Bauwelt

Die vergoldete Mitte

Benedikt Crone springt zwischen den vielen Rändern der Gesellschaft hinein ins Zentrum.

Text: Crone, Benedikt, Berlin

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Die vergoldete Mitte

Benedikt Crone springt zwischen den vielen Rändern der Gesellschaft hinein ins Zentrum.

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Unser Finanzminister ist rhetorisch, das muss gesagt sein, ein Akrobat. Man stelle Christian Lindner in eine politische Manege, und er jongliert sich gekonnt, manchmal sogar humorvoll, durch die Welt der Wörter. Umso verstörender wirkt es, wenn er zu Phrasen greift. Die „arbeitende Mitte der Gesellschaft“, der es angesichts von Inflation und Energiekrise zu helfen gilt, ist so ein Konstrukt. Wer nur, stellt sich nach der achten Wiederholung die Frage, zählt zu dieser „arbeitenden Mitte“?
Es gibt zwei Lesarten. Die erste ist, dass der Minister nur den Teil der umsorgten „Mitte“ meint, der auch wirklich arbeitet. Das wirft jedoch die Frage auf, ob Menschen, die nicht arbeiten, nach Ansicht des Liberalen überhaupt Teil der Mitte sein können? Die andere Lesart ist, dass die „oben“ (also die Reichen) und die „unten“ (die Armen) nicht arbeiten, sondern nur die in der Mitte. Es leuchtet ein, dass Menschen, die ohne Arbeit sind, von Lindner von der „arbeitenden Mitte“ ausgeschlossen werden. Hierbei handelt
es sich derzeit um rund 2,5 Millionen Menschen. Nun könnten aber nicht alle anderen, die 45 Mil­lionen Erwerbstätigen, die Mitte sein – rein geometrisch. Es müssten zum Ausgleich daher die 2,5 Millionen „Oberen“ ebenfalls nicht arbeiten. Ob das aber der Bundesvorsitzende der FDP damit sagen will?
Vielleicht kommt man der Antwort näher, wenn man auf die genaue Wortwahl achtet. Denn oft klemmt Lindner der „arbeitenden Mitte“ noch ein „hart“ vor. Wenn nur die „hart arbeitende Mitte“ gemeint ist, verkleinert sich der Kreis der Angesprochenen deutlich. Denn „weich“ arbeiten viele, in Sneakers, auf dem Büroteppich oder einem orthopädischen Sitzkissen (ohne Noppen). Die Gruppe kann so getrost ausgeschlossen werden. Andere packen dagegen hart an, Handwerker zum Beispiel, oder die Typen, die am Flughafen die Koffer werfen. An beiden fehlt es bekanntermaßen. Möglich, dass der Minister ihnen daher die Unterstützung zusichert. Ob Sie, wenn Sie Architektin oder Architekt sind, sich zu jener Mitte zählen dürfen, ist wohl eine Frage des Härtegrads. Vielleicht ja, wenn Sie bei Ihrer täglichen Arbeit (wie natürlich ich auch) so gerne hart in die Tasten hauen.

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