Bauwelt

Auditorium in Illueca


Magén Arquitectos haben bei Saragossa ein Auditorium gebaut – nicht als Magnet für Auswärtige, sondern für die Einwoh­ner. Charmant fügt sich das Gebäude in die Kleinstadt.


Text: Gómez-Moriana, Rafael, Barcelona


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    Der rote Klinker ist eine Bezugnahme auf die Farbgebung der ortstypischen Bebauung ...
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der rote Klinker ist eine Bezugnahme auf die Farbgebung der ortstypischen Bebauung ...

    Foto: Rubén P. Bescós

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    ... und das Töpferhandwerk.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    ... und das Töpferhandwerk.

    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der Palast des Gegenpapsts Benedikt XIII. thront über dem Ort.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der Palast des Gegenpapsts Benedikt XIII. thront über dem Ort.

    Foto: Rubén P. Bescós

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    Im Foyer kommen kontextbezogene und individuelle Aspekte des Konzepts zum Tragen: Zum einen faltet sich der Eingang vermittelnd in den Stadtraum, zum andern schmückt die Hülle aus Glas und Lochraster den hohen Empfangsraum selbstgenügsam modern mit Sonnenlicht.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Im Foyer kommen kontextbezogene und individuelle Aspekte des Konzepts zum Tragen: Zum einen faltet sich der Eingang vermittelnd in den Stadtraum, zum andern schmückt die Hülle aus Glas und Lochraster den hohen Empfangsraum selbstgenügsam modern mit Sonnenlicht.

    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der Innenraum des Entrées ist doppelhoch.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der Innenraum des Entrées ist doppelhoch.

    Foto: Rubén P. Bescós

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    Die durchbrochene Vorhangfassade erzeugt je nach Tageszeit ein Lichspiel zwischen innen und außen.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Die durchbrochene Vorhangfassade erzeugt je nach Tageszeit ein Lichspiel zwischen innen und außen.

    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der Saal in seiner holzgetäfelten Ausstattung ist bewusst als Gegenpol zu den Vorräumen und den dort dominierenden rohen Oberflächen gestaltet.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Der Saal in seiner holzgetäfelten Ausstattung ist bewusst als Gegenpol zu den Vorräumen und den dort dominierenden rohen Oberflächen gestaltet.

    Foto: Rubén P. Bescós

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    Die Musikschule liegt unter dem Aufführungssaal und ist vom Erdgeschoss einsehbar – ...
    Foto: Rubén P. Bescós

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    Die Musikschule liegt unter dem Aufführungssaal und ist vom Erdgeschoss einsehbar – ...

    Foto: Rubén P. Bescós

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    ... inszeniert wie auch die Nachbarschaft.
    Foto: Rubén P. Bescós

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    ... inszeniert wie auch die Nachbarschaft.

    Foto: Rubén P. Bescós

Zu den Problemen, mit denen Spanien heute konfrontiert ist, gehört die fortschreitende Ent­völ­kerung der küstenfernen ländlichen Gebiete. Mit der Verdrängung der traditionellen Land­wirtschaft durch die Hightech-Agrarindustrie schrumpfen Spaniens Kleinstädte und Dörfer; die Jungen zieht es, auf der Suche nach besseren Chancen, in die Städte, während den älte­-ren Bewohnen das Leben durch die Schließung von öffentlichen Einrichtungen, Geschäften und das Wegfallen von Nahverkehrsverbindungen zunehmend erschwert wird. Manche Dörfer wurden bereits ganz aufgegeben und haben sich in regelrechte Geisterstädte verwandelt, in denen die Gebäude nach und nach verfallen. Andere – die mit bedeutenden historischen Gebäuden gesegnet sind oder in besonders schönen Landschaften liegen – haben Rettung im Tourismus gefunden, mit den Schwerpunkten Kulturerbe, Gastronomie oder Freizeitsport. Doch obwohl der Tourismus Arbeitsplätze schafft, zerstört er oft auch regionale Traditionen und verdrängt die lokale Bevölkerung, wie es beispielsweise auf Ibi­za geschehen ist. Wie lässt sich das verhindern?
Illueca, ein landwirtschaftlich geprägtes Städtchen in der Provinz Saragossa ist ein Paradebeispiel für diese Misere des ländlichen Raums in Spanien, seine Bevölkerung ist in den letzten zwei Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen, doch hier findet sich auch ein Ansatz zur Veränderung. Wie viele andere Städte hat sich auch Illueca dem Tourismus zugewandt. Der berühmteste Sohn der Stadt ist Pedro Martínez de Luna y Gotor oder Pedro de Luna – bekannt unter dem Namen Benedikt XIII. als Gegenpapst der Jahre 1394 bis 1423. Das Schloss von „Papa Luna“ wurde erst kürzlich in ein Hotel umgewandelt. Doch nun hat sich die Stadt auch mit einem Gebäude für die Einheimischen hervorgetan: Im historischen Stadtkern, am Standort eines vor einigen Jahren aufgegebenen Kinos, befindet sich das neue Auditorium.
Das Gebäude ist das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs, den die Stadtverwaltung 2017 mit dem Ziel ausgeschrieben hatte, das kulturelle Leben in der Region wieder herzustellen. Da­zu erklärt Bürgermeister Ignacio Herrero: „Wir haben festgestellt, dass die Leute immer öfter bis nach Saragossa fahren, nur um abends auszugehen. Mit dem neuen Theater soll das lokale Kulturangebot gestärkt werden, und zusammen mit den hiesigen Bars und Restaurants können die Bürgerinnen und Bürger die Kultur näher an ihrem Zuhause genießen.“
Das Auditorium dient als Veranstaltungsort für Theater, Konzerte und Filmvorführungen und beherbergt auch eine Musikschule sowie einen Übungsraum für einheimische Musiker (darun­ter eine lokale Hardrockband). Den Wettbewerb gewann das in Saragossa ansässige Büro Magén Arquitectos, das von den Brüdern Jaime und Francisco Javier Magén geleitet wird. Ihr Entwurf vervollständigt einen unregelmäßig geformten Stadtblock mit einer Anordnung von vier unterscheidbaren Baukörpern. Sie enthalten ein Foyer, einen Aufführungssaal, den dazugehö­rigen Bühnenturm und Servicebereiche. Da alle von unterschiedlicher Größe und Höhe sind stellen sie eine morphologische Kontinuität mit dem fragmentierten und heterogenen, organisch gewachsenen Kontext her.
Der höchste Körper, der Bühnenturm, grenzt an die vierstöckige Außenwand eines benachbarten Wohngebäudes. Die beiden niedrigsten Baukörper, Foyer und Servicebereiche, befinden sich an zwei Ecken einer Straße, in ihrer Mitte fassen sie das mittelhohe Auditorium. So ergibt sich ein unregelmäßig abgestuftes Gebäudeprofil, das mit der Umgebung und dem nach Süden abfallenden Gelände harmoniert. Jedes Volumen schließt mit einem flachen Satteldach ab – jedes in eine andere Richtungen geneigt, so dasssich die fragmentierte Gebäudemasse subtil in die umgebende Dachlandschaft einfügt.
Auch die Topographie des Standortes ist unregelmäßig. Das Gelände weist einen Höhenunterschied von 2,5 Metern auf, wobei die Gebäudeeingänge so positioniert sind, dass sie den jeweiligen Vorteil nutzen: Der Haupteingang an der südöstlichen Ecke, an einer Kreuzung gelegen, bildet die Nullebene des Bauwerks. Die Bühne und ihre Außentür befinden sich am höchsten Punkt des Areals, an der nordöstlichen Ecke, die an die Wand zum benachbarten Wohnhaus grenzt. Die Musikschul- und Übungsräumen wiederum werden über das Untergeschoss erschlossen, der Zugang erfolgt über den tiefsten Punkt in der südwestlichen Ecke. Hier befindet sich auch der Notausgang.
Die fragmentierte Masse, die Dachlandschaft und die topografische Einbindung des Audito­riums deuten auf einen sehr kontextbezogenen Ansatz der Architekten hin. Die Ausformung jedoch ist zeitgenössisch: So ist etwa der Eingangsbereich einerseits in das Gebäude hineingefaltet, andererseits von einem Paravent aus Backsteingitter beschirmt, der in den Stadtraum ragt. Das Mauerwerksgitter erzeugt raffinierte Effekte: Tags tanzen die Sonnenstrahlen auf den Wänden im Inneren. Nachts wird die auskragen­de Ecke über dem Eingang von innen beleuchtet und wirkt wie ein Theaterzelt. Architekt Jaime Magén erklärt: „Die Gesamtform des Auditoriums ist traditionell, Details wie die Auskragung sind dagegen modern. Ein Gleichgewicht zwischen beidem ist notwendig.“
Gitter aus Ziegeln dienen auch als Sichtschutz für mehrere Fenster des Gebäudes und verdecken die Klimaanlagen auf dem Dach. Die Wände des Foyers, Übergangsbereich zwischen Straße und Auditorium, sind mit demselben Klinker verkleidet wie die Fassaden, hier allerdings mit ausgedehnten Bereichen aus seitwärts gedrehten Lochziegeln, die auf schallabsorbierendem Material liegen. Durch die Installation einer akustisch wirksamen Innenwand konn­te auf den Einbau einer abgehängten Decke verzichtet und die Unterseite der Betondachplatte sichtbar gelassen werden. Das Innere des Auditoriums hingegen ist mit Buchenholz-Wandpaneelen und einer Abhangdecke aus Gipskarton verkleidet. Sie ahmt, gefaltet und geneigt, das darüber liegende Schrägdach nach. Das brutalistische Foyer und das elegante Auditorium bilden wirkungsvoll Gegenpole.
Unter dem Auditorium verbirgt sich die Musikschule, die über einen Seiteneingang von der Straße zugänglich ist. Sie ist jedoch nicht vom Rest der Anlage abgeschnitten, sondern kann von oben durch ein Fensterband eingesehen werden. Die sich nach oben auffächernden Stützen, auf denen der Saal ruht, und dessen schräge Unterseite verleihen dem Raum ein konstruk­tivistisches Moment mitten in der aragonischen Halbwüste.
Das Auditorium von Illueca verbindet städtebauliche Maßstäblichkeit mit moderner Tek­tonik, und steht damit in einer spezifisch iberischen Architekturtradition. Diese geht auf die Arbeiten von Architekten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zurück, etwa von Alejandro de la Sota oder Jose Antonio Coderch, und setzt sich in vielen zeitgenössischen Arbeiten fort. Dadurch lässt sich vielleicht erklären, weshalb in den sechziger und siebziger Jahren die postmoderne Revolte gegen den Modernismus im übrigen Europa und in Nordamerika in Spanien, wo die CIAM-Doktrin weniger stark Fuß gefasst hatte, viel verhaltener verlief. Erst mit dem Boom der Nullerjahre begannen in Spanien groß angelegte Megaprojekte zu entstehen – damals noch unter dem Etikett der „ikonischen Architektur“.
Der getarnte Urbanismus des Auditoriums von Illueca ist Ausdruck einer zunehmenden Ablehnung der Tendenz, spanische Städte mit so genannten Signature Buildings wiederzubeleben. Der Bilbao-Effekt hat zwar einmal Wunder gewirkt, aber taugt nicht als Blaupause – für San­tiago de Compostela, Valencia und Oviedo war des Prinzip katastrophal.
Interessanterweise war in einem früheren Plan zur Wiederbelebung von Illueca der Bau eines Konferenzzentrums angeregt worden – eine Einrichtung, die hauptsächlich für Besucher und nicht für Einheimische gedacht gewesen wäre. Das Auditorium von Illueca hingegen ist eindeu­tig für die regionale Bevölkerung bestimmt und soll die lokale Kreativität und Kultur fördern. Es wurde nicht als losgelöstes skulpturales Objekt konzipiert, das man aus der Ferne bewundern kann, sondern als ein Gebäude, mit dem man sich aus der Nähe emotional verbunden fühlt. Es ist hautnah und persönlich wie das Leben in einer Kleinstadt selbst.
Aus dem Englischen von Beate Staib



Fakten
Architekten Magén Arquitectos, Saragossa
Adresse C. Huesca, 14, 50250 Illueca, Zaragoza, Spanien


aus Bauwelt 4.2023
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