Bauwelt

Versuchsrezepte gegen Krisen

Text: Kraft, Caroline, Berlin; Friedrich, Jan, Berlin

Versuchsrezepte gegen Krisen

Text: Kraft, Caroline, Berlin; Friedrich, Jan, Berlin

Bitte, setzen Sie sich! Auf dem Tisch liegen fehlgenutzte städtische Freiräume gemischt mit ausgedienten Fabrikgebäuden. Großstädte, die sich immer wei-ter ausdehnen, liegen neben engem kleinstädtischen Baugrund, beide eint der Wachstumsdruck. Daneben stehen ikonische urbane Megastrukturen bald leer. Das können wir uns nicht leisten – genauso wenig wie deren Abriss. Noch weiter Richtung Küste kämpfen hochsensible Ökosysteme mit einer nicht abebbenden Belastung durch Tourismus. Die Sorge um Überflutung eint sie mit Siedlungsräumen in to-pografischer Ausnahmesituation und weiter nordöstlich hat die Industrie den Erdboden vergiftet.
Der Tisch ist – ganz klar – Europa. Über Jahrzehnte, teils Jahrhunderte, haben sich in der Stadt und auf dem Land meist durch menschliches Verschulden Krisen ergeben, die sich teils gar nicht so fern sind. Die siebzehnte Auflage des Europan, des europaweiten Ideenwettbewerbs für Architektinnen, Stadtplaner und Landschaftsarchitektinnen unter vierzig, ist entschieden. Unter dem Titel „Living Cities 2“ beschäftigten sich Teams an einundfünfzig Standorten in zwölf Ländern mit der Frage, wie wir sie schonend nachverdichten, zurückbauen, umbauen oder pflegen können. Wir stellen neben den Ergebnissen an den acht deutschen Standorten ausgewählte Lösungsvorschläge für oben beschriebene Herausforderungen vor. Eins hat sich dabei herauskristallisiert: Die Zutaten haben wir schon, vielleicht bedarf es nur neuer Rezepte. Der Tisch ist jedenfalls gedeckt.

Europan gewonnen. Und dann?

Wie geht es eigentlich weiter für die Europan-Sieger nach den nationalen Preisverleihungen und dem Abschlussforum in Madrid? Ein europaweit einheitliches Vorgehen gibt es nicht. In Deutschland finden an al-len Standorten Workshops mit den Preisträgerteams statt. Aus den Ergebnissen der Workshops ergeben sich dann unterschiedliche weitere Vorgehensweisen. Je nach Standort und Aufgabe auch ein Realisierungsauftrag. Vor genau 25 Jahren, nach dem Ende von Europan 5, haben sich zwei junge deutsche Architekten, die den Wettbewerb in Rotterdam gewonnen hatten, dieselbe Frage gestellt: André Kempe und Oliver Thill. Bauen durften sie ihren Siegerentwurf eines „Wintergartenblocks“ (Bauwelt 26/27.1999) seinerzeit nicht, aber sie gründeten in der Folge in Rotterdam ihr Büro Atelier Kempe Thill und haben seither in vielen europäischen Ländern eine ganze Menge Bauvorhaben realisiert. In dieser Ausgabe stellen wir zwei ihrer kürz-lich in Belgien fertiggestellten Wohnbauten vor. Für die Themen, die sie damals beim Europan umgetrieben haben, interessieren die beiden sich noch immer.

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