Bauwelt

Ganspoel in Huldenberg


In Huldenberg, zwanzig Kilometer östlich von Brüssel, hat das Antwerpener Büro Collectief Noord letzten Sommer drei Wohnhäuser für Menschen mit Seh- und Mehrfachbehinderung fertiggestellt.


Text: Kraft, Caroline, Berlin


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    Kuhglocken, Blumenwiesen, milder Wind. Menschen mit Sehbehinderung erfahren Ganspoel vorwiegend akustisch, olfaktorisch und haptisch.
    Masterplan im Maßstab 1:3333

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    Kuhglocken, Blumenwiesen, milder Wind. Menschen mit Sehbehinderung erfahren Ganspoel vorwiegend akustisch, olfaktorisch und haptisch.
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    Die Bauten unterscheiden zwischen privaten und
    halböffentlichen Zonen. Zwischen den Gebäudeteilen bieten Freiflächen
    öffentlichen Begegnungsraum.

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    öffentlichen Begegnungsraum.

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    Maximal sechs Schlafzimmer liegen auf einem Flur. Kleinteiligkeit und somit Individualisierung der Pflege ist ein Schwerpunkt des Entwurfs.
    Grundriss 1. Obergeschoss im Maßstab 1:500

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    Maximal sechs Schlafzimmer liegen auf einem Flur. Kleinteiligkeit und somit Individualisierung der Pflege ist ein Schwerpunkt des Entwurfs.
    Grundriss 1. Obergeschoss im Maßstab 1:500

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Der Komplex ist in sechs betreute Wohngruppen unterteilt und inzwischen zu zwei Dritteln bewohnt.
Zusammen wohnen – es ist stets ein Kompromiss. (Innen-)Architektur hat großen Anteil am Gelingen oder Scheitern des Vorhabens. Können die Bewohnerinnen eines Objekts allerdings nicht selbstbestimmt entscheiden, ob sie einziehen – und mit wem, ist ihr Anteil umso wichtiger. Die Architektur von Pflegeeinrichtungen muss die Versorgung der Anwohner gewährleisten und die Arbeit der Pflegekräfte unterstützen, noch besser: erleichtern – folglich auch das gemeinsame Wohnen.
An einer belgischen Landstraße außerhalb der Gemeinde Huldenberg liegt, mit Weitblick auf die Wiesen der Region Dijleland, das Centrum Ganspoel. Bereits seit 2012 gibt es einen Masterplan für das gesamte Areal, ausgearbeitet von 360 architecten aus Gent, dem Löwener Ingenieurbüro Daidalos Peutz und dem Landschafts­architekten Bas Smets aus Brüssel. Mehrere Wohngruppen für Menschen mit Seh- und Mehrfachbehinderung, ein Kindergarten und eine Schule mit Schwerpunkt auf Sonderpädagogik befinden sich auf dem Gelände. Das Zentrum berät außerdem Lehrkräfte anderer sonderpädagogischer Einrichtungen.
Kein anderes der damals geplanten Gebäude ist heute realisiert, was sich noch ändern könnte – zusätzlich zu den im Sommer letzten Jahres fertiggestellten Wohneinheiten vom Architekturbüro Collectief Noord sollen auch alle anderen Einrichtungen neu erbaut werden. Inwiefern der Plan umgesetzt wird, ist noch nicht entschieden.
Collectief Noord konnten mit ihrem Entwurf den vom Centrum Ganspoel ausgelobten Wettbewerb gewinnen. Auf Grundlage des bestehenden Masterplans war eine Wohngruppe für Menschen mit Sehbehinderung zu entwickeln. Im Laufe der Bearbeitung kamen Stärken und Schwächen des Geplanten zutage: Im Zentrum des Gebiets waren öffentlich genutzte Strukturen, am Rand die Wohngruppen vorgesehen, doch ihre Kubatur wäre für den Zweck des Wohnens absolut ungeeignet. Im abschüssigen Erdboden stecken an den Außenbereichen des Areals je drei Kuben auf verschiedenen Höhen. Weder wären die Körper untereinander, noch mit ihrer Umgebung verbunden. Zusätzlich hätte die Erschließung für Menschen im Rollstuhl nur über lange, teils serpentinenartig verlaufende Rampen im Außenbereich funktioniert. Ob das mit Barrierefreiheit gleichzusetzen ist, ist fraglich – Collectief Noord haben im Gegensatz dazu mit ihrem Entwurf früher angesetzt. Durch eine Anpassung der Topografie gibt es lediglich zwei Höhenniveaus im Außenraum, Erschließungsrampen werden nur punktuell eingesetzt.
In der ersten Entwurfsphase sprachen die Architekten mit den Pflegekräften. Auch in Belgien herrscht Pflegenotstand, in Wohngruppen kann vor allem nachts eine gute Betreuung nicht immer gewährleistet werden. Damit und mit verschiedensten Ansprüchen der Bewohner muss die Architektur der neuen Einrichtung für Centrum Ganspoel umgehen können. Das tut sie beispielsweise durch das Angebot öffentlicher, privater und halböffentlicher Zonen. Dass das Centrum ein Ort zum Wohnen ist, lies der Masterplan schwerlich erkennen.
Collectief Noord entwarfen ebenso drei zweigeschossige Baukörper. Tritt man als Besucherin von der höhergelegenen Landstraße an das Haus heran, offenbart sich die Raffinesse des Entwurfs beim Blick durch eine der Fensteröffnungen in der gebäudehohen Ziegelwand. Wie eine schützende, leicht angewinkelte Hand verbindet sie die mittlere und westlich gelegene Wohngruppe miteinander und erweckt den Eindruck, es handle sich um nur ein angeschlossenes Gebäude. Die Spitzen der keilförmigen Volumina mit Terrassen sind zueinandergedreht und erzeugen einen gemeinsamen Außenraum. Von den Architekten „Klostergarten“ genannt, fungieren die zwei Plätze zwischen den Einheiten als Begegnungsort.
Die Organisation der Grundrisse ist einheitlich: im Herzen jeder Wohngruppe liegt der „serving core“ mit Sanitärräumen für Pflegekräfte und Abstellräumen, an den Längsfassaden befinden sich vier bis sechs Schlafzimmer. So entsteht nicht der Eindruck eines Wohnheims – die Flure sind kompakt und kein bewohntes Zimmer liegt direkt einem anderen gegenüber. An die überdachten, pavillonartigen Terrassen grenzen die jeweiligen Gemeinschaftsbereiche, Collectief Noord tauften sie „Gartenhäuser“. Das Tragwerk besteht aus einer freigelegten Beton-Skelettstruktur; falls in Zukunft eine Raumunterteilung notwendig wird, können Vorhänge angebracht werden. Auch auf den Korridoren ist das Beton-Stützwerk teils sichtbar, die Innenwände sind nicht tragend. Eine Sanierung beziehungsweise Nutzungsanpassung soll gut möglich sein und einem Abriss entgegenwirken können.
Während des Entwurfprozesses einer Pflegeeinrichtung ist zu bedenken, dass Mobiliar und Objekte wie Pflegebetten und Rollstühle den Innenraum prägen werden. So sind viele Architekturen dieser Bauaufgabe zurückhaltend, bestenfalls zweckdienlich, schlimmstenfalls charakterlos und ohne Anspruch den Bewohnerinnen und Pflegekräften gegenüber. Collectief Noord haben einen hochwertigen Innenraum nach mensch­lichem Maßstab geschaffen, der seiner Einrichtung kraftvoll einen Rahmen anbietet.
Dabei stand immer auch der Anspruch im Vordergrund, den Wohngruppen ebendiesen Charakter zu geben: Sie sind für bis zu sechzig Menschen dauerhaftes Zuhause. Im Innenflur verläuft die Decke in Anlehnung an ein Hausdach angeschrägt, sind die Fliesen zum Schutz vor Rollstuhl-Spuren im unteren Wandbereich rostrot lasiert und markieren tannengrüne Türlaibungen die Zimmer der Bewohner. Mehrere Atrien, vorwiegend an die Gemeinschaftsräume angeschlossen, bringen direktes Tageslicht in den Innenraum und schaffen räumliche Bezüge zu den anderen Wohngruppen.
In Flandern wurden in den letzten Jahren einige gelungene Pflegehäuser realisiert. Wie sich das Huldenberger Areal baulich verändern wird, ist abzuwarten. Die neuen Wohneinheiten geben zumindest Hoffnung auf ein ernsthaftes Inter­esse, dass das Gesamtprojekt Ganspoel gelingt.



Fakten
Architekten Collectief Noord, Antwerpen
Adresse RH5F+4HJ Huldenberg, Belgien


aus Bauwelt 15.2023
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