Frozen City
Benedikt Crone fragt sich, ob eine Stadt ihren Schwung verlieren kann.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Frozen City
Benedikt Crone fragt sich, ob eine Stadt ihren Schwung verlieren kann.
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Womöglich ist es Ihnen auch aufgefallen: Der Umzugswagen ist aus dem Straßenbild verschwunden. Vor wenigen Jahren quetschte man sich an jeder Ecke an einem Transporter vorbei, der Matratzen oder Küchenstühle auf den Gehweg spuckte. Oder es polterte Samstagsmorgen im Treppenhaus, wenn keuchende Träger die alte Waschmaschine hinunterschleppten. Nicht, dass man das vermissen muss, aber es ist eine verdächtige Stille eingekehrt. Vielerorts gilt die Devise: Lieber halten, was man hat. Denn wer sich bewegt, verliert – im Verhältnis von Wohnqualität zu Wohnpreis. Das Gefühl, dass der Wohnungsmarkt als Wunder der Thermik gleichzeitig überhitzt und tiefgefroren ist, lässt sich mit Zahlen untermauern. Innerstädtische Umzüge sanken nach dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung von 1,1 Millionen im Jahr 2007 auf 972.000 im Jahr 2020.
Da die Wohnfläche bisher mit dem Lebensalter ihrer Bewohner proportional stieg, wird nun jede späte wohnliche Regung bestraft. Warum sollte ein 72-jähriges Rentnerpaar seinen 144 Quadratmeter-Altbau-Traum (we earned it!) aufgeben für etwas, was teurer, kleiner und meist nicht in der vertrauten Nachbarschaft ist? Glücklich können sich diejenigen schätzen, die ein vorzeigbares Objekt unter der Hand zum Tausch anbieten können. Doch ein Blick auf manche städtische Wohnungstauschbörsen ernüchtert: In drei Jahren ist in ganz Berlin 360-mal die Wohnung getauscht worden. Viel Bewegung ist hierdurch nicht in die Stadt zu kriegen.
Wenn kein Wunder geschieht, zum Beispiel Wohnungen vom Himmel auf unsere Dächer fallen oder reihenweise Menschen aus begehrten Lagen in die beschauliche Lausitz oder das unterschätzte Bremerhaven ziehen, bleibt den Suchenden nur das Hängenbleiben. Gerade dann, wenn wegen der hohen Preise und Zinsen Bauvorhaben auf Eis gelegt werden. Heißt das wiederum für Architekten und Architektinnen: das Ende der großen Wohnungsbau-Ära ist nah, da man sich wirklich weder einen Neubau noch einen Umzug in einen Altbau mehr leisten kann? Zumindest eine Profession könnte profitieren: die der Innenarchitekten, dank ihres Beitrags zum klugen Einnisten im Bestand.
0 Kommentare