bewohnern ermöglichen, ihr Auto oder Rad nicht weiter als 250 Meter von der Wohnung entfernt abzustellen.
Zugleich sollen die Gebäude mehr Funktionen erfüllen als die eines Parkhauses: „Mobility Hubs sind Orte, an denen man die Nachbarn trifft, zum Yoga geht oder das Paket abholt.“ Es ginge nicht nur darum, den Wechsel der Mobilitätsform anzubieten, sondern darüber hinaus, Orte der Begegnung zu schaffen, sagt de Buhr. Für so ein Konzept gibt es erst wenige bauliche Vorbilder. Deshalb diente eine umfangreiche Konzeptstudie als Grundlage für die Entwicklung der Mobility Hubs.
Die erste konkrete Ausarbeitung zeigt sich nun in den Entwürfen des kürzlich entschiedenen Ideen- und Realisierungswettbewerbs für die Hubs 6 und 7 im zentral gelegenen BahnQuartier, eins von insgesamt fünf Quartieren in Oberbillwerder. Der Mobility Hub 7 (Realisierungsteil des Wettbewerbs) basiert auf einer konventionellen Parkhausnutzung mit Rampe und Mobility Hub 6 auf einer automatisierten Parkhausnutzung (Ideenteil), die durch die Hebetechnik mehr Nutzfläche ermöglichen soll.
Entgegen der Anmutung einer Parkgarage präsentiert sich der erstplatzierte Entwurf für den Mobility Hub 7 von STLH Architekten aus Hamburg mit transparenter Fassade zum Quartiersplatz. Die viergeschossige Holzskelettkonstruktion erinnert an ein großformatiges Regal, dessen Mittelpunkt ein weiträumiges Foyer bildet, in dem sich die Mobilitätszentrale befindet. Anwohner und Besucher sollen sich dort in Zukunft zu Carsharing, Lastenradverleih, ÖPNV-Tickets sowie weiteren Mobilitätsoptionen informieren können. Gastronomieflächen und ein Drogeriemarkt (vorgegebene Nutzungen aus der Auslobung) ergänzen das Angebot im Erdgeschoss. In den Obergeschossen sind Parkdecks angeordnet, die auf der Ost- und Westseite des Gebäudes um zweigeschossige Co-Working-Bereiche mit Galerieebenen erweitert werden. Die Dachfläche steht der Bewohnerschaft als öffentlicher Raum mit Basketballfeld, Hundewiese und Café zur Verfügung. Jede Fassade bestimmt ein anderes Material, das die dahinterliegende Funktion abbildet: Für die Parkebenen wählten STLH Architekten im Norden Rankgitter und Pflanztröge aus Corten-Stahl. Im Osten und Süden sind Photovoltaik-Module vorgesehen. Co-Working-Bereiche sowie Gastronomieflächen öffnen sich mit großformatigen Glasflächen zur Nachbarschaft.
Insgesamt elf Mobility Hubs werden sich künftig auf die fünf Quartiere des Stadtteils verteilen. „Das Besondere an den Mobility Hubs ist, dass sie flächendeckend positioniert werden. Mit diesem einheitlichen System können wir auf den Bau von Tiefgaragen verzichten“, erklärt Sabine de Buhr. „Das ist kostengünstiger, nachhaltiger und es ermöglicht den Rückbau bzw. die Umnutzung der Immobilie.“
Wie vielfältig eine Umnutzung gelingen kann, zeigen die drei ausgezeichneten Beiträge im Ideenteil des Wettbewerbs für den Mobility Hub 6 im BahnQuartier. So platzieren Spengler Wiescholek (1. Preis) das automatisierte Parken als reversiblen Stahlbau in ein Skelett aus recyceltem Beton mit zusätzlichen Arbeitsflächen bzw. Treffpunkten für „lokale Initiativen“. Sollte der Bedarf an Stellplätzen in Zukunft abnehmen, schlagen Spengler Wiescholek den Rückbau und die Umnutzung zu Wohnungen vor. Diese ordnen sie mit einer Laubengangerschließung um den neuen, begrünten Innenhof an. Benkert Schäfer Architekten (2. Preis) haben die Flächen so konzipiert, dass eine stufenweise Umnutzung der einzelnen Parkspeichermodule zu Lagerflächen oder Werkstätten möglich ist. ADEPT (3. Preis) schlagen oberhalb des Erdgeschosses eine flexible Gitterstruktur aus recyceltem Metall vor, die bei Nutzungsänderungen einfach angepasst werden kann.
Mit über 50 eingereichten Entwürfen liegt der Stadt Hamburg ein großer Ideen-Fundus für die Planung zukünftiger Mobility Hubs vor. Laut Sabine de Buhr soll das Thema Parken auch in anderen Quartieren, die derzeit von der IBA entwickelt werden, in ähnlicher Weise bedacht werden. In Oberbillwerder haben die Hubs die Chance, ein wichtiger Stadtbaustein zu werden. Statt schlichter Parkhäuser könnten wandlungsfähige Begegnungsorte entstehen. Dass sich diese zudem positiv auf die stadträumliche Qualität auswirken, kommt letztlich allen Menschen im Stadtteil zugute.
Offener einphasiger Realisierungswettbewerb mit Ideenteil
Mobility Hub 7 (konventionelles Parken)
1. Preis (30.000 Euro) STLH Architekten Thauer Höffgen, Hamburg
2. Preis (15.000 Euro) Spengler Wiescholek, Hamburg
3. Preis (10.000 Euro) KPW Papay Warncke Vagt Architekten, Hamburg
Anerkennung (5000 Euro) LH Architekten, Hamburg
1. Preis (30.000 Euro) STLH Architekten Thauer Höffgen, Hamburg
2. Preis (15.000 Euro) Spengler Wiescholek, Hamburg
3. Preis (10.000 Euro) KPW Papay Warncke Vagt Architekten, Hamburg
Anerkennung (5000 Euro) LH Architekten, Hamburg
Mobility Hub 6 (automatisiertes Parken/Ideenteil)
1. Preis (30.000 Euro) Spengler Wiescholek, Hamburg
2. Preis (15.000 Euro) Benkert Schäfer Architekten, München
3. Preis (10.000 Euro) ADEPT, Kopenhagen
Anerkennung (5000 Euro) Walter Gebhardt | Architekt, Hamburg
Fachpreisgericht
Sabine de Buhr, Franz-Josef Höing, Ellen Kristina Krause, Hille Krause, Oliver Panz, Johannes Schilling (Vorsitz), Andrea Soyka, Gerhard Wittfeld
1. Preis (30.000 Euro) Spengler Wiescholek, Hamburg
2. Preis (15.000 Euro) Benkert Schäfer Architekten, München
3. Preis (10.000 Euro) ADEPT, Kopenhagen
Anerkennung (5000 Euro) Walter Gebhardt | Architekt, Hamburg
Fachpreisgericht
Sabine de Buhr, Franz-Josef Höing, Ellen Kristina Krause, Hille Krause, Oliver Panz, Johannes Schilling (Vorsitz), Andrea Soyka, Gerhard Wittfeld
Ausloberin
IBA Projektentwicklungsgesellschaft, Hamburg, im Einvernehmen mit der Freien und Hansestadt Hamburg: Bezirksamt Bergedorf, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
IBA Projektentwicklungsgesellschaft, Hamburg, im Einvernehmen mit der Freien und Hansestadt Hamburg: Bezirksamt Bergedorf, Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Verfahrensbetreuung
C4C | competence for competitions, Berlin
C4C | competence for competitions, Berlin
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