Bauwelt

Erleuchtung im Dunkeln

Die Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden stellt eine Auswahl ihrer unermess­lichen Schätze aus

Text: Costadura, Leonardo, Berlin

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Durch schwarze Nacht zum Licht der Erkenntnis. Im Souterrain der Stabi Unter den Linden.
Foto: SBB-PK

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Durch schwarze Nacht zum Licht der Erkenntnis. Im Souterrain der Stabi Unter den Linden.

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Erleuchtung im Dunkeln

Die Berliner Staatsbibliothek Unter den Linden stellt eine Auswahl ihrer unermess­lichen Schätze aus

Text: Costadura, Leonardo, Berlin

Bücher sind dazu da, in die Hand genommen und gelesen zu werden. Sie zu Ausstellungsstücken zu machen ist eine schwierige Angelegenheit; andererseits ist es keine gute Idee, eine alte Handschrift in den Freihandbestand einer öffentlichen Bibliothek zu stellen. Die Balance zwischen Erhalt und Gebrauch zu finden ist bei solch fragilen Materialien besonders schwer.
Die Berliner Staatsbibliothek hat mit einer kleinen Ausstellung an ihrem Standort Unter den Linden einen Versuch gemacht. Astrid Bornheim lieferte zusammen mit dko Architekten schon vor über zehn Jahren den Entwurf, der seit 2018 von Buerozentral Architekten (alle drei Büros sind aus Berlin) überarbeitet und in die Realität umgesetzt wurde. Begibt man sich ins Souterrain zu den Schließfächern, so sticht einem aus dem weißen Vorraum ein tiefschwarzer Eingang entgegen – unweigerlich hallt Dantes Donnerwort nach: „Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.“ Die Überwindung fällt dank des freien Eintritts leichter, aber Geist und Körper müssen sich, einmal im Inneren, erst an so viel Schwärze und Kälte gewöhnen. So hatten wir uns die Aufklärung freilich nicht vorgestellt.
Hat das Auge sich aufs Dämmerlicht eingestellt, so erkennt es die Umrisse der Ausstellungsarchitektur, die man wohl am besten als schrankig und kantig beschreiben kann. Für eine Höhle herrscht hier viel Rechtwinkligkeit. Die Materia­lität ist dominiert von schwarzen, glatten Holz­oberflächen und dicken Plexiglasscheiben. Sowohl an den Außenwänden als auch mittig stehen die Möbel, in deren Innerem die Ausstellungsstücke lagern. Sie sind nummeriert, im Bestreben, dem Besucher einen Parcours zu weisen, nur sind die Nummern wegen der Dunkelheit ja kaum sichtbar. Einige der Möbel sind Archivschränken nachempfunden und haben tatsächlich große, schwergängige Schubladen, die nach Öffnung den Blick auf weitere Dokumente freigeben – manchmal besonders schauerliche (wie zum Beispiel bodenlos menschenverachtende Zeichnungen aus nationalsozialistischen Zeitungen), was an das Verhüllungsgardinchen von Courbets „Ursprung der Welt“ und nun auch an gewisse Praktiken auf der diesjährigen Documenta erinnert.
Die puritanische Gestaltung des Raumes führt dazu, dass man umso mehr von den Objekten selbst geradewegs magisch angezogen wird, die Schwärze um den Betrachter herum wirkt wie ein Zoom. Was das „Kulturwerk“, so lautet der beliebig anmutende Name des Museums, an Ausstellungsstücken zu bieten hat, ist herausragend.Handschriften des lateinischen Mittelalters wie aus Ostasien, erste Exemplare des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, einer der ersten serienmäßig produzierten Erdgloben von 1826, Bachs Autograph der h-Moll-Messe, Plakate und Da­guerreotypien fügen sich dergestalt zu einem Ganzen, dass sie nicht nur die Geschichte der preußisch-königlichen Sammlung, sondern zugleich auch die deutsche Geschichte, die Wissenschafts- und Weltgeschichte erzählen. Die Begleittexte sind mit einem gesunden Hang zur Synthese informativ und die auditiven Erläuterungen einiger Objekte, denen man über Telefonhörer lauschen kann, gut konzipiert.
Es scheint fast so, als wollte die Stabi mit ihrer Ausstellung dem Klischee deutscher Innerlichkeit bei gleichzeitiger Entsagung von allem Äußerlichen Folge leisten. Mit ihrem neuen Museum hat sie sich einen Guckkasten in ihre Herzkammer, eher kein Schaufenster oder Aushängeschild geschaffen. Mögen die Bücher unter den dort herrschenden Bedingungen bis in alle Ewigkeit konserviert werden können, den Menschen behandelt der Ort nicht so zuvorkommend.

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