Bauwelt

Guilty Pleasures

Die Welterbestätte Völklinger Hütte zeigt Filminstallationen vom deutschen Filmkünstler und Regisseur Julian Rosefeldt, die das spannungsreiche Leben in der Konsumgesellschaft reflektieren.

Text: Groteclaes, Julia, Berlin

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Hin da! Filmstill aus „Euphoria“ von Julian Rosefeldt.
Foto: Künstler

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Hin da! Filmstill aus „Euphoria“ von Julian Rosefeldt.

Foto: Künstler


Guilty Pleasures

Die Welterbestätte Völklinger Hütte zeigt Filminstallationen vom deutschen Filmkünstler und Regisseur Julian Rosefeldt, die das spannungsreiche Leben in der Konsumgesellschaft reflektieren.

Text: Groteclaes, Julia, Berlin

New York, zweitausend-irgendwann. Ein Taxi fährt durch die nächtliche Großstadt. Tonnen brennen, ein weißes Pferd kreuzt die Straße, das Taxi macht einen Salto. Unbeeindruckt steuert der Taxifahrer, gespielt von Giancarlo Esposito, seinen schweigsamen Fahrgast durch die Dys­topie. Gelassen bewegt er den Wagen und hält einen kritischen Monolog über die Unmöglichkeit, in einer rastlosen, gierigen Welt menschlich zu sein. „Honesty, understanding and feeling are directly associated with failure.“ Seine Mundwinkel verraten einen Hauch von Amüsement, seine Stimme ist voll und nachdrücklich.
Die einzelne Szene wird zum Ensemble, denn es folgt eine Anordnung von cineastischen Schauplätzen, zentralperspektivischen, imposanten Kameraeinstellungen, überzeugenden Predigten und metaphorischen Sinnbildern. Große Worte von Denkern, Philosophen, Politikern und Künstlern werden durch „kleine Leute“ wiedergegeben. Zitiert werden unter anderem Edward Abbey, die Rolling Stones, Barack Obama und die Bibel. Jugendliche sitzen in einer verlassenen Bahnhofshalle und philosophieren über das Leben, Frauen am Fließband eines Logistikzentrums diskutieren über Ungleichheiten, Obdachlose auf dem Gelände einer Schiffswerft treten in einen Schlagabtausch über Kapital, Moral und Staatskontrolle, Bankangestellte in der Schalterhalle besingen die Anziehungskraft des Geldes und entladen ihre Ekstase in einer Ballettchoreographie, aufgefangen durch das Schlusswort eines animierten Tigers, der durch die vollen Gänge eines Supermarkts flaniert und alles Gesehene mit den Gesang „we laugh with joy“ krönt. In seiner knapp zweistün­digen Film-Installation „Euphoria“ treibt der Künstler Julian Rosefeldt die Perversität einer kapitalistischen Welt auf die Spitze. Ein Erleb­nis in Dauerschleife.
Zu sehen ist die Ausstellung in Völklingen, im wohl stolzesten Aushängeschild des Ortes, dem Weltkulturerbe „Völklinger Hütte“, einem aufgelassenen Stahlwerk. Ähnlich symbolträchtig, wie die Arbeit des Künstlers selbst, hängen in der großen Gebläsehalle zwischen den Schwung- rädern, die einst die Hochöfen beatmeten, siebenLeinwände, die Rosefeldts Film-Installationen der letzten Jahre unter dem Titel „When We Are Gone“ zeigen.
„Euphoria“ ist das Herzstück der Ausstellung. Das Spektakel auf der Leinwand wird durch einen Kinderchor untermalt, der in einer 360-Grad-Anordnung den Raum akustisch umschließt. Brav wiederholen die Kinder die bereits rezipierten Aussagen der Filmfiguren. Ihre Stimmen bleiben zahm und verlieren durch den sanften Klang jeglichen aktivistischen Charakter. Fünf weitere Leinwände zeigen Schlagzeuger. Mal begleiten diese die Stimmung des Films, mal halten sie voller Kraft, Lautstärke und Talent gegen die Harmonie der Kinderstimmen. Und inmitten all dessen sitzen die Besucher auf dem Boden. Kissen laden sie dazu ein, es sich als Beobachter gemütlich zu machen, bis jeder merkt, die eigentliche stille Hauptfigur der Vorführung selbst zu sein. Rosefeldt führt uns an die eigene Ambivalenz heran, dem so leicht zu kritisierenden Kapitalismus oftmals doch mit Euphorie und Faszination zu folgen.
Rosefeldts Gesten sind groß, seine Inszenierung und Bildgestaltung gewaltig – doch wann wird die Predigt zur Küchentischphilosophie? Muss Kunst elitär sein und die Aussage subtil? Auf einer Skala von Einfachheit bis Raffinesse bietet uns Rosefeldt auf ergreifende Weise die Erkenntnis über das eigene Schwachwerden – ob vor leicht konsumierbarer Emotionalität oder dem Konsum an sich.

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