Bauwelt

Skatepark in Prag


Mit der Reaktivierung von zwei Unterführungen am Prager Moldauufer, gelang den ortsansässigen Planungsteams U/U Studio und Re_place ein erwünschtes Durcheinander verschiedener Freizeitaktivitäten.


Text: Rost, Sandra, Nürnberg


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    Die Unterführung am Ufer der Moldau ist zweigeteilt.
    Foto: Jiří Kotal

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    Die Unterführung am Ufer der Moldau ist zweigeteilt.

    Foto: Jiří Kotal

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    Links gibt es einen freizuhaltenden Streifen für Fußgänger, ...
    Foto: Jiří Kotal

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    Links gibt es einen freizuhaltenden Streifen für Fußgänger, ...

    Foto: Jiří Kotal

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    ... rechts die roten Interventionen für Freizeitsportlerinnen.
    Foto: Jiří Kotal

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    ... rechts die roten Interventionen für Freizeitsportlerinnen.

    Foto: Jiří Kotal

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    Die Spiegel an der Wand links wurden leider schon Tage nach der Eröffnung mit Grafitti übersprüht.
    Foto: Jiří Kotal

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    Die Spiegel an der Wand links wurden leider schon Tage nach der Eröffnung mit Grafitti übersprüht.

    Foto: Jiří Kotal

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    Sitzmöglichkeiten sorgen unabhängig des Passierens der Unterführungen für ein gemeinsames Verweilen anstelle von Angsträumen.
    Foto: Jiří Kotal

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    Sitzmöglichkeiten sorgen unabhängig des Passierens der Unterführungen für ein gemeinsames Verweilen anstelle von Angsträumen.

    Foto: Jiří Kotal

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    Die Einheitlichkeit der Farbgestaltung hilft bei der Orientierung und Wegeführung.
    Foto: Jiří Kotal

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    Die Einheitlichkeit der Farbgestaltung hilft bei der Orientierung und Wegeführung.

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    Wer an der Haltestelle Vltavská mit der Tram ankommt, befindet sich in­mitten von lautem Verkehr und unübersichtlicher Topologie. Nur durch die Unterführungen kann das sicher umgangen werden. Begrüßt wird man von einem kleinen, runden Basketballfeld samt Tribüne und den ersten Curbs zum Skaten.
    Foto: Jiří Kotal

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    Wer an der Haltestelle Vltavská mit der Tram ankommt, befindet sich in­mitten von lautem Verkehr und unübersichtlicher Topologie. Nur durch die Unterführungen kann das sicher umgangen werden. Begrüßt wird man von einem kleinen, runden Basketballfeld samt Tribüne und den ersten Curbs zum Skaten.

    Foto: Jiří Kotal

Gelegen in der nördlichen Schleife der Moldau im siebten Bezirk von Prag, reicht der Stadtteil Holešovice bis zum Hügel Letná im Westen, der einen der großzügigsten Ausblicke über die Stadt bietet. Aufgrund des mäandrierenden Flusses wurde Holešovice im 19. Jahrhundert zu einem Hafenviertel mit ausgeprägter Industrie, welche nach der umfangreichen Verstaatlichung im Jahr 1948 durch die kommunistische Regierung jahrzehntelang einer instabilen und stagnierenden Entwicklung unterlag. Die finale Deindustrialisierung folgte auf die samtene Revolution im Jahr 1989 und wurde 2002 durch die Folgen der großen mitteleuropäischen Flut besiegelt. Die Fabrikhallen wurden entweder abgerissen oder umgebaut, was zu einer Geschichte der Gentrifizierung führte: Holešovice ist heute der Art-District von Prag mit hippen Cafés, Co-Working-Spaces und teuren Mieten.
Zu den neuesten Bauwerken zählt die Fuß-und-Fahrrad-Brücke HolKa, die Holešovice mit dem Stadtteil Karlín auf der südlichen Flussseite verbindet. Der 2022 entschiedene Wettbewerb (Bauwelt 15.2022) zum Neubau der Moldau-Philharmonie am Fuße des Verkehrsknotenpunkts Vltavská und gegenüber dem Palast der elektrischen Betriebe (Bauwelt 15.2023), den BIG für sich entscheiden konnte, ist der Auftakt einer übergeordneten, städtebaulichen Maßnahme. In Zukunft wird nicht nur die Unübersichtlichkeit von Vltavská und der darüberverlaufenden Hauptverkehrsader Bubenská verbessert, sondern auch die Industriebrache Holešovice Bubny-Zátory zu einem zentralen, öffentlichen Raum umgestaltet, um die traditionelle Altstadt mit dem modernen Holešovice zu verbinden. Die Realisierung ist bis 2032 angesetzt. Ebenfalls am nördlichen Ufer der Moldau befinden sich zwei Unterführungen, die ursprünglich Mitte des 20. Jahrhundert gebaut wurden und eine Umgehung für Passantinnen und Passanten des von Straßen, Abfahrtsschleifen und Bahntrassen dominierten Verkehrsknotenpunkts war. Sie entwickelten sich zu Angsträumen, was mit dem Bau eines Fußgängerüberwegs auf der stark befahrenen Brücke darüber gekontert wurde. Die Unterführungen wurden daraufhin zu einem Umschlagplatz für Drogen und einem Aufenthaltsort und Schlafplatz für obdachlose Menschen, die an den Rand von Holešovice gedrängt wurden.
Freizeitsportarten wie das Skaten wurden von jeher bewusst an die Grenzen nicht nur tschechischer Städte versetzt. Mit ihrem lärm­inten­siven und untergrundbeanspruchenden Sport werden Skater in konzipierten Skateparks in identitätslosen Neubaugebieten geduldet – Aspekte, die mit dem Kerngedanken des Sports wenig gemeinsam haben (Bauwelt 1.2023). Dagegen rebellieren Skaterinnen, indem sie Bänke, Erhöhungen oder Rampen innerhalb der Städte umfunktionieren. Zu beobachten ist das in der tschechischen Hauptstadt im open-air-Kulturzentrum Stalin auf dem eingangs erwähnten Hügel Letná. Hier besteht die Möglichkeit öffentlich zu skaten; im Augenwinkel immer der Blick über die Türme der Altstadt. Abends entwickelt sich der Hochpunkt zu einem Ausgehhotspot für Jugendliche und junge Erwachsene. Obwohl die soziokulturelle Relevanz des Ortes nicht zu bestreiten ist, ist er Bestandteil einer immer wieder aufkommenden Debatte: Alle paar Jahre diskutieren Politik und Bevölkerung, ob Stalin umgebaut oder ergänzt werden soll, mit der Folge, dass einer der wenigen etablierten Skatespots des Landes sterben würde.
Beide Kontroversen waren Anlass die zwei Unterführungen des Verkehrsknotenpunktes stadträumlich und programmatisch zu reaktivieren. In Zusammenarbeit mit dem ortansässigen Re_place, welches das übergeordnete Reak­tivierungskonzept plante, waren die zwei Skateboarder Martin Hrouda und Jiří Kotal als Gründer des Prager Architekturbüros U/U Studio für die minimalinvasiven, räumlichen Interventionen verantwortlich. Gemeinsam erschufen sie den ersten Ort seiner Art in Tschechien – ein Pilotprojekt des niedrigschwelligen Freestylesports.
Ein Konglomerat aus knallig roten Eingriffen füllt mit Interventionen zum Skaten, Tanzen, Basketball spielen, Bouldern und anderer Freestyle-Sportarten seit 2022 die Unterführungen: von Geländern, Rampen und Curbs über Pole-Dance-Stangen, Spiegel und Freiflächen bis hin zu Bouldergriffen, Basketballfeld und Klimmzugstange. Die schräg gestellten Betonscheiben der zweiten Unterführung ermöglichen einerseits eine natürliche Belichtung und andererseits Blicke auf die Moldau, deren Strömung inspirationsgebend für die lineare Ausrichtung des Entwurfs war. Bereits vormittags treffen Rollschuhe, Skateboards und Basketbälle aufeinander, während abends mit Blick von der darüberliegenden Brücke die Lichter die Neugierde wecken.
Für die 1800 Quadratmeter wurden die Oberflächen gereinigt, ausgebessert und mit Stahl und Beton ergänzt. Die geradlinige Beleuchtung mit weißem und rotem Licht begleitet Passanten sowie Sportlerinnen von der Straßenebene im Osten bis zu den Sitzmöglichkeiten im Westen. Aufmerksamen Besucherinnen und Besuchern fallen die vielfältigen Maßnahmen auf, mit denen das Architekturbüro gearbeitet hat: Kleiderhaken unter den Treppenabgängen, ein Kiosk in einem alten Bus am Eingang, eine Tribüne rund um das Basketballfeld. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass hier Experten des Freestylesports im Einsatz waren.
Die vielen Graffiti zeugen zusätzlich von der aneignungsoffenen Manier und der Urbanität des Ortes, und überdecken einen Teil der Ausdruckskraft der ursprünglichen Gestaltung mit neuen Motiven. Das hatte zur Folge, dass Graffitisprayer ihrerseits die großflächigen, vor den Freiflächen angebrachten Spiegel übersprühten. Damit hatte sich die Möglichkeit zum Proben für Tanzgruppen bereits wenige Tage nach Eröffnung erübrigt. In gleicher Weise mit Graffiti bedeckt ist das Betonschwein „Ollie“. Die Namenswahl ist kein Zufallsname, vielmehr bezieht sie sich auf einen wichtigen Trick für alle Anfängerinnen und Anfänger auf dem Skateboard:
Ein Sprung, bei dem das Skateboard an den Füßen bleibt. Laut den Architekten trägt die Skulptur auf dem Körper neben Graffiti auch einen QR-Code: Über diesen lässt sich Geld an das So­zialprogramm für benachteiligte Menschen in Prag 7 spenden, denen die Unterführungen vor der Umgestaltung einen Aufenthaltsort geboten hatten.
Waren beide Unterführungen auch ursprünglich als temporär geplant, will U/U Studio nun doch versuchen, trotz Moldau-Philharmonie, zumindest eine von ihnen zu erhalten. Der Erfolg des Pilotprojekts für Freestylesportlerinnen und -sportler ist offensichtlich: Bereits vor offizieller Eröffnung freuten sie sich über die Reaktivierung, als sie mit einem Ollie von der roten Geländerstange sprangen.



Fakten
Architekten U/U Studio, Prag; Re_place, Prag
Adresse nábř. Kpt. Jaroše 170 00, 170 00 Praha 7-Holešovice, Tschechien


aus Bauwelt 21.2023
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