Bauwelt

Museum des Glaubens in der Bischofsburg


Das „Auckland Project“ will die Bergarbeiterstadt Bishop Auckland revitalisieren. Neueste Attraktion ist das Faith Museum von Niall McLaughlin Architects.


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Hinter dem Burgtor ragt der ebenfalls vom Büro Niall McLaughlin geplante Aussichtsturm auf.
    Foto: Nick Kane

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    Hinter dem Burgtor ragt der ebenfalls vom Büro Niall McLaughlin geplante Aussichtsturm auf.

    Foto: Nick Kane

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    Der langgestreckte Baukörper erinnert an historische Scheunen und bildet den Übergang ...
    Foto: Nick Kane

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    Der langgestreckte Baukörper erinnert an historische Scheunen und bildet den Übergang ...

    Foto: Nick Kane

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    ... zu den Wirschafts gebäuden des Palasts.
    Foto: Nick Kane

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    ... zu den Wirschafts gebäuden des Palasts.

    Foto: Nick Kane

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    Im Inneren überrascht die filigrane Dachkonstruktion, ...
    Foto: David Valinsky

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    Im Inneren überrascht die filigrane Dachkonstruktion, ...

    Foto: David Valinsky

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    ... die an den feingliedrigen Aussichtsturm am Marktplatz erinnert.
    Foto: Architekten

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    ... die an den feingliedrigen Aussichtsturm am Marktplatz erinnert.

    Foto: Architekten

Bishop Auckland trägt seine Besonderheit schon im Namen. Das 24.000-Einwohner-Städtchen im Nordosten Englands ist bekannt als Sitz der Bischöfe von Durham und blickt als solcher auf eine bedeutende Geschichte zurück – der „Prince Bishop of Durham“ war lange Zeit eine Art „Nebenkönig“, ausgestattet mit erheblicher weltlicher Macht, die so weit reichte, dass er eigene Armeen aufstellen konnte, um die Nordgrenze des Landes gegen die Schotten zu sichern. Solange er sich dem „richtigen“ König gegenüber loyal verhielt, konnte der Bischof weitgehend unbehelligt von London schalten und walten. Noch heute ist der Inhaber dieses Amtes Mitglied des House of Lords und einer der drei Bischöfe, die die neue Königin oder den neuen König bei der Krönungszeremonie begleiten.
Wer nach Bishop Auckland kommt, spürt davon erst mal wenig. Vom Bahnhof die Newgate Street hoch, erwartet den Besucher ein Panorama des Niedergangs: Heruntergekommene Gebäude, leerstehende Ladenlokale, eine fast komplett verwaiste Shopping Mall – man will eigentlich auf dem Absatz kehrt machen. Doch die Burg lockt. Wobei Burg in diesem Falle in die Irre führt: Auckland Castle ist eher ein herrschaftlicher Landsitz denn Wehranlage – und gilt als besterhaltener Bischofspalast weltweit.
Hat man den Hauptstraßenschreck hinter sich, öffnet sich rechter Hand der Marktplatz der Stadt mit dem Rathaus und der Pfarrkirche daneben. Dahinter erblickt man einen ungewöhn-lichen Turm – der erste Baustein des „Auckland Project“ und der richtige Ort, um den Besuch noch mal neu zu starten. Kleiner Tipp: Wer nicht mit der Bahn, sondern mit dem Bus etwa aus demschönen Durham nach Bishop Auckland fährt – eine direkte Verbindung übrigens –, kommt gleichauf dem Marktplatz an und kann sich die Hauptstraßendepression ersparen.
Der Turm ist ein Aussichtspunkt, von dem aus sich der Schlossbereich und die Stadt überblicken lassen, und genau diese verbindende Funktion haben ihm seine Schöpfer auch zugedacht. Die Vermittlerrolle ist wichtig, denn so schäbig die vom Niedergang des Bergbaus gezeichnete Stadt, so strahlkräftig das Schloss, mit all seinen historischen Schichten aus knapp 900 Jahren – seit 1183 war Bishop Auckland Residenz der Bischöfe, von 1832, als die Burg von Durham (diese ist tatsächlich eine Burg, und was für eine!) der Universität der Stadt zur Verfügung gestellt wurde, bis 2012 alleiniger Sitz. In jenem Jahr wurde das Schloss verkauft, und damit beginnt die jüngste Epoche der Stadtgeschichte.
Neuer Eigentümer wurde der Auckland Trust, und der lobte 2013 einen Wettbewerb für die Erneuerung von Auckland Castle aus. Das Londoner Büro Niall McLaughlin Architects hatte die Idee, das an der Ecke zum Marktplatz vorgesehene Besucherzentrum um diesen Turm zu bereichern; seine von mittelalterlichen Belagerungstürmen, wie Viollet-le-Duc sie im 19. Jahrhundert gezeichnet hat, inspirierte Holzkonstruktion ließ örtliche Behörden und Denkmalpflege dem Vorschlag zustimmen. Als jüngster Neubau ist nun das Faith Museum fertiggestellt worden, ebenfalls von Niall McLaughlin Architects geplant, und damit ein weiterer Schritt auf dem Weg, Bishop Auckland eine neue Perspektive als touristische und kulturelle Destination zu geben. Was der heutige Besucher des Palasts kaum ahnt: Bis 2011 war Auckland Castle nur sporadisch für die Öffentlichkeit zugänglich, und so konnte die gebeutelte Stadt auch kaum von ihrem wichtigsten Gebäude profitieren. Die historische Wende wurde eingeleitet durch die Absicht der Kirche, ein Konvolut von Gemälden des spanischen Künstlers Francisco de Zurbaran zu verkaufen – seit 1750 hatten diese Bilder im Speisesaal des Schlosses gehangen.
Auftritt Jonathan und Jane Ruffer. Der Investment-Banker und seine Frau sind leidenschaft-liche Sammler spanischer Kunst, und die Aussicht, diese Bilder erwerben zu können, verlockt. Doch die nun zu berichtende Wendung ist eine Überraschung: Die Ruffers kaufen die Bilder, und mit ihnen kaufen sie gleich auch das Schloss, damit die Gemälde an ihrem angestammten Ort verbleiben können. Und damit al-le, die das wünschen, die Bilder sehen können, ist Ziel der Ruffers, Auckland Castle für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit die heruntergekommene Bergarbeiterstadt wiederzubeleben. Das zu diesem Zweck von Ruffer 2012 entwickelte „Auckland Project“ bündelt verschiedene Maßnahmen: „Das Auckland Project ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die daran arbeitet, Bishop Auckland als ein unverzichtbares Reiseziel zu etablieren. Unsere Attraktionen erwecken die reiche und überraschende Geschichte von Bishop Auckland für unsere Besucher und die lokale Gemeinschaft durch Kultur und Kunst zum Leben. Und im Gegenzug helfen uns die Einnahmen und Möglichkeiten, die durch unsere historischen Attraktionen und unser gemeinschaftliches Engagement entstehen, eine glänzende Zukunft für Bishop Auckland aufzubauen”, heißt es auf der Website des Projekts.
Die Liste dessen, was seitdem passiert ist, beeindruckt. 2016 beginnt die Restaurierung von Auckland Castle, finanziert mit Mitteln des National Lottery Heritage Fund, 2017 eröffnet die Mining Art Gallery, 2018 das Besucherzentrum mit dem Aussichtsturm, 2019 das erneuerte Schloss, 2021 die „Spanish Gallery“ als erstes Museum für Spanische Kunst im Vereinigten Königreich; 2022 wird ein 16 Meilen langer Abschnitt der historischen Weardale Railway wieder in Betrieb genommen, die – mit historischen Diesel-Triebwagen – Bishop Auckland, Wolsingham und Stanhope verbindet. Seit letztem Jahr nun bietet das Park Head Hotel Übernachtungsgelegenheit für Besucherinnen und Besucher, und auch wurde, wie erwähnt, das Faith Museum eingeweiht, das die neben dem Bergbau zweite wichtige Traditionslinie für Bishop Auckland in den Fokus rückt.
Der Neubau steht bereits innerhalb der Burgmauern, gleich hinter dem Tor zum Marktplatz, an einer Stelle, an der Archäologen die Fundamente eines Turms fanden. Wie das Besucherzentrum wurde das Museum von Niall McLaughlin Architects geplant. Darauf kommt man nicht auf Anhieb, so anders, wie das Museum gestaltet ist, als starker Kontrast zum Aussichtspunkt: nicht hölzern, sondern steinern, nicht einsehbar oder gar durchsichtig, sondern fast komplett geschlossen, nicht fragil, sondern fest. Eine historische Inspiration liegt aber auch seinem Entwurf zugrunde, und damit verrät es dann doch seine gemeinsame Urheberschaft.
„Wir waren fasziniert von den Giebelkreuzen, die sich in der ganzen Welt in der historischen Sakralarchitektur finden lassen, sei es in Japan, sei es in Irland“, erzählt Projektarchitektin Anne Schoell bei unserem gemeinsamen Besuch Anfang Juli und zeigt mir Fotos eines Ise-Schreins in Japan und der Kapelle auf der Insel St. Macdara, das eine ein Holz-, das andere ein Steinbau, beide aber mit der charakteristischen Verlängerung der Ortgänge über den First hinaus. Typo-logisch standen dagegen mittelalterliche, ebenfalls in Stein errichtete Scheunen Pate, in denen das für die Kirche bestimmte Getreide gelagert wurde – im Faith Museum werden schließlich Artefakte der Geschichte des Glaubens in England aufgehoben.
Die Wirkung ist durchaus monumental, oder besser: erhaben. Die formale und materielle Reduktion erzeugt jene Steigerung des Ausdrucks, jene Verdichtung der Erscheinung bis ins Symbolische – die Sakralarchitektur ist nicht fern, und das ist in diesem Fall natürlich ebenso absichtsvoll wie angemessen. Dass diese Wirkung auch in den gestalterischen Details wurzelt, liegt auf der Hand. Der Betonsockel etwa liegt vertieft im Erdreich, davor eine schmale Entwässerungsrinne, sodass die Hülle aus zehn Zentimeter dickem Cop Crag-Sandstein aus Northumberland optisch auf dem Boden steht. Einzige Öffnung ist ein Fenster im Giebel, das im Inneren der „Black Box“, die das Faith Museum ist, immerhin einmal Ausblick und Orientierung bietet – die Außenwirkung aber steigert dieses „Einzel-ereignis“ nur noch weiter ins Monumentale. Und Rätselhafte. Denn wie kommt man eigentlich hinein? Dafür ist der Eintritt ins Schloss nötig: Der Übergang vom Altbau ins neue Gebäude wird kaum inszeniert und erfolgt im Lower Ground Floor. An der Fassade übrigens ist diese untere Ebene ablesbar am sägerau geschnittenen Sandstein.
Auch wenn das Innere vor allem als ein neutraler Hintergrund für die Ausstellung bzw. die Exponate dient, lohnt sich auch für Architekturinteressierte ein Blick hinein – im großen Saal im Obergeschoss zeigen Niall McLaughlin und sein Team eine filigrane, stählerne Dachkonstruktion, die mit dem massiven Äußeren wirkungsvoll kontrastiert. Bald sollen hier die Tapisserien ausgestellt werden, die König Heinrich VIII. in den 1530er Jahren in Auftrag gab und die mit einer Crowdfunding-Kampagne aus Spanien zurückgekauft werden konnten.



Fakten
Architekten Niall McLaughlin Architects, London
Adresse Market Pl, Bishop Auckland DL14 7NJ, Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 21.2024
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