Bauwelt

Auto Land Scape

Text: Peschke, Marc, Wertheim am Main

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Auto Land Scape

Text: Peschke, Marc, Wertheim am Main

Ein Wäldchen unter einer Autobahnbrücke über die A9, eine Kuh-Herde unter einer anderen Brücke, Betonpfeiler, im Hintergrund deutscher Wald. Randbereiche zwischen Natur und gebauter Auto-Kultur: Das ist die Welt von Michael Tewes, wie er sie seit Jahren schon fotografiert. Für was stehen Autobahnen eigentlich?, fragt er in seinen Bildern. Es sind nicht nur Verkehrswege. Sie sind Ikonen der Moderne, lassen an Freiheit, Mobilität und Fortschritt denken, aber auch immer mehr an Umweltzerstörung, Stau und den Klimawandel. Deutsche Autobahnen bilden mit ihren 13.200 km das viertlängste Streckennetz der Welt. Von 2014 bis 2020 hat Tewes diese Autobahnen fotografiert, hat die Rückeroberung alter Strecken durch die Natur in Szene gesetzt. Zumeist bei grauem Himmel – die alte Idee von Bernd und Hilla Becher, die immer noch Wirkung zeigt. Denn dieser graue Hintergrund lässt das Gefühl einer Erhabenheit spürbar werden, die dem Künstler wichtig ist.
Der jetzt erschienene, opulente Bildband „Auto Land Scape“ versammelt die besten Bilder der Serie, die den Blick schärfen für das, was am Rande liegt. Jenseits der Leitplanken, im Niemandsland, da gibt es einen ganz eigenen Kosmos, der uns, den Vorbeirasenden, üblicherweise verborgen bleibt. Doch auch ganz bekannte Dinge lässt Tewes neu aussehen, wie etwa die Tische und Bänke eines Rastplatzes. „Dritte Landschaften“ nennt Tewes diese Nicht-Orte – um den bekannten Begriff des französischen Anthropologen Marc Augé noch einmal zu benutzen. „So wie ein Ort durch Identität, Relation und Geschichte gekennzeichnet ist, so definiert ein Raum, der keine Identität besitzt und sich weder als relational noch als historisch bezeichnen läßt, einen Nicht-Ort“, schrieb Augé 1994, und viele Fotografinnen und Fotografen waren seitdem diesem Konzept auf der Spur. An solchen Nicht-Orten findet Tewes Schwäne in einem Entwässerungsteich, Moos über Asphalt oder Spuren von Reifenabrieb. Oder eine Autobahnkirche neben einem Schnellimbiss.
Das Buch lässt auch an eine Zeit denken, in der das Fahren auf der Autobahn selbstverständlicher war als heute. Wie Kraftwerk 1974 tönten: „Wir fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn. Vor uns liegt ein weites Tal. Die Sonne scheint mit Glitzerstrahl. Die Fahrbahn ist ein graues Band. Weiße Streifen, grüner Rand. Jetzt schalten wir das Radio an. Aus dem Lautsprecher klingt es dann: Wir fahr‘n auf der Autobahn …“ Vor Kraftwerk musste man bei Autobahnen immer an Adolf Hitler denken. Danach war alles anders. Neu. Herrlich monoton. Technisch. Utopisch. Mit dieser Utopie ist es nun endgültig vorbei, zeigt uns Michael Tewes. Die Autobahn und das, was sie umgibt: Das alles ist in die Jahre gekommen. Eine Art von Lebensader, die Deutschland durchzieht, ist sie immer noch, doch steckt kein utopisches Potential mehr in diesen Straßen und Bauten. Stattdessen stellt die Serie heute eher solche Fragen: Wohin wollen wir mit unserer Mobilität? Mit was bewegen wir uns durch den Raum? Und brauchen wir ein solch gigantisches Straßennetz überhaupt?
Fakten
Autor / Herausgeber Michael Tewes
Verlag Hatje Cantz Verlag, Berlin 2022
Zum Verlag
aus Bauwelt 26.2022
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