Bauwelt

Das Murmeltier von der Duschbrause

Josepha Landes besitzt ein Gerät um AAA-Batterien in Windeseile vollständig zu laden.

Text: Landes, Josepha, Berlin

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Josepha Landes besitzt ein Gerät um AAA-Batterien in Windeseile vollständig zu laden.


Das Murmeltier von der Duschbrause

Josepha Landes besitzt ein Gerät um AAA-Batterien in Windeseile vollständig zu laden.

Text: Landes, Josepha, Berlin

Vor ein paar Wochen (Monaten?) ist meine Badezimmeruhr stehen geblieben. Es muss zwischen Weihnachten und Ostern passiert sein. Auf jeden Fall war es halb neun. Morgens? Abends? Ich weiß es nicht. Zuerst habe ich in Erwägung gezogen, die Batterie zu ersetzen. Nachdem ich das über einige Tage vergessen hatte, wurde mir die Uhrzeit zunehmend vertraut. Halb neun ist eine sehr praktische Zeit. Es ist für fast nichts zu spät – außer die Tagesschau – und zu früh auch nicht (außer man ist vorfreudig, aber dann gehört das dazu).
Um halb neun morgens schaffe ich es immer noch rechtzeitig zur Arbeit, würde ich jetzt duschen; abends wird das letzte Ticket für die Spätvorstellung im Kino um die Ecke noch zu haben sein. Seit meine Uhr auf halb neun steht, habe ich einige Male über die architektonische Dimension von Zeit nachgedacht. In der Bauwelt sprechen wir ja viel über Raum, aber die Welt ist immerhin vierdimensional. Wir benutzen sie.
Die Stadt um halb neun ist für mich eine private Stadt. Ich habe keine Verpflichtungen und alle Freiheiten. Natürlich befinde ich mich nicht immer um halb neun im Badezimmer, aber in meinem Badezimmer ist es immer halb neun. Eine Zeitkapsel. Auch wenn ich sehr müde kurz nach Mitternacht die Zähne putze, kann ich
einen Glanz des Anfangs erhaschen – mit nur einem Blick aufs Ziffernblatt trage ich die eben abgewaschene Tusche wieder auf meine Wimpern.
Und ich kann mir dann vorstellen, wie draußen andere ihren morgendlichen oder abend­lichen Halb-Neun-Gewohnheiten nachgehen: das Läuten nach der ersten Schulstunde, der letzte Gast eines Taxifahrers kurz vor Schicht­ende oder der erste an ihrem Beginn, eine Blinddarm-Operation in der Viszeralchirurgie, Wischlappen überm Kneipenboden oder feierabendlich müde Sohlen.
Eine stehengebliebene Uhr ist eine gute Gelegenheit, den Moment an verschiedenen Orten zu vergegenwärtigen. Was denken Sie zum Beispiel: Wie sieht es um halb neun im Schwimmbad aus? Nimmt vielleicht gerade eine Bademeisterin die Seepferdchen-Prüfung ab? Wäre es Abend, der Prüfling würde schon schlafen, erschöpft und stolz.

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