Klinik im Düsseldorfer Betonsilo
Neben dem Düsseldorfer Büro von ingenhoven associates stand jahrelang ein Getreidespeicher leer. Die Architekten brachen sich nun einen Weg ins Silo, um Raum zu schaffen für eine Klinik, eine radiologische Praxis und kreisrunde Bettenzimmer.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
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Das Plange-Areal nahe des Medienhafens besteht heute unter anderem aus zwei Silos ...
Foto: HG Esch
Das Plange-Areal nahe des Medienhafens besteht heute unter anderem aus zwei Silos ...
Foto: HG Esch
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... und dem alten Hauptgebäude (weißer Riegel im Bild).
Foto: HG Esch
... und dem alten Hauptgebäude (weißer Riegel im Bild).
Foto: HG Esch
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Zwei Fenster je Röhre und Geschoss waren erlaubt; Blick entlang des Betonsilos und des dahinterliegenden, auf einer Holzkonstruktion basierenden Silos mit Mauerwerk.
Foto: HG Esch
Zwei Fenster je Röhre und Geschoss waren erlaubt; Blick entlang des Betonsilos und des dahinterliegenden, auf einer Holzkonstruktion basierenden Silos mit Mauerwerk.
Foto: HG Esch
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Das Betonsilo und seine Erweiterung von 1934.
Foto: Stadtarchiv Düsseldorf
Das Betonsilo und seine Erweiterung von 1934.
Foto: Stadtarchiv Düsseldorf
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Das Außen bestimmt das Innen.
Foto: HG Esch
Das Außen bestimmt das Innen.
Foto: HG Esch
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Kreisartige Räume, ...
Foto: HG Esch
Kreisartige Räume, ...
Foto: HG Esch
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... geschwungene Schränke ...
Foto: HG Esch
... geschwungene Schränke ...
Foto: HG Esch
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... und runde Empfangstische in der Radiologie.
Foto: HG Esch
... und runde Empfangstische in der Radiologie.
Foto: HG Esch
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Über den beiden Silos verläuft eine Brücke, auch Überflieger genannt. Die rostige Wendeltreppe rechts im Bild führt in den freien Fall, wurde aber bewusst erhalten.
Foto: HG Esch
Über den beiden Silos verläuft eine Brücke, auch Überflieger genannt. Die rostige Wendeltreppe rechts im Bild führt in den freien Fall, wurde aber bewusst erhalten.
Foto: HG Esch
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Zukunftsvision: Bis 2026 wollen ingenhoven associates den Neubau „Pier One“ errichten, der über dem Wasser auf Pfählen ruhen soll (rechts der Bildmitte).
Foto: HG Esch
Zukunftsvision: Bis 2026 wollen ingenhoven associates den Neubau „Pier One“ errichten, der über dem Wasser auf Pfählen ruhen soll (rechts der Bildmitte).
Foto: HG Esch
Es gibt Orte der Vergangenheit, die gleichzeitig wie ein Versprechen aus der Zukunft wirken. Die Düsseldorfer Plange-Mühle ist so ein Ort. Wer sich zu Fuß vom S-Bahnhof Hamm dorthin bewegt, muss vorbei an Industriebrachen, kurvenden Lastwagen, einer Tierfutterfabrik und einem Gebrauchtwagenumschlageplatz. Erreicht man schließlich das Areal am Ende eines Piers, das vor 120 Jahren von dem für ihr „Diamantmehl“ bekannten Müllerei-Unternehmen Plange bebaut wurde, ist man überrascht. Denn nun ploppen sanierte Alt- und glänzende Neubauten auf – mit Mode- und Beleuchtungsgeschäften, mit Eventräumen und Kosmetikstudios.
Auch das Architekturbüro ingenhoven associates hat sich hier in seinem eigens sanierten Büro- und Gewerberiegel niedergelassen, einer modernisierten Reminiszenz des einstigen Verwaltungsgebäudes von Plange. Es überrascht dafür weniger, dass Ingenhoven auch die benachbarten Getreidesilos umbauen durfte: erst ein altes, auf einer Holzkonstruktion basierendes Silo für Büros und Gastronomie und nun ein Betonsilo für Medizinzwecke. Entwickler ist die Harbour Properies Development, deren Geschäftsführer die Unternehmer Josef Homola, Jürgen Möser und der Architekt Christoph Ingenhoven sind. Es agiert also ein Planer in mehreren Rollen. Womöglich erklärt dies, warum an einer Stelle, die noch auf ihre endgültige Entdeckung zu warten scheint, in Architektur investiert wird. Und es verdient einer gewissen Achtung, ein derartiges wirtschaftliches Risiko einzugehen, um hier eine verlassene Industriebrache in guter Hoffnung wiederzubeleben. Das trifft auch auf das vorerst letzte Stück der Entwicklung zu: das Betonsilo.
Das aus zehn Speicherzylindern bestehende Silo wurde 1929 von den Architekten Wach und Rosskotten errichtet. 1934 folgte eine Verlängerung um weitere zehn Röhren. Zwar wurden die Silos im Krieg getroffen, zerstört wurde aber vor allem der benachbarte Hauptbau mit Turm, der Ende der 1940er im Stil der Nachkriegsmoderne wieder aufgebaut wurde. Nachdem sich Plange in den 1990er Jahren vom Düsseldorfer Standort zurückzog, verfielen die Gebäude und die Dreißiger-Jahre-Erweiterung des Betonsilos wurde abgerissen. Mit den Plänen, das 2000 unter Denkmalschutz gestellte Ensemble der Plange-Mühle in ein Quartier der „Kreativwirtschaft“ umzubauen, kam wieder Bewegung an den Ort. Als schwierigste Objekt hatte man sich das Betonsilo bis zum Schluss aufgehoben. Auf die Frage, was aus einem unzugänglichen Bau werden könnte, der nicht für Menschen, sondern für Getreide entworfen war, musste erst eine Antwort gefunden werden.
„Wir wussten ja nicht einmal, wie die Röhren von innen aussehen – geschweige denn, wie wir dort die sieben Geschossebenen einziehen“, erinnert sich der Projektleiter Oliver Ingenhoven an die langwierige Bauphase. Der Denkmalschutz erlaubte, zwei der Röhren oben zu öffnen, was dazu führte, dass die Baustellenlogistik von oben nach unten durchgeführt werden musste; gebaut wurde dann Abschnitt für Abschnitt und Geschoss für Geschoss.
Zuvor mussten allerdings die trichterförmig betonierten Röhren unten begradigt werden. In der Mittelachse durften das Silo aufgeschnitten und je Röhre und Geschoss zwei Fenster eingebaut werden. Da die Röhren jedoch leicht schief stehen, musste jedes Fenster auf Grundlage eines 3D-Aufmaßes individuell geplant waren. Die Öffnungen sehen so von unten senkrecht und stimmig aus, sind aber eigentlich nicht im Lot. Der Eingang wurde mittig an die nördliche Schmalseite gesetzt, unter einer Brücke, die das alte Holzsilo mit dem Betonsilo verbindet. Außen erhielt das Silo einen 15 Zentimeter dicken, mineralischen Dämmputz, der mit einem Edelkratzputz bedeckt wurde.
Wer zieht nun in ein Silo am Ende eines Hafenpiers? Nutzer, die gezielt angesteuert werden. In diesem Fall: eine Radiologie und eine orthopädische Klinik. Die Privatklinik besetzt drei Geschosse, eine Etage als Praxis, eine für die Operationen und eine mit 13 Bettenzimmern, die in den Kreisen der alten Silos untergebracht sind.
Radiologie mit Retro-Touch
Eine dünne Lasur wurde aufgrund von Hygienevorgabe über die Innenwände aufgebracht, dennoch ist die Struktur des Betons – und manche Unebenheit der Wände – noch erkennbar. Während in der Klinik die Gestaltung stark reguliert war, genoss die Radiologie mehr Freiheiten. Dem Innenarchitekturbüro two_space + product gelang ein retro-artiges, an Stanley Kubrick-Filme erinnerndes Interior, das ganz der Eigenform des Silos huldigt: Estrich-Kreise zeichnen im Parkettboden die Umrisse der früheren Röhren nach; auch die Leuchten, Lamellen und sogar die Klebefolien auf den Glastüren greifen das Kreismotiv auf. Statt sich, wie in anderen Praxen üblich, nach Eintritt in einer weißen Sterilität voll und ganz der Schwere seiner Krankheit hinzugeben, ermöglicht die abschnittsweise wechselnde Gestaltung den Patienten ein Raumerlebnis, selbst beim Besuch eines Radiologen. Auch die hellen, halbrunden Bettenzimmer der Klinik liegen über dem üblichen Krankenhaus-Niveau.
Noch nicht in Nutzung sind die oberen Geschosse, inklusive des Dachgeschosses und seiner großen Terrassen, auf denen wilder Wein zu ranken beginnt. In dem langgestreckten Raum wie auch in den anderen Geschossen sollen weitere medizinische Nutzungen folgen.
Der Durchbruch für das Areal der Plange Mühle könnte 2026 erfolgen. Dann soll mit „Pier One“, einem auf 180 Pfählen über dem Wasser ruhenden Gewerbe- und Freizeitbau, ein Brückenschlag vom Plange-Pier zum Medienhafen gelingen. Die Architekten des Projekts heißen auch hier (sicherlich mit Vorfreude auf die bessere Erreichbarkeit ihres Büros samt Standortaufwertung): ingenhoven associates.
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