Und dann die Hände zum Himmel
Benedikt Crone winkt freudig dem Händedruck zum Abschied
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Und dann die Hände zum Himmel
Benedikt Crone winkt freudig dem Händedruck zum Abschied
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Jaja, man kann es nicht mehr hören: Was Corona alles auf den Kopf gestellt und welchʼ überfällige Veränderungen die Pandemie angestoßen hat. Bevor jedoch diese kleine Sache klanglos die Alltagsbühne verlässt, muss in lauter Freude verkündet werden: das Händeschütteln ist Vergangenheit. Nun bin ich nicht der erste, der dies feststellt. Die Redaktion der Zeit zum Beispiel hat vor einem Jahr das Ende des Shake Hands bedauert – um es dieses Jahr wieder zu begrüßen. Zu betonen sind hier aber nochmals die Fakten, die auf allen Ebenen gegen den Handschlag sprechen.
Die Begegnung zweier Handflächen überträgt zehn Mal mehr Bakterien als die Berührung zweier Fäuste, wie es Staatsoberhäupter derzeit so sportlich vormachen (selbst Küssen ist weniger ansteckend!). Unter Freunden hat das Händeschütteln nicht ansatzweise die wärmende Wirkung einer Umarmung. Im Berufsalltag wäre wiederum die japanische Variante einer leichten Verbeugung angemessen in Bezug auf Distanz und Respekt. Wer dagegen meint, die Persönlichkeit seines Gegenübers mittels einer Berührung einschätzen zu müssen (kräftiger Händedruck = Alpha-Tier vs. tastender Grabbelgriff = Feingeist), verfällt ohnehin einfachster Küchenpsychologie.
Nun mag man einwenden, der Händedruck sei doch tief in unserer Kultur verankert. Geht man dem Ursprung auf den Grund, ist dieser jedoch – Gott sei Dank – nicht mehr tragfähig. Zumindest kommt es selten vor, dass das Gegenüber in der rechten Hand einen mörderischen Dolch verdeckt hält. Dies mit jedem Handschlag zu unterstellen, ist die eigentliche Unverschämtheit.
Womit wir bei der Architektur wären. Für diese ändert sich, das ist die nächste gute Nachricht: nichts. Für jeden Begegnungsraum – die Türschwelle, den Hausflur, das Foyer, den Vorplatz, die Straße – gibt es eine von vielen Begrüßungsalternativen, um die Distanz überwinden oder einhalten zu können: den lässigen Ellenbogen-Check, das sympathische Nicken, die herzliche Umarmung, den Wink auf Distanz. Wir haben doch so viele neue Gesten eingeübt. Verlernen wir sie nicht gleich wieder.
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