Schulbau in Lichtenberg
Von Froschsezieren bis Meditieren
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
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In der diffusen Umgebung steht der stark gegliederte Komplex wie eine „Schulstadt“ im Grünen.
Foto: Jan Bitter
In der diffusen Umgebung steht der stark gegliederte Komplex wie eine „Schulstadt“ im Grünen.
Foto: Jan Bitter
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Der Wettbewerb zielte auf den Neubau einer Sekundarschule, eines Gymnasiums und eines Turnhallenbaus. PPAG verschmolzen alles zu einem Gesamten: Freunde sollen sich nicht schon vor der Schule verabschieden müssen.
Foto: Jan Bitter
Der Wettbewerb zielte auf den Neubau einer Sekundarschule, eines Gymnasiums und eines Turnhallenbaus. PPAG verschmolzen alles zu einem Gesamten: Freunde sollen sich nicht schon vor der Schule verabschieden müssen.
Foto: Jan Bitter
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Die Umstellung der Bauweise von Holz auf Stahlbeton schafft durchaus ruppige Oberflächen, die dem Inneren aber eine angemessene Werkstattatmosphäre verleihen.
Foto: Jan Bitter
Die Umstellung der Bauweise von Holz auf Stahlbeton schafft durchaus ruppige Oberflächen, die dem Inneren aber eine angemessene Werkstattatmosphäre verleihen.
Foto: Jan Bitter
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Grundriss Erdgeschoss ...
Abb.: Verfasser
Grundriss Erdgeschoss ...
Abb.: Verfasser
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... und 1. Obergeschoss
Abb.: Verfasser
... und 1. Obergeschoss
Abb.: Verfasser
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Das Forum ist der zentrale, multifunktionale Raum in jedem Compartment.
Foto: Jan Bitter
Das Forum ist der zentrale, multifunktionale Raum in jedem Compartment.
Foto: Jan Bitter
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Zentrum der Schule sind die übereinandergestapelten Turnhallen, ...
Foto: Jan Bitter
Zentrum der Schule sind die übereinandergestapelten Turnhallen, ...
Foto: Jan Bitter
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... die direkt von den Treppenhäusern betreten werden können: ...
Foto: Jan Bitter
... die direkt von den Treppenhäusern betreten werden können: ...
Foto: Jan Bitter
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... Pausenkick möglich.
Foto: Jan Bitter
... Pausenkick möglich.
Foto: Jan Bitter
Schule und Gemeinschaft, das ist ein gängiges Begriffspaar. Die beiden Worte sind einander so nahe, dass sie gelegentlich zu einem einzigen verschmelzen: zur Schulgemeinschaft. Für Architekturschaffende ist es Teil des Entwurfs, einen räumlichen Rahmen zu konzipieren, der das Gedeihen dieser Gemeinschaft fördert. In Berlin hat der vor rund zehn Jahren eingeleitete Paradigmenwechsel im Schulbau und der damit verbundene Schwenk weg von der Flur-, hin zur Compartment- oder Clusterschule nun in einem Neubau Gestalt angenommen, der einerseits die neuen pädagogischen Leitlinien abbildet, der aber auch exemplarisch für die Förderung des Gemeinschaftsgedankens steht.
Der von PPAG architects geplante und von der Berliner Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE als Bauherrin im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive realisierte Neubau im Berliner Ortsteil Lichtenberg ist mit einer Bruttogeschossfläche von rund 30.000 Quadratmetern ein großes, ja sehr großes Gebäude. Als Schulbau aber gibt er sich nicht auf Anhieb zu erkennen – wie die üblichen quaderförmigen Schulhäuser, die in den letzten Jahren hierzulande in vielen Varianten entstanden sind (Bauwelt 3.2024), sieht er jedenfalls nicht aus. Wie das Gebäude dasteht, pünktlich zum Schuljahr 2024/25 fertig gestellt, scheinen Anna Popelka und Georg Poduschka, die Gründer und Inhaber des Wiener Büros, ihren im Wettbewerb 2019 mit dem 1. Preis ausgezeichneten Entwurf ohne große Änderungen umgesetzt zu haben – die größte und für die Atmosphäre im Inneren wohl einschneidendste war die aus Gründen der Wirtschaftlichkeit vorgenommene Umstellung der Bauweise von Holz auf Stahlbeton. Realisiert wurde das Projekt dann von einem Generalübernehmer, der mit seinen Planern weitere Einsparpotenziale auslotete, doch blieben PPAG verantwortlich für die Leitdetails und behielten die künstlerische Oberleitung.
Der Bauplatz war zuvor von der Hochschule für Technik und Wirtschaft genutzt worden, deren seit Jahren leerstehenden Gebäude dem neuen Schulhaus weichen mussten – nur ein Wohnheim, der Schule im Westen unmittelbar benachbart, kündet noch von der vorigen Nutzung. Zurückgesetzt von der Allee der Kosmonauten und ohne Verankerung in einem gewachsenen Quartier – im Südwesten grenzt der Landschaftspark Herzberge an, im Nordwesten ein Krankenhausareal, im Nordosten eine lockere Wohnbebauung, im Südosten der Zentralfriedhof Friedrichsfelde –, ist der mit einer Aluminiumhaut umhüllte, in Grundriss wie Höhenentwicklung stark gegliederte Bau unübersehbar. Genau genommen ist es ein Zwillingsbau: Er fasst das neue Gymnasium mit dem Verwaltungsnamen 11Y12 und die ebenfalls neue Integrierte Sekundarschule, kurz ISS, mit der Nummer 11K15 zusammen.
Die Grundstruktur des rund 100 Millionen Euro teuren Komplexes (Kostengruppen 300–600) ist schnell erklärt: Über einem aufgeständerten Erdgeschoss, dessen Innen- und Außenräume – Vorplatz, Bibliothek, Mehrzwecksaal, Mensen, Musikräume, Werkstätten – auch für die Stadt offen stehen sollen, gruppieren sich die beiden Schulen mit ihren zwei bzw. drei Compartments pro Geschoss um zwei zentral angeordnete und übereinander gestapelte Turnhallen. Die Sekundarstufe 1 wird im ersten und zweiten Obergeschoss unterrichtet, die Sekundarstufe 2 im vierten; dazwischen haben die Fachräume Platz gefunden – ebenfalls in Compartments und transdiziplinär organisiert. Das vierzügige Gymnasium wie die sechszügige ISS sind als Ganztagsschulen konzipiert, was sie zum wohl wichtigsten Lebensraum der in ihnen Lehrenden und Lernenden macht. Ziel ist es, gemäß dem 2017 verabschiedeten Leitfaden der Berliner Bildungspolitik, die Bildung stärker an den individuellen Talenten auszurichten, die „Spitzen“ jedes Kindes zu fördern, so dass die im Rechnen starke Mitschülerin dem eher sprachbegabten Nachbarn helfen kann und umgekehrt – die Banknachbarin oder auch der Freund aus der Nachbarklasse als „2. Pädagoge“. Frontalunterricht soll hier nur noch zur Einleitung eines neuen Themas stattfinden, danach, rund achtzig Prozent der Zeit, wird im Team gearbeitet oder in Projekten.
Um diese verschiedenen Arten von Lernen und Lehren praktizieren zu können, ist den Klassenzimmern – pro Compartment gibt es deren vier – jeweils ein sogenannter Teilungsraum zugeordnet, hinzu kommen in jedem Cluster der Raum für die Lehrenden, ein Ruheraum, ein Pflegebad und ein Stuhllager. All das gruppiert sich um das zentral gelegene, aber dennoch von Tageslicht erfüllte „Forum“, das für unterschiedliche Zwecke genutzt werden kann, als Lern- und Arbeitsraum ebenso wie als Pausen- und Begegnungszone. Erwähnenswert ist dabei auch das Kunstlichtkonzept, das nicht, wie üblich, auf Gleichmäßigkeit setzt, sondern bewusst unterschiedliche Beleuchtungssituationen vorsieht: Für das Sezieren von Fröschen braucht es schließlich anderes Licht als für eine Stunde Meditation. Das Compartment ist also eine Art „Schule in der Schule“, dessen Überschaubarkeit der Anonymität in einem Bildungskomplex für insgesamt knapp 1600 junge Menschen entgegenwirkt. Ein Effekt, der sich um so stärker einstellt, wenn hier nicht vier Klassen eines Jahrgangs untergebracht sind, sondern eine jahrgangsübergreifende Gemeinschaft, in der auch die Lehrerschaft stabil bleibt – wie das Gymnasium und die ISS diese Frage handhaben, ist Anna Popelka und Georg Poduschka bei unserem Rundgang Mitte August allerdings noch nicht bekannt.
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