Bauwelt

Die Janusköpfige

Schwellenstadt Genua – Wird der altehrwürdige Mittelmeerhafen in Zukunft eines der wichtigsten europäischen Logistikzentren sein oder ein Urlaubsort der ligurischen Riviera?

Text: Costadura, Leonardo, Berlin

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    Unter der Brücke gelandet: Das produzierende Gewer­be konnte sich in Genua nur im Schiffbau behaupten. Die meisten Unternehmen stellten Ende des Jahrhunderts die Produktion ein.
    Foto: Leonardo Costadura

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    Unter der Brücke gelandet: Das produzierende Gewer­be konnte sich in Genua nur im Schiffbau behaupten. Die meisten Unternehmen stellten Ende des Jahrhunderts die Produktion ein.

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    Schnittstelle zwischen Meer und Land: Der Legende nach hat die Stadt ihren Namen von Janus, dem römischen Gott der Türen und Schwellen.
    Foto: Leonardo Costadura

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    Schnittstelle zwischen Meer und Land: Der Legende nach hat die Stadt ihren Namen von Janus, dem römischen Gott der Türen und Schwellen.

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    Hier wurden vor vierzig Jahren noch Handelsgüter verladen, heute ist er einer der wichtigsten Orte für den Müßiggang der Genuesen: der Porto Antico mit Pianos Kranskulptur.
    Foto: Leonardo Costadura

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    Hier wurden vor vierzig Jahren noch Handelsgüter verladen, heute ist er einer der wichtigsten Orte für den Müßiggang der Genuesen: der Porto Antico mit Pianos Kranskulptur.

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    Klaustrophobische Zustände: Der Hafen würde gerne expandieren, es gibt aber keinen Platz dafür.
    Foto: Leonardo Costadura

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    Klaustrophobische Zustände: Der Hafen würde gerne expandieren, es gibt aber keinen Platz dafür.

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    Noch nicht wirklich Science-Fiction: Der bisherige Zustand des „Great Campus“ auf dem Erzelli-Hügel.
    Foto: Leonardo Costadura

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    Noch nicht wirklich Science-Fiction: Der bisherige Zustand des „Great Campus“ auf dem Erzelli-Hügel.

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    Genuas neues Aushängeschild? Die Waterfront di Levante, wie sie schon in zwei Jahren aussehen soll.
    Bild: RPBW-OBR

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    Genuas neues Aushängeschild? Die Waterfront di Levante, wie sie schon in zwei Jahren aussehen soll.

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    Hier sollen einmal fließende Landschaften entstehen. Kaimauern inklusive Poller sind schon da.
    Foto: Leonardo Costadura

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    Hier sollen einmal fließende Landschaften entstehen. Kaimauern inklusive Poller sind schon da.

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    Plan des Areals mit neu anzulegendem Park jenseits der Flussmündung.
    Bild: RPBW-OBR

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    Plan des Areals mit neu anzulegendem Park jenseits der Flussmündung.

    Bild: RPBW-OBR

Die Janusköpfige

Schwellenstadt Genua – Wird der altehrwürdige Mittelmeerhafen in Zukunft eines der wichtigsten europäischen Logistikzentren sein oder ein Urlaubsort der ligurischen Riviera?

Text: Costadura, Leonardo, Berlin

Genua ist ein Streifen. Die heute rund 600.000 Einwohner zählende Stadt im Nordwesten Italiens ist über 30 Kilometer lang, an ihren schmalen Enden aber nur ein paar hundert Meter breit. Sie entwickelt sich entlang der Küste, eingezwängt zwischen dem Meer und den steilen Bergen des Apennins, mit zwei Ausläufern, die sich an den Flüssen Bisagno und Polcevera ins Inland ziehen. Diese herausfordernde Topographie führte zum einen dazu, dass in Genua immer schon dicht und in die Höhe gebaut wurde, zum anderen dazu, dass sich Baumeister und Ingenieure die wildesten Dinge einfallen ließen, um das Gelände zu zähmen: Tunnel, Brücken, Standseilbahnen, Aufzüge, endlose Treppen sowie Häuser, die über das Dachgeschoss zu betreten sind.
Die Stadt war einst eine mächtige Seerepublik, die im 14. Jahrhundert Venedig die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer streitig machte. Die Genuesen, deren Geschäftssinn sprichwörtlich wurde, wussten sich in den folgenden Jahrhunderten geschickt mit der großen Macht im westlichen Mittelmeer, dem spanischen Königreich, einzulassen. So waren sie vom schleichenden wirtschaftlichen Niedergang in der Levante nicht betrof­fen, sondern konnten im Gegenteil vom explodierenden Atlantikhandel seit dem 16. Jahrhundert profitieren. Der Hafen, der wie eine Muschel geformt ist, ist die Essenz Genuas.

Der Weg ins Industriezeitalter – und der Weg aus ihm heraus

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Stadt zu einem frühen Herd der Industrie – zunächst im Schiffbau und der Rüstung. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen weitere Maschinenbauunternehmen dazu, und nach dem 2. Weltkrieg wurde Genua eines der drei Standorte der italienischen Stahlindustrie. Folglich platzte die Stadt in der Zeit des Wirtschaftswunders aus allen Nähten, von 1950 bis 1970 wuchs die Bevölkerung um 130.000 Einwohner auf 820.000 an.
Doch so schnell der Aufschwung gekommen war, so schnell kam auch der Rückschlag: Die zwei Ölkrisen in den siebziger Jahren sowie die Verschiebung der globalen Arbeitsteilung versetzten dem Industriestandort Genua einen schweren Schlag. Innerhalb weniger Jahre wurden 25 Prozent aller Industriearbeiter entlassen; 1990 hatte Genua 100.000 Einwohner gegenüber 1980 verloren und bis 2000 weitere 100.000. Das Industriesterben hat seither nicht aufgehört. Diverse staatliche Rettungsaktionen haben es nicht vermocht, die Stahlwerke zu stabilisieren, und erst Anfang August dieses Jahres erklärte der Kraftwerke- und Turbinenhersteller Ansaldo Energia, kurz vor der Insolvenz zu stehen.

Schwierige Zeiten – oder?

In den letzten zwanzig Jahren gelangte Genua hauptsächlich aufgrund von Katastrophen in die internationale Presse. 2001 schockte die entgrenzte Polizeigewalt beim G8-Gipfel die Welt; 2013 fasste man sich an den Kopf, als ein Containerschiff den Pilotenturm im Hafen rammte, ihn zum Einsturz brachte und neun Menschen in den Tod riss; 2014 wurde die Stadt von einer Schlammlawine überhäuft; und schließlich stürzte am 14. August 2018 die Autobahnbrücke über den Fluss Polcevera ein. Die Meldungen klangen wie Bekräftigungen des Niedergangs, den Genua seit Jahrzehnten erfuhr.
Die Geschichte lässt sich jedoch auch anders erzählen. Denn schon in den achtziger Jahren fing man an, über neue Wege nachzudenken. Die Feierlichkeiten im Jahr 1992 anlässlich des fünfhundertsten Jubiläums der Entdeckung Amerikas durch den illustren Sohn der Stadt, Cristoforo Colombo, boten einen Anlass. Die Stadt erhielt viel Geld vom Staat, von dem sie den ebenfalls berühmten Genuesen Renzo Piano damit beauftragte, das alte Hafenbecken vom Industriehafen zum Freizeitort umzugestalten. Der Architekt beseitigte die Zollschranke, die Stadt und Hafen hermetisch getrennt hatte, widmete die alten Depots um und setzte das Aquarium wie ein am Kai vertäutes Schiff in die Mitte – es ist bis heute eines der meistbesuchten Museen Italiens. Der unzugängliche „porto vecchio“ war zum „Porto Antico“ geworden, einem Anziehungspunkt für Stadtbewohner und Touristen.
Zwölf Jahre später, 2004, war Genua zusammen mit Lille Kulturhauptstadt Europas. Wieder floss viel Geld in die Stadt. Alte Adelspaläste wurden saniert und neue Museen eröffnet, die Altstadt erlangte neue Attraktivität. Die Zahl der Touristen in Genua steigt seither kontinuierlich.
Überdies schaffte Genua es, die hochqualifizierten Arbeitskräfte im Ingenieurswesen zu binden: Die Entwicklungsabteilungen des Medizintechnik-Unternehmens Esaote sowie des teilstaatlichen Rüstungsunternehmens Leonardo sind geblieben, auch wenn die Produktion ausgelagert wurde.

Keynesianismus all’italiana

Wahrscheinlich gelingt in keiner Shrinking City ein Neustart allein aus eigener Kraft. Im Fall von Genua jedenfalls sind in besonderem Maße konsistente staatliche Investitionen im Spiel. Einer, der von diesem Geldsegen politisch profitierte, auch weil er sich als sehr fähig in der Verwaltung der Mittel erwies, ist Marco Bucci. Im Juni dieses Jahres wurde der von einem (nur noch für Nicht-Italiener erstaunlichen) Wahlbündnis aus Rechtsradikalen, moderat konservativen Katholiken, der Berlusconi-Partei Forza Italia und den Craxi-Epigonen vom PSI (einst Sozialisten) getragene Ex-Manager als Bürgermeister der Stadt im Amt bestätigt.
Ich besuche Bucci in seinem Büro im Palazzo Tursi, dem Rathaus Genuas. Er sagt im Interview, dass Genua seit vier Jahren wieder wachse. Denn die Zahl der Gemeldeten sei nicht deckungsgleich mit der tatsächlichen Zahl der Bewohner, was aus einem Monitoring der Handydaten hervorgehe. Denen zufolge sei Genua seit vier Jahren von 580.000 auf 660.000 Einwohner gewachsen. Diese Zahlen (denen man mehr oder weniger Glauben schenken mag) schreiben sich für ihn in eine Erfolgsgeschichte ein, die spätestens begann, als unter seiner Leitung die neue Brücke über den Polcevera in Rekordgeschwindigkeit gebaut wurde.
Bucci hat große Pläne und unerhört große Mittel zur Verfügung, um sie umzusetzen. Rund acht Milliarden Euro aus dem „PNRR“, dem italienischen Verteilungsplan der Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds, fließen derzeit in die Kassen der Hafenstadt.

Den Hafen stark machen

Besonders zentral und zugleich spektakulär ist sein Plan, eine neue Außenmole zu bauen, um Containerschiffen der letzten Generation den Zugang zum Hafen zu ermöglichen. Es handelt sich um eines der zehn Schlüsselprojekte der italienischen Regierung, um die nationale Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Von offizieller Seite heißt es, dass der Bau rund eine Milliarde Euro kosten werde und möglichst bis 2026 fertig sein soll.
Die Sache ist sehr umstritten. Der Hafenbauingenieur Piero Silva veröffentlichte im März dieses Jahres ein Gutachten: Solch ein pharaonisches Projekt werde weder eine Milliarde kosten, noch 2026 fertig sein; man müsse mindestens die doppelten Kosten veranschlagen und mit einer Bauzeit von 15 bis 20 Jahren rechnen. Der Meeresboden sei nicht nur in 50 Metern Tiefe, sondern über festem Baugrund liege auch noch eine zehn Meter dicke Lehmschicht. Die akute Gefahr bestehe daher, dass bei der ersten Sturmflut das Bauwerk kollabiere. Noch nie habe jemand ein Projekt dieser Art umgesetzt, und es sei dringend nötig, über Alternativen zu diskutieren. Viel Resonanz bekam er nicht.
Bereits in Bau ist dagegen eine dritte Eisenbahntrasse durch den Apennin nach Mailand, um den Personenverkehr zu beschleunigen und den Güterverkehr auf Schienen auszuweiten. Die Strecke ist Teil des europäischen Entwicklungsprojekts entlang des großen Wirtschaftskorridors Rotterdam-Mannheim-Genua, zu dem auch der Gotthard-Basistunnel gehört. Bis 2025 soll sie zusammen mit einer Ausweitung und Neuordnung des städtischen Eisenbahnknotens fertiggestellt sein; in Genua verspricht man sich davon einen gewaltigen Schub für die die Hafen- und Stadtökonomie.

Zwischen Tradition und Zukunft: genuesisches Ingenieurswesen

Im 19. und 20. Jahrhundert entstanden in Genua und Umgebung viele Maschinenbauunternehmen, die zu den größten und fortschrittlichsten des Landes zählten. Hier wurde die erste italienische Lokomotive gebaut, hier wurde die Piaggio geboren, hier wurden die großen Überseedampfer und Kriegsschiffe des 20. Jahrhunderts zu Wasser gelassen. Aufgrund dieser Tradition sprach man in Genua seit Jahrzehnten darüber, ein ingenieurswissenschaftliches Forschungs- und Entwicklungszentrum zu gründen; eine vorläufige Gestalt hat die Idee erst in den letzten zehn Jahren angenommen.
Auf einem neuen Campus oberhalb der Stahlwerke finden das Istituto Italiano di Tecnologia (ein außeruniversitäres staatliches Forschungsins­titut), Tech-Firmen wie Esaote, Ericsson, Siemens und Cisco zusammen; in vier Jahren soll auch das Institut für Ingenieurswissenschaften der Uni Genua dorthin umziehen. Buchstäblich auf der grünen Wiese stehen bisherzwei Türme an einem Ort, dessen Geschichte exemplarisch für Genua ist. Die Kuppe des Hügels von Erzelli im Westen der Stadt wurde in der Nachkriegszeit beschnitten, um Masse für die Auffüllungen zu gewinnen, die für den Bau der Stahlwerke unten am Meer benötigt wurden. Jahrzehntelang diente die Fläche, die dadurch entstanden war, als Container-Lagerplatz. Nun entsteht dort Genuas Zukunftscampus – auch hier muss sich erst noch zeigen, wie zukunftsträchtig er wirklich ist.

Die versteckte Stadt

„Genua? Da bin ich mal auf die Fähre nach Korsika gestiegen!“, ist in Deutschland immer noch die geläufigste Antwort auf die Frage nach der ligurischen Hauptstadt. Lange dominierte der Ruf des chaotischen Indus­triehafens; in das dunkle und oft schmutzige Gassengewirr der riesigen Altstadt traute sich kaum ein Tourist. Und in der Tat liegt es im Wesen der Stadt, dass sie ihre Pracht anders als Venedig nicht nach außen kehrt, sondern eher für sich behält. In Italien macht man gerne Witze über die gerin­ge Gastfreundlichkeit in Ligurien. Dennoch: Seit gut zwanzig Jahren wächst der Fremdenverkehr kontinuierlich, und diesen Sommer waren die Touristenzahlen in Genua um fast 15 Prozent höher als im Sommer vor der Pandemie.
Roberto Bobbio ist Professor für Urbanistik an der Universität Genua; ich treffe ihn in Sestri Levante, einem Küstenörtchen 40 Kilometer weiter östlich. Der gebürtige Genuese macht sich Sorgen um seine Stadt. Er weint dem überfüllten Genua des Wirtschaftswunders nicht hinterher (Bucci tut das übrigens auch nicht; dass sich die Stadt in Anbetracht ihrer sehr begrenzten territorialen Kapazitäten eher gesundgeschrumpft hat, darin sind sie sich einig). Aber Bobbio befürchtet anders als das Stadtoberhaupt, dass der Abwärtstrend noch lange nicht gestoppt ist, und zukunftsweisende Ansätze sieht er wenige. Er spricht von Genua als „shrinking mind“, einem Ort, der sich immer mehr in alte Denkweisen und Machtstrukturen zurückzieht. Es gebe keine Bereitschaft, die Dinge einmal anders anzugehen.
Bobbio streitet nicht ab, dass der Bürgermeister viel in die Wege leitet, er kritisiert aber den Modus – denn Bucci entscheide im Wesentlichen allein darüber, was mit den Staatsmilliarden passiert. Es gebe keine öffentliche Debatte über die Möglichkeiten, die solche Gelder eröffnen, auch nicht über Varianten eines Projekts. Schon beim Brückenbau seien die Beiträge des Wettbewerbs größtenteils im stillen Kämmerlein begutachtet worden.
Marco Bucci hat mit dem Slogan „La città del fare“ für sich geworben – „Die Stadt des Tuns“. Bobbio sagt: „Gerne, aber bitte mit einer öffentlichen Diskussion darüber, was man tut und wie!“ Seit einiger Zeit sei es so, dass ein Gemeinwesen sich selbst auf dem Markt feilböte und schwer in Vorkasse gehe, um Investoren anzuziehen. Letztere müssten im Gegenzug aber nichts für das Gemeinwesen leisten. Das Projekt „Waterfront di Levante“ beispielsweise bestehe im Wesentlichen darin, dass lombardische Investoren Luxuswohnungen für Mailänder bauten, sagt Bobbio, und das mit einem nicht geringen Teil öffentlicher Gelder.

Porto Antico 2.0

Besagte „Waterfront di Levante“ ist das neueste und größte Prestigeprojekt in Genua. Es handelt sich um die Umgestaltung und Wiederbelebung des Messegeländes an der Mündung des Bisagno ins Mittelmeer. Renzo Piano lieferte den Masterplan mit dem oft gerade von kleineren Konkurrenten kritisierten Taschenspielertrick, den Entwurf der Stadt mit großer Geste zu schenken, bei der Umsetzung aber natürlich trotzdem ordentlich zu verdienen.
Die Gegend der Waterfront ist zentral und dennoch getrennt von der Stadt. Die auf Stelzen stehende Hafenschnellstraße „Sopraelevata“ setzt dort an, und dahinter schießen die mächtigen frühneuzeitlichen Befestigungsmauern der Stadt empor, auf deren Grundlage später in genuesischer Manier eine große Straße und Wohnblöcke gebaut wurden.
Dort, wo die kreisrunde Mehrzweckhalle „Palasport“ und der metallisch blaue Messepavillon von Jean Nouvel stehen, war früher das Meer. Pianos Idee ist, der Stadt das Wasser wiederzugeben, das Meer wieder an die Befestigungsmauern heranzulassen. Deshalb wird nun zwischen Gebäuden und Straße ein Kanal gegraben.
Hochpreisige Wohnungen sollen neben dem Messebau entstehen, und über die (überbaute) Mündung des Flusses hinweg soll ein großer Stadtpark angelegt werden. In den Becken um die künstliche Insel herum soll es einen neuen Yachthafen geben. Auch hier, wie unter Buccis strengem Regiment überall in der Stadt, herrscht ein strammer Zeitplan: Im September 2023 endet die große Segel-Regatta „Ocean Race“ in Genua – bis dahin soll das Wasser in den neuen Hafenbecken stehen. Für die Gebäude gibt es eine Schonfrist bis 2024.

Quo vadis, Superba?

Ist Genua nun eine schrumpfende, stagnierende oder wachsende Stadt? Sehen wir gerade ihre Todeskrämpfe, rasenden Stillstand oder wirklichen Fortschritt? Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, um das zu beurteilen; in zehn Jahren dürfte man das klarer sehen können. Unübersehbar ist, dass es großen Wohlstand in der Stadt gibt; selbst die Bausubstanz in den westlichen Arbeitervierteln Sampierdarena und Sestri Ponente erfreut sich bester Gesundheit und allerorten verspürt man viel Vitalität auf der Straße. Dem Klischee einer leergefegten, trostlosen Ex-Industriemetropole wie Liverpool oder Detroit entspricht Genua nicht im Geringsten.
Ob sich die Wirtschaft jedoch in dem Sinne erholt, dass sie die Stadt auch ohne massive staatliche Subventionen am Leben halten kann, der Stadtgesellschaft in ihrer gesamten Breite Perspektiven eröffnet und nichtnur wenige Immobilienbesitzer, Hafenunternehmer und Hoteliers ernährt, das ist alles andere als ausgemacht. Das wiederum hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich die Genuesen und Italiener für mehr oder für weniger Demokratie entscheiden.

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