Bauwelt

Entweder oder vs. sowohl als auch

Nachgedanken zur Mipim in Cannes

Text: Brensing, Christian, Berlin

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    Den Giga-Projekten Saudi-Arabiens war auf der diesjährigen Mipim kaum zu entkommen.
    Foto: Christian Brensing

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    Den Giga-Projekten Saudi-Arabiens war auf der diesjährigen Mipim kaum zu entkommen.

    Foto: Christian Brensing

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    Deutsche Farben am „German Pavilion“ mit Bundesbauministerin Klara Geywitz (rot) und der Präsidentin des BBR Petra Wesseler (gelb).
    Foto: Christian Brensing

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    Deutsche Farben am „German Pavilion“ mit Bundesbauministerin Klara Geywitz (rot) und der Präsidentin des BBR Petra Wesseler (gelb).

    Foto: Christian Brensing

Entweder oder vs. sowohl als auch

Nachgedanken zur Mipim in Cannes

Text: Brensing, Christian, Berlin

„Je roule 100% électrique“ steht auf den E-Bussen, die die Mipim-Besucher Mitte März vom Flughafen Nizza ins 30 km entfernte Cannes brachten. Auch Anders Lendager, Gründer des dänischen Architekturbüros Lendager, das bekannt ist für seine im Sinn der Kreislaufwirtschaft kategorisch-konsequent recycelten und umweltfreundlichen Bauten, kam mit öffentlichen Verkehrsmitteln – aber mit dem Zug die ganze Strecke aus Dänemark! Auf meine Frage, was er überhaupt auf der Mipim suche, antwortete er: „Ich vermied die Mipim viele Jahre, was mit meiner Leidenschaft CO2 einzusparen zu tun hat. Denn die gesamte Mipim ist das exakte Gegenteil davon. Wir müssen den Wandel zum nachhaltigen Bauen radikal beschleunigen. Wobei der erste Schritt ist, das Bauvorhaben selbst radikal in Frage zu stellen: Müssen wir überhaupt neu bauen? Der nächste Schritt ist, die Frage zu stellen, womit wir bauen.“ Lendagers Aufforderung an Länder wie Saudi-Arabien, das mit seinen Riesenprojekten die diesjährige Mipim dominierte: „Stop Construction! Vermeidet die Fehler Anderer, beschleunigt die grüne Revolution!“
Wo in den vergangenen Jahrzehnten etwa die Türkei oder Russland mit großen Zelten am Strand die versammelte Investorenwelt auf einmalige Investitionsstandorte in ihren Regionen hinzuweisen versuchten, standen dieses Jahr die Zelte von „Invest Saudi“. Dort nahm die in Österreich geborene Architektin Sumayah Al-Solaiman –CEO der dem Kulturministerium unterstellten Architecture and Design Commission (ADC) in Riad – Stellung zur Renaissance ihres Heimatlandes. Die auf Geheiß des Kronprinzen Mohammed Bin Salman unter der Losung „Vision 2030“ propagierte Zukunft des Landes drückt sich für alle Welt erkennbar spektakulär in den sogenannten Giga-Projekten aus; wohl am bekanntesten ist die kilometerlange Bandstadt „The Line“.
Geschickt versuchte Sumayah, die Aufmerksamkeit von der eklatanten Quantität der Vorhaben weg hin zu deren Qualität zu lenken, wie sie sie interpretierte: „In allen Großprojekten versuchen wir ein Optimum zu erreichen. Größe allein ist nicht ausschlaggebend, sondern wir fordern vor allem immer ein hohes Maß an Innovation, zum Beispiel in Bezug auf neue Baumaterialien. Wir sind bereit, in allen Bereichen zu lernen, nachhaltiges Bauen, hydroponische Pflanzenzucht oder die Begrünung von Riad sind dabei gewaltige Themen. Dazu muss man im Detail und vertieft in die Projekte einsteigen, oberflächliche Beurteilungen gehen am Thema vorbei.“
Kategorisch-nachhaltiger Anspruch traf auf dieser Immobilienmesse auf existentielle Nachhaltigkeit, entweder oder auf ein Sowohl-als-auch. Im Vergleich zu solchen Kategorien und Dimensionen mögen der erste Besuch einer Bundesbauministerin auf der Mipim oder die Vorstellung des neuen Frankfurter Hochhausentwicklungsplans wie Nebensächlichkeiten anmuten. Es scheint, dass die Zukunft der Architektur im ganz großen Maßstab nicht mehr in Deutschland oder in Europa entschieden wird.
Der „Stockholm-Booth“, zusammengestückelt aus Teilen ausrangierter hölzerner Möbelstücke, ergab zumindest ein bemerkenswert skulpturales Bild einer Standarchitektur. Homogener und funktionaler dagegen das gewohnte Erscheinungsbild des „German Pavilion“, der zum x-ten Mal wieder zusammengefügt worden war. Die diesjährige Mipim zeigte viele Definitionen von Nachhaltigkeit unterschiedlichsten Maßstabs, nur gab sie keine Antwort auf die Frage: Wo fängt Nachhaltigkeit an, wo hört sie auf?

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