Bauwelt

Mit wem reden Sie über Mode?

Sven Fröhlich von AFF (SF), Robert Laser von Blässe Laser Architekten (RL) und der Designer Ilja Oelschlägel (IO) arbeiten bisweilen zusammen, regelmäßig treffen sie sich mit weiteren Freunden in einer Berghütte – dieses Mal ist der Arzt Robert Meyer (RM) dabei. Hier erzählt das Biwak eine Geschichte seiner bunten Gäste.

Text: Laser, Robert, Leipzig

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    Die Schutzhütte am Fichtelberg (Bauwelt 11.2010) zeigt im Innenraum den Abguss ihrer Vorgängerin, einer zwischen 1971 und ‘96 durch den Skisportclub Dynamo genutzten Laube. Während der sportlichen Auszeiten von SF/RL/IO&Co erfährt sie wieder einen Hauch vergangenen Zeitgeists.
    Fotos: RM, Hans Christian Schink, Erica Overmeer

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    Die Schutzhütte am Fichtelberg (Bauwelt 11.2010) zeigt im Innenraum den Abguss ihrer Vorgängerin, einer zwischen 1971 und ‘96 durch den Skisportclub Dynamo genutzten Laube. Während der sportlichen Auszeiten von SF/RL/IO&Co erfährt sie wieder einen Hauch vergangenen Zeitgeists.
    Fotos: RM, Hans Christian Schink, Erica Overmeer

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Mit wem reden Sie über Mode?

Sven Fröhlich von AFF (SF), Robert Laser von Blässe Laser Architekten (RL) und der Designer Ilja Oelschlägel (IO) arbeiten bisweilen zusammen, regelmäßig treffen sie sich mit weiteren Freunden in einer Berghütte – dieses Mal ist der Arzt Robert Meyer (RM) dabei. Hier erzählt das Biwak eine Geschichte seiner bunten Gäste.

Text: Laser, Robert, Leipzig

Ich stehe am Fuße des höchsten Berges des Erzgebirges, inmitten des Waldes. Mich nennen die „Leit“ von hier Streusandbunker, gleichwohl Menschen aus der Ferne Fotos von mir machen, um Sie in Zeitschriften zu drucken oder zur Biennale in Venedig zu zeigen. Ich bin fast nur aus Beton. Die meiste Zeit ist es ruhig und im Winter kalt. Das Fallen von Zapfen, fernes Motorsägen und das Rauschen des Waldes beschreiben meine Tage. Leise unterhalten sich manchmal die gesammelten Gegenstände in mir. Alle Dinge hier sind älter als ich, haben Spuren und Geschichten, jedes Messer, jede Leuchte, jeder Teppich oder Topf. Ich warte, dass meine Erbauer und seine Freunde wieder kommen und uns nutzen. Meist im Herbst oder Winter werden dann meine schweren Tore geöffnet, Holzscheite, Speisen und Getränke reingetragen. Sie finden mich aufgeräumt, wie sich mich verlassen haben. Der Ofen und die Kerze am Portal werden ange-zündet. Sie lehnen ihre kompakten Bikes oder schlanken Ski außen und ihre bunten Taschen innen an meine Wände. Sie ziehen Socken und Wollmützen mit Mustern an. Sie drehen kurz die alten Teller für einen flüchtigen Blick auf die Porzellanmarke beim Eindecken des Tisches. Sie freuen sich so, Sie holen jeweils Ihr Lieblingsglas aus dem Wandschrank, stoßen an und reden:
RL (Architekt) Schaut uns an – Was für ein Fasching! Kann mir mal einer erklären, warum wir alle mit dicken Westen und bunten Mützen am Tisch sitzen? Oder warst Du heute früh bei deinem Bauherrentreffen auch so angezogen?
SF (Architekt) Nee, natürlich nicht. Dafür ist doch Kleidung da. Kleidung sollte immer angepasste Funktionskleidung sein. Hier wärmt Sie in erster Linie den Körper, schützt vor den Extremen des Wetters. Die Schutzhütte erfordert auch innen durchdachte Funktionskleidung. Behaglichkeit muss erst bewusst erarbeitet werden. Bei einem Pitch schützt der Anzug doch ebenso. Schutzkleidung meiner Person vor der Erwartungshaltung der Bauherrenschaft. Ihr wisst schon… die erste, zweite und dritte Haut und so …
IO (Designer) Warum tragen wir dann nicht De-cathlon und Goretex, warum dann Wolle und Daune und diese Signal-Farben wie am K2? Gebt es zu, letztendlich haben wir die Funktionskleidung, wie Du sie nennst, dann doch sehr lange vor dem imaginären Spiegel anprobiert und kombiniert. Und zum Thema funktional, unsere Freizeitkombis sind nicht nur Vintage, sie sind regelrecht alt, mindestens eine Generation, so wie unsere Räder und Ski vor der Hütte…
SF Ja und? Das ist doch wie in unserer Arbeit, Wir hinterfragen Hightech-Verfahren durch Kombination mit handwerklichen Zeugnissen. Hochwertige langfasrige Wollgewebe – wie in deinem Skipulli, Wolle, die nicht kratzt und auch bei Nässe wärmt. Da kommt Goretex nicht ran.
RL Das glaubst Du selbst nicht. Trennen wir mal unsere Freizeit von unserem Berufsalltag. Die Dinge, die wir hier um uns haben, waren für uns in unserer Jugend unerreichbar oder zu teuer. Und so holen wir Versäumtes durch das Sammeln von biografischen Altlasten unter dem Deckmantel der Ästhetik und Nachhaltigkeit nach?
IO Wie bei Vögeln auf der Balz schmücken unsere Farben, Labels und Kostüme unsere Ausflüge. Wir machen uns bewusst zum Affen. Wir sind gelangweilt, uns dem Berufsstand treu in schwarz zu uniformieren. Wir möchten zu ger-
ne unsere Verantwortungsrolle mit dem Anzug ablegen, diese korrekt sitzende Schale, die uns Eloquenz und Sicherheit zu geben scheint. Architekten müssen gegenüber der Bauherrenschaft auf allen Ebenen Vertrauen signalisieren. Vertrauen dafür, dass die großen Budgets bei ihnen in den richtigen Händen sind, und das Anliegen verstanden wurde.
RL Ok, unsere Anziehsachen sind warm, mögen auch zu bunt sein. Und ja, sie sind auch Rüstungen. Aber das trifft es für mich nicht. Letztendlich ist doch jedes Stück das unsere Haut berührt, wie unsere Uhren und Stifte oder Brillen, fein ausgewählt. Wir suchen das Unikat. Wir haben es im Job verinnerlicht, Bedeutungen und Geschichten zu verkaufen. Der Wert eines Dinges, eines Raumes, einer Klamotte entsteht durch subjektive Einordnung in die Welt. Die Mütze z.B hat, wie Du oft erwähnst, deine Oma gestrickt. Und die Pattern auf deinen Socken, stammen wie dein Hund und der Paprika in der Sup-pe aus Ungarn und verankern dich. Der Skioverall „Silvy“ wurde aus der Wühlkiste des kleinen Sportladens in der Kelchsau (Ort in Österreich, Anm. d. Red.) gezogen. Wir alle betonen stän-dig, über welche komplexen Verknüpfungen, ob Flohmarkt, Sperrmüll oder andere Umwege die Dinge zu uns gefunden haben. Kurz, wir wollen letztendlich durch unsere Kleidung unsere Sicht auf die Dinge ausstrahlen. Agieren wir da in der Architektur und der Mode nicht sehr ähnlich?
SF Hast recht – das ist auch gut so. Die Gegenstände und Sachen wurden irgendwann liebevoll hergestellt. Ist doch nicht falsch, dass wir schöne Dinge, die lange am falschen Ort unentdeckt blieben, aufspüren, deren Formen und Fügungen durch Reparieren, durch Vereinzeln und Kombinieren abfeiern und überhöhen. Was anderes machen wir im Büro auch nicht. Und ganz ehrlich, wir kontern zwar so auch dem Wachstum und der Langeweile der Bau- und der Textilindustrie, aber in erster Linie macht es uns einfach Spaß. Forschung aus Leidenschaft…
RM (Arzt) Also meine Regenjacke ist von Decathlon und dicht. Mein Rad, wie auch meine Radsachen morgen, sind eher neu und grau – stört mich nicht. Ich bin ganz froh, dass ich nicht jeden Griff zu einem Gegenstand auch noch aus Sicht der Ästhetik überprüfen muss. Ihr vermisst wohl doch eure erkennbare Standeskluft. So wie ich immer noch Weiß oder der Zimmermann schwarzen Cord tragen darf. „lassen Sie mich durch, ich bin Architekt“, könnt Ihr im Gegensatz zu mir nicht sagen (hihi). Ihr sitzt den ganzen Tag am Rechner und switcht zwischen der Rolle des pragmatischen Ingenieurs und des extrovertierten Künstlers. Ihr müsst beruflich Kreativität und Verlässlichkeit zugleich repräsentieren und hier im Schutz der Hütte dürft Ihr einheitlich in-dividuell sein, eben Holzfäller mit Bommelmützen (holt eine Landkarte aus der Schublade). Wo lang wollen wir eigentlich morgen?
SF (kaut) Egal, Hauptsache Richtung Hochmoor.
RL (kaut auch) … und bergab.
RM ... und nicht so früh, ich muss noch die Bremsklötze wechseln.
IO ... hab noch paar alte XT, Baujahr 91.
SF legt Holz nach, RM und RL räumen den Tisch ab, IO schläft schon auf dem Fell der Fensterbank. Morgen früh nach Anlegen Ihrer Freizeitkostüme gehen Sie auf Tour. Dann wird es wie-der ruhig in mir. Sie hinterlassen heute Glut im Ofen und morgen Eisblumen an meinen Wänden und die beruhigende Gewissheit, dass Gestaltung für heute unergründlich geblieben ist.

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