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Château Latour bewohnen

Kaye Geipel hing vor Jahren mit anderen Neugierigen vor dem Haus in Floirac und hätte es gern von Innen besichtigt.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Kaye Geipel hing vor Jahren mit anderen Neugierigen vor dem Haus in Floirac und hätte es gern von Innen besichtigt.

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Kaye Geipel hing vor Jahren mit anderen Neugierigen vor dem Haus in Floirac und hätte es gern von Innen besichtigt.


Château Latour bewohnen

Kaye Geipel hing vor Jahren mit anderen Neugierigen vor dem Haus in Floirac und hätte es gern von Innen besichtigt.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Vor Jahren war es der Freitagnachmittag. Leser griffen zum Telefon und meldeten sich zum neuen Heft. Manchmal erbost wegen Kritik am eigenen Bau. Manchmal begeistert von den Details eines publizierten Hauses, das sie am liebsten nachbauen würden. Heute hat sich der Austausch in Mails verlagert, die nach Feierabend eintrudeln. Gestern Abend zum Beispiel. Da schreibt mir ein Architekt, der erwogen hat­te, in Frankreich ein Häuschen zu kaufen. Er will es erst nicht glauben, was ihm auf einer Website angeboten wird. Ist das nicht das meistdiskutierte Einfamilienhaus der 90er Jahre? Ein Click auf die Seite des Anbieters. Ja, da ist sie, die Maison Latapie von Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal in Floirac. Die ausklappbare Einfach-Kiste, die sich ein französisches Eisenbahner-Pärchen aus Faserzement, Pressspan und Polycarbonat zusammenstecken ließ. Geld hatten die Latapies damals kaum. 400.000 Francs, etwa 120.000 Euro, zu wenig selbst für ein kleines Vorort-Fertighaus. Und dann entwarfen ihnen die damals jungen Architekten ein wahres Wunderwerk. Die Besitzer bekamen viel mehr Wohnraum, als sie sich je hätten träumen lassen. In nuce gabs die Prinzipien, für die die französischen Pritzkerpreisträger 2021 später weltweit bekannt wurden. Schnell noch mitbieten in Bordeaux? Kaum möglich. Der Preis, der für das Raumwunder aufgerufen wird, gleicht keinem Arbeiterbier mehr, sondern eher einem Château Latour: 695.000 Euro. Ist ein Pritzker-Preis-Aufschlag einkalkuliert? Nun, vergleichbare Häuser in der Nachbarschaft liegen etwa ein Viertel unter dem genannten Preis. Die Latapies würden für ihr Geld heute nicht mal ein Tiny House bekommen. Der Traum der cleveren Architektur, die den Zwängen des Markts den Finger zeigt, scheint ausgeträumt. Vielleicht ist dieser Verkauf aber auch ein Wake-Up-Call für die Architektur, mehr über Geld und Finanzierung nachzudenken – über eine weitergehende „Phase Null“ des Entwurfs, die solche alternativen Konzep­te wieder möglich machen könnte? Die Besitzer aus Floirac haben jetzt andere Sorgen. Sie überlegen, so berichtet „Le Monde“, wie ihr Haus nach dem Verkauf heißen wird. Die Maison Latapie, soviel ist sicher, ist Vergangenheit.

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