Nationalparkzentrum im Schwarzwald
Auf 900 Metern Höhe im Nordschwarzwald gelegen: das neue Besucher- und Informationszentrum des 2014 gegründeten Nationalparks Schwarzwald nach einem Entwurf von Sturm und Wartzeck
Text: Lülfsmann, Ina, Berlin
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Wie ein Stapel umgestürzter Stämme: Zwischen Schwarzwaldhochstraße und dem Waldrand gelegen, schieben sich die acht Gebäuderiegel in den Baumbestand hinein.
Luftbild (Filmstill): Sohl Media
Wie ein Stapel umgestürzter Stämme: Zwischen Schwarzwaldhochstraße und dem Waldrand gelegen, schieben sich die acht Gebäuderiegel in den Baumbestand hinein.
Luftbild (Filmstill): Sohl Media
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Am Ende des Stegs führt ein Aussichtsturm bis knapp über die Baumkronen hinauf.
Foto: Atelier Altenkirch
Am Ende des Stegs führt ein Aussichtsturm bis knapp über die Baumkronen hinauf.
Foto: Atelier Altenkirch
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Mitte Oktober wurde das Nationalparkzentrum an den Bauherrn übergeben, noch werden letzte Arbeiten ausgeführt.
Foto: Achim Birnbaum
Mitte Oktober wurde das Nationalparkzentrum an den Bauherrn übergeben, noch werden letzte Arbeiten ausgeführt.
Foto: Achim Birnbaum
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Ab März 2021 soll das Haus sukzessive für Besucher eröffnet werden.
Foto: Achim Birnbaum
Ab März 2021 soll das Haus sukzessive für Besucher eröffnet werden.
Foto: Achim Birnbaum
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Die Renderings des Wettbewerbs für einen Eindruck davon, ...
Rendering: Bloomimages + Sturm und Wartzeck
Die Renderings des Wettbewerbs für einen Eindruck davon, ...
Rendering: Bloomimages + Sturm und Wartzeck
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... wie es dann am Ruhestein aussehen wird.
Rendering: Bloomimages + Sturm und Wartzeck
... wie es dann am Ruhestein aussehen wird.
Rendering: Bloomimages + Sturm und Wartzeck
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Blick in die von den Hamburger Ausstellungdesignern Kunstraum GfK, ...
Foto: Achim Birnbaum
Blick in die von den Hamburger Ausstellungdesignern Kunstraum GfK, ...
Foto: Achim Birnbaum
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... vivid exhibitions inszenierte Dauerausstellung
Foto: Achim Birnbaum
... vivid exhibitions inszenierte Dauerausstellung
Foto: Achim Birnbaum
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Durch die jeweils vollverglasten Stirnseiten der Gebäuderiegel ergeben sich unzählige gelenkte Ausblicke auf den Hauptdarsteller des Zentrums: den Wald
Foto: Achim Birnbaum
Durch die jeweils vollverglasten Stirnseiten der Gebäuderiegel ergeben sich unzählige gelenkte Ausblicke auf den Hauptdarsteller des Zentrums: den Wald
Foto: Achim Birnbaum
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Blick vom Obergeschoss hinab ins Foyer des
Nationalparkzentrums
Foto: Achim Birnbaum
Blick vom Obergeschoss hinab ins Foyer des
Nationalparkzentrums
Foto: Achim Birnbaum
„Eine Spur wilder“ soll der Schwarzwald werden – so sagt es der Slogan des Nationalparks Schwarzwald – und damit robust gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Ein erster Schritt wurde 2014 mit der Gründung des Nationalparks unternommen, des ersten und bis heute einzigen in Baden-Württemberg. Der schon seit 1970 bestehende Nationalpark Bayrischer Wald zeigt, dass es eine erfolgversprechende Maßnahme ist, der Natur Zeit zur Regeneration zu geben; der dort in nunmehr 50 Jahren entstandene ursprünglichere Wald hält etwa dem Borkenkäfer wesentlich besser stand als vergleichbare kontrollierte Wälder. Ein solches Vorgehen trifft aber auch auf Widerspruch aus der Forstwissenschaft und der Holzindustrie, auch private Waldbesitzer sträuben sich gelegentlich, wenn ihre Flächen menschlichen Eingriffen entzogen werden sollen. Im Schwarzwald hat man nach mehrjähriger Diskussion das Projekt schließlich auf 10.000 Hektar in zwei Bereichen realisiert.
Neben dem vorrangigen Naturschutzziel sollen Nationalparks auch der Bildung und der Erholung des Menschen dienen. 2014 war ein Wettbewerb für ein Besucher- und Informationszentrum durchgeführt worden. Der Bauplatz auf 900 Metern Höhe, am Waldesrand mit Blick auf die Bäume, die den Hang ins Tal begleiten, scheint wie gemacht dafür. Der Ort wird „Ruhestein“ genannt, nach einem Findling, der Wanderern bis in die 1930er Jahre zur Rast diente. Hier, direkt auf der Grenze zwischen Baden und Württemberg, befindet sich auch die denkmalgeschützte, 1909 erbaute Villa Klumpp. Sie beherbergte bislang das Besucherzentrum und wird auch künftig von der Parkverwaltung genutzt werden.
Das Grundstück des neuen Nationalparkzentrums ist ein baumloses Plateau, ein ehemaliger Parkplatz an der Schwarzwaldhochstraße, das unmittelbar an den Wald angrenzt. Eigentlich hätte man mit einem Neubau dreißig Meter Abstand zum Waldrand halten müssen. Um diese Vorschrift zu umgehen, wurde der Wald um das Gebäude herum entwidmet – ein rein bürokratischer Akt, der dafür sorgte, dass die etwa 1000 Bäume dort nicht mehr als Wald deklariert sind. Sie wurden nach ihrem Schutzwert in drei Kategorien eingeteilt, für den Fall, dass ein Wettbewerbsteilnehmer plante, über den Bereich des ehemaligen Parkplatzes hinaus zu bauen.
Inzwischen liegen hier acht bis zu 65 Meter lange Gebäuderiegel scheinbar willkürlich über- und untereinander und schieben sich wie Finger zwischen die Bäume, die auf diese Weise fast ausnahmslos erhalten werden konnten. Die Wettbewerbssieger, die Architekten Sturm und Wartzeck, haben ihren Entwurf umgesetzt, der sich des Bildes eines Stapels toter Baumstämme bedient. Dabei sind die „Schnittflächen“ der „Baumstämme“ jeweils vollflächig verglast. Den Architekten war es neben den wiederkehrenden Blickbezügen nach draußen wichtig, beim Gang durch das Gebäude und seine Ausstellung unterschiedliche „Stockwerke“ des Waldes erlebbar zu machen: Der „Skywalk“, ein freitragender Steg als Verlängerung des zentralen Gebäuderiegels, führt durch den mittleren Astbereich der Nadelbäume. An seinem Ende befindet sich ein Aussichtsturm, der mit 34 Metern Höhe genauso hoch ist wie der höchste Baum. Von dort oben schaut man hinab ins bewaldete Tal, über die Baumkronen hinweg. Zwei andere, ebenfalls freitragende Riegel führen den Besucher schließlich in leichtem Gefälle bis zum Waldboden.
Die Jury war seinerzeit – neben dem Erhalt der Bäume und dem insgesamt unaufdringlichen Erscheinungsbild – nicht zuletzt wegen der Realisierbarkeit des Raumprogramms von dem Entwurf überzeugt: Dadurch, dass die Riegel in ihrer Länge den Anschein von Willkürlichkeit erweckten, schien die Unterbringung von sämtlichen Ausstellungsräumen sowie von Shop, Restaurant, Werkstätten, Unterrichts- und Verwaltungsräumen problemlos möglich. Letztendlich mussten die Architekten das üppige Raumprogramm doch aufteilen und zwanzig Büros der Verwaltung in einem separaten Gebäude auf der anderen Straßenseite unterbringen. Abgesehen vom Fassadenmaterial steht dieser Stiefbruder jedoch in keinem Dialog mit dem Hauptgebäude und wirkt enttäuschend plump.
Ganz anders der „Totholzstapel“ des Besucherzentrums. Das anspruchsvolle Tragwerk des – selbstverständlich keineswegs willkürlich angeordneten – Holzbaus wurde von dem Stuttgarter Büro Schlaich Bergermann Partner geplant. Dabei kommen verschiedene Konstruktionsweisen, Holzarten und -werkstoffe zum Einsatz. 90 Prozent des Holzes stammt aus heimischen Beständen des Schwarzwaldes, aus den Vogesen, dem Frankenwald und dem Bayrischen Wald sowie aus dem nördlichen Alpenvorland, wodurch nicht zuletzt auch ein Schritt in Richtung lokale Forstwirtschaft gemacht und der Holzbau in Baden-Württemberg vorangetrieben wurde. Das Gebäude ist ein technisch wegweisendes Projekt: Werkzeughersteller erkundigen sich beim Bauherrn bereits nach den Technologien, die hier erstmals ausprobiert wurden.
Das Haupttragwerk der Riegel besteht aus fünf Meter hohen Holzfachwerken. Dazwischen eingehängt sind vorgefertigte Dach- und Bodenelemente als Kastenträger. Die Gebäuderiegel sind dort, wo sie aufeinanderliegen, beweglich mit Brückenfugen auf Wälzlagern gelagert, um sämtliche Dynamiken aufnehmen zu können. Eine besondere Herausforderung war es, dieses bewegliche System mit den bauphysikalischen Ansprüchen in Einklang zu bringen. Dem konstruktiven Holzschutz kam auch deshalb eine besondere Wichtigkeit zu, weil mit bis zu 200 Nebeltagen im Jahr gerechnet werden muss. So sind etwa die Fachwerkträger des Skywalks hinterlüftet und nicht direkt bewittert ausgeführt. Gleichzeitig hatten die Planer Beeinträchtigungen durch Baumwurf, Erdbeben und Schnee zu berücksichtigen. Für die Simulation der Schneelasten wurde mit Schneeverwehungen von bis zu vier Metern gerechnet, was einer Belastung von einer Tonne pro Quadratmeter entspricht.
Die Architekten trieben die visuelle Analogie zum Wald auf die Spitze, indem sie eine Fassadengestaltung wählten, die an Baumrinde erinnern soll: Alle Gebäudeteile sind mit einer Dreifachdeckung aus Fichtenholzschindeln verkleidet. Tatsächlich harmoniert der leicht changierende silbrig-graue Farbton gut mit dem der umgebenden Baumstämme. Für den Turm wurde eigens eine neue Deckung erdacht: Um seine aufrechte Bewegung aufzunehmen, überlappen die Schindeln nicht horizontal, sondern vertikal. Es ist eine ungewöhnliche, aber auch bemühte Gebäudekonstellation, die sich da in den Wald einfügt – mit vielen eindrucksvollen Blicken in die Bäume und überraschenden Raumsituationen.
Fakten
Architekten
Sturm und Wartzeck, Dipperz; Baumeister Architekten, Stuttgart
Adresse
Schwarzwaldhochstraße 27 77815 Bühlertal
aus
Bauwelt 23.2020
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