Bauwelt

Im Irrgarten

Wir haben fünf akademische Initiativen, die sich gegen Diskriminierung engagieren, um Statements gebeten. Hier: ifa_diaspora, TU Berlin

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    ifa_diaspora ist eine studentische Initiative und offene Diskussionsplattform von Architektinnen, Planern und Stadtforscherinnen am Institut für Architektur (IfA) der TU Berlin
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Im Irrgarten

Wir haben fünf akademische Initiativen, die sich gegen Diskriminierung engagieren, um Statements gebeten. Hier: ifa_diaspora, TU Berlin

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„Europa ist ein Garten und der Rest der Welt ist ein Dschungel.“ Diese Worte richtete Josep Borrell, Außenbeauftragter der Europäischen Union, in seiner Rede am 13. Oktober 2022 an junge Mitglieder des Diplomatischen Corps der EU. Dass es sich hierbei nicht bloß um einen landschaftsarchitektonischen Kommentar mit Bezug auf den Ukrainekrieg handelt, steht außer Frage. Vielmehr lässt diese Metapher Rückschlüsse auf eine eurozentrische und rassistische Denkstruktur ziehen. Europa sei vom Chaos des Dschungels bedroht und müsse seine Werte als Gärtner in die Welt hinaustragen, um das „Wilde“ zu zähmen und sich so vor seinem Eindringen zu verteidigen.
Eben diese Narrative sollten Mitte des 19. Jahrhunderts den europäischenKolonialismus und Imperialismus legitimieren. Wenn sie heute, 150 Jahre später, noch immer von einem Politiker und ranghöchsten Diplomaten der EU gebraucht werden, zeigt es umso deutlicher, dass sich seither wenig an der europäischen Weltanschauung geändert hat.
Jenes eurozentrische Denken findet seinen Ursprung an den Universitäten, den Zentren der europäischen Theoriebildung. Hier wurde Rassismus theoretisch untermauert, Schädel seziert, Berichte geschrieben und „Entdeckungsreisen“ geplant. Hier werden noch heute europäische Wer­te gelehrt, Wissen selektiert und reproduziert. Oder, um es auf Borrells Metapher zu beziehen: Wenn Europa der Garten ist, dann ist die Universität das Gewächshaus. Hier wird das Wissen gesät, gezogen und dann in den Garten hinausgesetzt, um es Früchte tragen zu lassen. Ob es dabei in der schroffen Schönheit des Englischen Gartens oder in barocker Strenge auftritt, kann nicht über den absoluten Gestaltungsanspruch des Gärtners und seines Herrschers hinwegtäuschen. Das Problem ist, dass der Gärtner bei der Aussaat selektiert und somit auch nur bestimmtes Wissen reproduziert. Dies wird sich nicht ändern, solange Garten und Gewächshaus noch mit Schlössern versehen sind, solange nur bestimmte Gärtner Zugang zu den Sätzlingskästen haben und über die Aussaat entscheiden.
Die Universitäten im Allgemeinen und Architekturfakultäten im Besonderen sind, wie Europa selbst, ausgrenzende Orte. Die Machthierarchien ermöglichen es manchen, die Lehre aktiv zu gestalten, anderen höchstens den Semesterbeitrag zu zahlen. All jenes Wissen der nicht-westlichen Kulturen, nicht-weißen oder nicht-männlichen Menschen wird subalternisiert. Teils unbewusst ausgelassen, teils sehr bewusst unterdrückt, wird es als nicht universell abgestraft und kommt damit im offiziellen Kanon der Lehre nicht vor. Doch dieser Zustand ist anfechtbar und veränderbar: Eine neue inklusive Form der Wissensvermittlung und -produktion bedarf eines neuen Selbstverständnisses der akademischen Institutionen und all ihrer Akteurinnen.
Die dekoloniale Universität hat keine verschlossene Tür: Sie ist jedem Menschen zugänglich, verfügt über eine Vielzahl an Wissensformen und repräsentiert Pluralismus. Die dekoloniale Universität ist Labor und antiinstitutionalistisches Forum, sie hat sich ihrer Herrscher entledigt. Paläste und Orangerien sind verweist, Zäune und Mauern eingerissen. Hier wird nicht die gleiche Pflanze auf die immer gleiche Art und Weise gezüchtet, es besteht Raum zum Diskutieren, zum Hinterfragen von Lehrformen und zum Experimentieren. Die dekoloniale Universität hat verstanden, dass die Welt aus einem Netzwerk von Gärten besteht, von dem sie, in erster Linie, lernt.
ifa_diaspora:
ist eine studentische Initiative und offene Diskussionsplattform von Architektinnen, Planern und Stadtforscherinnen am Institut für Architektur (IfA) der TU Berlin, die sich hauptsächlich aus postmigrantischen und PoC-Studierenden zusammensetzt. Das übergeordnete Ziel ist es, strukturellen und institutionellen Rassismus in der Architektur und der gebauten Umwelt im weiteren Sinne aufzuzeigen. Ausgehend vom IfA geht es darum, rassistische Hegemonien in der Architekturlehre zu hinterfragen und aktiv abzubauen. ifa_diaspora setzt sich für ein kritischeres Planungsumfeld durch nachhaltige und multiperspektivische Wissensproduktion innerhalb der Branche ein.

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