Den Blick versperrt
Das Umfeld des Naumburger Doms soll neu gestaltet werden. Die Dringlichkeit dieses bundesgeförderten Eingriffs lässt sich hinterfragen.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Den Blick versperrt
Das Umfeld des Naumburger Doms soll neu gestaltet werden. Die Dringlichkeit dieses bundesgeförderten Eingriffs lässt sich hinterfragen.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Von der geplanten Neugestaltung des Dom-Umfelds wissen die Verkäuferinnen des Souvenirgeschäfts im Naumburger Dom nichts. Zu präsent ist wohl noch das Tohuwabohu um den jüngst ausgezogenen Altar im Westchor – Michael Triegels Komplettierung eines Cranach-Tryptichons (d. Ä.) erhitzte, bis er nun endlich nach Paderborn auf Reisen ging, die Gemüter. Die Darstellung der Weihnachtsszene auf dem Bild als zeitgenössisch zu bezeichnen, führte in die Irre: Ein neuzeitlicher Alter Meister vielleicht. Zeitgenössisch genug in jedem Fall, den UNESCO-Status des Städtchens an der Saale ins Wanken zu bringen. Es würde die Sicht auf die Stifterfiguren von Ekkehard, Uta, Hermann, Riglindis usw. verstellen, unkte der ICOMOS-Vorstand, das deutsche Beratungsgremium der UNESCO. Die meisten Besucherstimmen, nachzulesen im Gästebuch des Gotteshauses, klingen allerdings begeistert.
Beachtlich, wie über diese Diskussion die Grabungen an der Nordseite des Doms St. Peter und Paul, die zu denkmalpflegerischen Untersuchung vorgenommen worden waren und Löcher hinterließen, die noch Anfang Dezember klaffen, kaum Fragen aufzuwerfen scheinen, wozu und wonach da gebuddelt wurde. Dabei liegt der Grund Uta und Co. gar nicht so fern, wenn sich der touristische Andrang, auf den dieser Domvorplatz laut Auslobung ungenügend ausgelegt ist, kurz vor Weihnachten auch in Grenzen hält. Die bayerische Rentner-Gruppe, die an diesem Freitag nach Altarbild-Abbau die Gemäuer besichtigt, ist nur die Spitze eines Eisbergs – das Tauwasser seines Unterbaus flutet sommers die Weinlande.
Der Naumburger Dom wurde 2018 in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste aufgenommen. Dieser Status steigert die touristische Attraktivität der Stadt an der „Straße der Romanik“ zusätzlich. 2019 besuchten 147.938 Gäste den Dom und die verwinkelte Altstadt. Und die Stadt hofft auf steigende Nachfrage. Für die Neugestaltung des Domumfelds fließen zudem 600.000 Euro Fördergeld aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Ziele des Wettbewerbs waren: „langfristige und nachhaltige Entwicklungsimpulse für das Stadtquartier“, „Stärkung städtebaulicher Bezüge“ und „Schaffung [von] Planungsgrundlagen […] hinsichtlich der Verbesserung der Barrierefreiheit, der Wahrnehmbarkeit des baukulturellen Erbes, der Verkehrsführung und -beruhigung und der Gestaltung von Grün- und Freiflächen“.
Die Dringlichkeit des Verfahrens wirkt bei einem Besuch im Dezember nach Jammern auf hohem Niveau, fast schon wie ein Ablenkungsmanöver, ist aber – back to Uta – eventuell einfach ein roter Teppich, den die Stadt der UNESCO ausrollt. Vis-à-vis des Domportals, in das Renaissance-Stadthaus am Domplatz 1, soll das Welterbezentrum einziehen. Der Zustand des Straßenpflasters, die ganz ordentlichen Bordsteine, die abwechslungsreichen Körnungen des Belags und durchdachte Wegehierarchien rund um den Dom erwecken keineswegs den Anschein, dieser Ort bedürfe grundsätzlicher Erneuerung. Vielleicht könnte hie und da eine Stelle im Belag repariert oder ein Bordstein abgesenkt werden.
Dass der Idee, den kompletten Außenraum mit einheitlichem Bruchsteinpflaster zu versehen, nachgegangen werden soll, irritiert. Zwar erhält der entsprechende, erstplatzierte Entwurf von Ulrich Krüger aus Dresden die Grünelemente – eine nördlich das Bauwerk flankierende Lindenallee sowie zwei baumbestandene Raseninseln am Domplatz –, der von Kleinteiligkeit und den Jahren gezeichnete Charme des Ortes dürfte jedoch leiden.
Auch die auf die Ränge zwei und drei gehobenen Vorschläge der Landschaftsarchitekten plandrei aus Erfurt und der Berliner Levin Monsigny verwässern die urbane Anmut des Domumfelds. Plandrei setzen immerhin auf Natursteinpflaster, das zumindest durch zweierlei Ausformung, nämlich als Reihen- bzw. Passé-Pflasterung, zwischen Aufenthalts- und (beruhigter) Verkehrszone unterscheidet. Darüber hinaus bieten sie von Natursteinborten gefasste Hochbeete an. Deren Bepflanzung mit Stauden monierte die Jury als „ahistorisch“.
Levin Monsigny demgegenüber verzichten gänzlich auf Kanten, ihre Zeichnungen wirken nicht zu Ende gedacht. In ein Bett aus Kalksteinpflaster, das, kleinteilig im Wilden Verband verlegt, die Situation grundiert, pressen sie Granitplatten und ovale Grasflächen. Die Funktion der Granitbänder mutet unentschieden an – sollten sie als Gehsteige in der, mit Freisitzen ohnehin wie eine Art Fußgängerzone anmutenden, Gemengelage dienen? Vor dem Westchor wartet dieser Entwurf mit einer Wiese auf. Der Mangel an Ideenehrgeiz wirkt erdrückend. Vielleicht aber wohnt er der Aufgabenstellung inne, die einen Wandel erzwingt, wo eine Anpassung schon reichen würde.
Unter den unabhängigen Beratenden der Jury findet sich ICOMOS-Experte Achim Hubel. Im Gremium saß unter anderem Holger Kunde, Stiftungsdirektor der „Vereinigten Domstifter“. Im eingangs erwähnten Streit um das Altarbild war Hubel eine treibende Kraft gegen dessen Verbleib im Dom. Kunde hingegen lud noch im November zu einem öffentlichen Abendessen mit dem Künstler in den „Gasthof Zufriedenheit“, um mit Bürgern (die 230 Euro für eine Übernachtung mit Dinner aufbringen können) über das Altarbild zu diskutieren. Es ist doch überraschend, wie kontrovers und publikumswirksam zur Kunsthistorie im Dom argumentiert wird, während die Totalverwandlung seines Umfelds als nachrangiger Belang scheint. Wie genau sah es dort aus, als Uta noch lebte? Sollte man sich eventuell rückbesinnen? Vermutlich würde es dann matschig.
Realisierungswettbewerb mit Ideenteil
Realisierungsteil
1. Preis (28.000 Euro) UKL Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten, Dresden
2. Preis (18.000 Euro) plandrei Landschaftsarchitektur, Erfurt
3. Preis (10.000 Euro) Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin
Anerkennungen (je 7000 Euro) Grieger Harzer Landschaftsarchitekten, Berlin; bbz landschaftsarchitekten, Berlin
Realisierungsteil
1. Preis (28.000 Euro) UKL Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten, Dresden
2. Preis (18.000 Euro) plandrei Landschaftsarchitektur, Erfurt
3. Preis (10.000 Euro) Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin
Anerkennungen (je 7000 Euro) Grieger Harzer Landschaftsarchitekten, Berlin; bbz landschaftsarchitekten, Berlin
Ideenteil
Anerkennungen (je 3200 Euro) SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten, Berlin; UKL Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten, Dresden; Därr Landschaftsarchitekten, Halle (Saale); GRIEGER HARZER Landschaftsarchitekten, Berlin; plandrei Landschaftsarchitektur, Erfurt
Anerkennungen (je 3200 Euro) SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten, Berlin; UKL Ulrich Krüger Landschaftsarchitekten, Dresden; Därr Landschaftsarchitekten, Halle (Saale); GRIEGER HARZER Landschaftsarchitekten, Berlin; plandrei Landschaftsarchitektur, Erfurt
Jury
Barbara Hutter (Vorsitz), Angela Mensing-de Jong, Steffi Schüppel, Axel Springsfeld, Thomas Will, Bianka Höpfner, Armin Müller, Ute Freund, Felix Böcker, Bastian Wahler-Zak, Holger Kunde
Barbara Hutter (Vorsitz), Angela Mensing-de Jong, Steffi Schüppel, Axel Springsfeld, Thomas Will, Bianka Höpfner, Armin Müller, Ute Freund, Felix Böcker, Bastian Wahler-Zak, Holger Kunde
Auftraggeberin
Stadt Naumburg (Saale)
Stadt Naumburg (Saale)
Verfahrensbetreuung
GRAS* Gruppe Architektur & Stadtplanung, Dresden
GRAS* Gruppe Architektur & Stadtplanung, Dresden
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