Circl Pavillon in Amsterdam
Der Keller war schon betoniert, da entschied sich der Bauherr für eine radikale Umplanung – nach ökologischen Maßstäben. Wiederverwendete Glaswände, Kabeltunnel und Abwasserleitungen, das Holz für das Parkett stammt aus einem Kloster, die Wand- und Deckenisolierung besteht aus alten Jeans. Nichts ist für die Ewigkeit gebaut, auch nicht dieses Mehrzweckgebäude im Amsterdamer Süden.
Text: Bokern, Anneke, Amsterdam
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Das Gebäude liegt auf dem Platz Gustav Mahlerplein im Finanzviertel der Stadt.
Foto: Ossip van Duivenbode
Das Gebäude liegt auf dem Platz Gustav Mahlerplein im Finanzviertel der Stadt.
Foto: Ossip van Duivenbode
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Dachgarten mit Bar.
Foto: Ossip van Duivenbode
Dachgarten mit Bar.
Foto: Ossip van Duivenbode
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Die begrünte Rückseite des Pavillons.
Foto: Ernst van Raaphorst
Die begrünte Rückseite des Pavillons.
Foto: Ernst van Raaphorst
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Blick in das Untergeschoss, das auf eine frühere, verworfene Planung zurückgeht.
Foto: Ossip van Duivenbode
Blick in das Untergeschoss, das auf eine frühere, verworfene Planung zurückgeht.
Foto: Ossip van Duivenbode
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Die Möbel stammen aus anderen Standorten des Bauherren.
Foto: Ossip van Duivenbode
Die Möbel stammen aus anderen Standorten des Bauherren.
Foto: Ossip van Duivenbode
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Pavillon vor dem Hochhaus der Bank ABN Amro.
Foto: Ossip van Duivenbode
Pavillon vor dem Hochhaus der Bank ABN Amro.
Foto: Ossip van Duivenbode
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Viele der Gebäude des Viertels entstanden in den letzten Jahren.
Foto: Ossip van Duivenbode
Viele der Gebäude des Viertels entstanden in den letzten Jahren.
Foto: Ossip van Duivenbode
Der Pavillon The Circl steht mitten im Amsterdamer Finanzdistrikt Zuidas. Auf den ersten Blick scheint der Standort absurd für ein Aushängeschild der Nachhaltigkeit, denn umringt wird der Bau ausgerechnet von Hochglanz-Hochhäusern, genutzt von Banken, Anwaltskanzleien und internationalen Finanzdienstleistern. Auch viele Briefkastenfirmen sind hier gemeldet: Die Niederlande sind bekanntlich ein Offshore-Standort. Das 1999 fertiggestellte Hochhaus der niederländischen Bank ABN Amro fügt sich nahtlos in diesen Kontext. Es steht am Gustav Mahlerplein, dem zentralen Platz des Gebiets, der auch als Vorplatz des Bahnhofs Zuid WTC dient. Lange grenzte nur der geschlossene Sockelbereich des Hochhauses an den Platz – bis der Circl-Pavillon errichtet wurde.
Das Projekt wurde einerseits aus Platznot im Bürohochhaus geboren, andererseits lagen ihm auch städtebauliche Erwägungen zugrunde: Pi de Bruijn, Supervisor des Zuidas-Gebiets, wollte an dieser Stelle schon langein Gebäude haben, das den Platz abschließt. Als der Bahnhof Zuid WTC erweitert und damit eine neue Fahrradgarage unter dem Mahlerplein notwendig wurde, packte man die Gelegenheit beim Schopf. Wenn der Platz ohnehin aufgerissen wurde, konnte man auch gleich den gewünschten Mehrzweck-Pavillon bauen. Dieser sollte zwar in erster Linie von Bankangestellten genutzt werden, um Meetings abzuhalten, zu Mittag zu essen oder sich zum After-Work-Drink zu treffen, aber auch für Nachbarn und Passanten zugänglich sein.
Den Auftrag erhielt das Büro de Architekten Cie., das unter anderem von Pi de Bruijn geleitet wird. Unter der Leitung von Projektarchitekt Hans Hammink entstand ein Entwurf für einen Bankpavillon mit Betonkonstruktion, kupferverkleideten Fassaden sowie viel Glas und Marmor. Im Sommer 2015 begann der Bau. Doch
als die Gründungspfähle bereits in den Boden gerammt und der Keller betoniert war, beschloss die Bank plötzlich einen Kurswechsel. Ein konventioneller Bau entsprach nicht mehr den grünen Ambitionen von ABN Amro, die kurz zuvor festgelegt hatte, dass alle von ihr finanzierten Bauprojekte minimal Energielabel A haben müssen. Stattdessen sollte nun ein nachhaltiges Gebäude entstehen, das als gebaute Visitenkarte für die Nachhaltigkeitsbestrebungen fungieren konnte. Der Bau wurde stillgelegt – und die Architekten mussten umplanen.
Glücklicherweise hatte kurz zuvor ein neuer Mitarbeiter im Büro angefangen, der seine Diplomarbeit an der TU Delft über zirkuläres Bauen und Entwerfen geschrieben hatte. Mit seiner Hilfe untersuchte das Büro die Möglichkeiten und erstellte innerhalb von zwei Wochen eine Präsentation. Formal änderte sich nicht viel am Entwurf, aber die gesamte Materialisierung wurde umgeworfen. Fortan wurde der Entwurf schrittweise auf Basis der verfügbaren Materialien entwickelt, wobei Zirkularität und kurze Transportwege die wichtigsten Kriterien bildeten. So wurden schon in der Entwurfsphase die Möglichkeiten für eine verlustfreie Demontage bei einem zukünftigen Abbau des Pavillons einkalkuliert. Die Konstruktion aus niederländischem Lärchenholz sowie die Aluminium-Fassadenpaneele können wiederverwendet werden: Alles ist kalt montiert und verschraubt, aber nicht geleimt.
The Circl öffnet sich über große Glasfassaden zum Platz. Beim Betreten liegt zur Rechten das Restaurant mit Zwischengeschoss, zur Linken ein Multifunktionsbereich für Veranstaltungen. Von der Decke hängende, bewegliche Trennwände und Podien mit integrierten Pflanzkübeln sorgen für eine flexible Raumeinteilung. Innen wie außen kamen Materialien und Elemente zum Einsatz, die bereits ein früheres Leben hinter sich hatten. So besteht das Parkett aus Restholz aus einem alten Kloster und der Bar eines Fußballclubs, und die Bodenfliesen in Küche und Toiletten sind aus recyceltem Beton gefertigt, in den phasenwechselnde Materialien integriert sind. Die Isolierung in Wänden und Decken wurde aus 16.000 faserisierten alten Jeanshosen hergestellt und zwischen recycelten Aluminiumprofilen und Streckmetallpaneelen angebracht.
Im Untergeschoss reihen sich entlang eines Korridors mehrere Konferenzräume mit insgesamt 2000 m2 Fläche. Die Konstruktion des 4,80 m hohen Kellergeschosses stammt noch aus der ersten Phase des Projekts und besteht deshalb aus gewöhnlichem Beton. Dafür wurden im Nachhinein Blendmaterialien vermieden und die Decke nicht abgehängt, sodass alle Leitungen sichtbar sind. Die Wände der Konferenzräume sind mit einem Akustikputz versehen, der aus alten Bankuniformen gemacht wurde; die Tropenholzrahmen ihrer zum Korridor orientierten Glasfronten stammen aus einem Philips-Büro in Hilversum, und die Möbel wurden an anderen ABN-Amro-Standorten ausgemustert. Für Nichteingeweihte ist der Recycling-Charakter jedoch nirgends augenfällig – mit Ausnahme der Café-Bar, die aus alten Bankschließfächern gebaut ist.
Die Liste der wiederverwendeten Materialien und Gegenstände nimmt schier kein Ende. Selbst Feuerwehrschläuche, Abwasserleitungen und Kabeltunnel stammen aus zweiter Hand. Beim Aufspüren half eine Urban-Mining-Agentur. Alle verwendeten Materialien sind in einem digitalen Open-Source-Gebäudepass festgehalten – ähnlich einem BIM-Modell, in dem jedes Element mit Herkunftsangabe und Wiederverwertungsoptionen versehen ist. Zweifelhaft ist nur der ökologische Nutzen davon, dass der Aufzug nicht gekauft, sondern geleast ist und nach zehn Jahren an den Hersteller zurückgeht. Außen präsentiert sich The Circl nicht nur transparent, sondern auch sehr grün. Hinter dem Pavillon führt eine breite Treppe – gemacht aus halbierten belgischen Kopfsteinpflastersteinen und bestückt mit Pflanzkübeln aus wiederverwendetem Cortenstahl – auf den Dachgarten mit Rooftop-Bar und 500 Sonnenpaneelen. Die Seitenwand der Treppe ist komplett begrünt und geht in den Garten zwischen Pavillon und dem Bankhochhaus über. Dort sickert das Regenwasser durch die Bepflanzung in eine unterirdische Zisterne und wird dann zum Spülen der Toiletten und Bewässerung des Gartens genutzt.
Auch wenn manches Element des Gebäudes etwas gimmickhaft und nur für das grüne Image gewählt wirkt, The Circl ist vermutlich bislang das Projekt in den Niederlanden, in dem das Prinzip der Kreislaufwirtschaft am konsequentesten umgesetzt wurde – und das ohne ökoexhibitionistische Ästhetik. Interessant wird sein, ob der Pavillon international Nachfolger finden oder lediglich das gebaute Marketingkonzept einer Großbank bleiben wird.
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