Bauwelt

Cuban Modernism

Mid-Century Architecture 1940–1970

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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Cuban Modernism

Mid-Century Architecture 1940–1970

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Dass der nicht realisierte Verwaltungsbau für Bacardi von Ludwig Mies van der Rohe eher mit moderner Architektur in Kuba assoziiert wird als die tatsächlich vorhandenen Bauten, muss einen nicht wundern. Der Staat war nach der Revolution 1959 und der nach ihm benannten Krise drei Jahre später aus dem Blick der Architekturkritik geraten. Das opulent ausgestattete Buch „Cuban Modernism“ schließt somit eine Lücke, wobei die Bauten der jungen sozialistischen Republik, anders als der Titel vorgibt, nahezu vollständig ausgespart werden.
Den Fokus legen die Autoren auf die – aus europäischer Sicht – Nachmoderne der 1940er und 1950er Jahre, die in Kuba ähnlich wie etwa in Brasilien oder Mexiko eine eigene, an Klima und Kultur angepasste Ausprägung fand. Der Kubanoamerikaner Victor Deupi und der gebürtige Belgier Jean-François Lejeune, die an der Universität von Miami lehren, gliedern das umfangreiche Material thematisch in Wohnhäuser, Stadtplanung, Apartment- und Bürohäuser sowie touristische Anlagen mit zwei abschließenden Exkursen zur Kunst und zu Entwürfen späterer kubanischer Emigranten.
Im Kapitel über Wohnhäuser spiegelt sich der Aufstieg der Mittelschicht nach der Unabhängigkeit von den USA 1934 wieder. Die ersten, noch der klassischen Moderne verpflichteten Bauten stammen von Rafael de Cárdenas (1902–1957), der von zwei Postgraduiertenstudien in New York und Los Angeles geprägt war. Sein Berufsgenosse Eugenio Batista (1900–1992) war in Princeton, als er 1938 für einen wohlhabenden Industriellen ein weitläufiges, an Frank Lloyd Wright erinnerndes Anwesen errichtete, das landesübliche Elemente wie schattenspendende Dachüberstände oder sichtbare Holzkonstruktionen aufgriff. In diesem Spannungsfeld bewegten sich in den folgenden zwei Jahrzehnten die Kollegen und ihre Studenten von der Universität in Havanna, mit einer entschiedenen Formen­sprache, die jedoch nicht einheitlich gefasst werden kann. Die Autoren analysieren an ausgewählten Bauten, wie sich Einflüsse von außen mit den eigenen Ideen der Architekten verknüpfen, was durch Einzelbiografien im Anhang ergänzt wird.
Mit der eigenen Interpretation internationaler Architektur fand Kuba den gestalterischen Anschluss an die Welt und entledigte sich damit sichtbar der kolonialistischen, über vier Jahrhunderte dauernden spanischen Herrschaft. Als Charakteristika kubanischen Bauens formulierte der in der Lehre einflussreiche Batista die drei P’s: „Persianas“ (Lamellen), „Patios“ und „Portales.“
Mit zahlreichen Hotels und Clubs der Nachkriegsjahre schlug sich der amerikanische Tourismus nieder, der die gerade einmal 150 Kilometer von der Küste der USA liegenden Insel zunehmend überschwemmte. Schlanke Hochhausscheiben und kühne Betonschalen zeugen von Unbekümmertheit, hinter der sich freilich massive Korruption und Ausbeutung verbargen, die schließlich zur Revolution führten.
Wer sich die zuweilen etwas länglichen Ausführungen sparen möchte, kann dank der üppigen Illustration – teilweise bauzeitliche Fotos, teilweise von der als Architektin ausgebildeten Fotografin Silvia Ros neu erstellte Aufnahmen, sowie zahlreiche neu gezeichnete Grundrisse und Schnitte – wie durch ein Bilderbuch blättern und feststellen, wie manche Bauten der klassischen Moderne huldigen, während andere sich bereits wesentlich struktureller darstellen bis hin zur Zeitgenossenschaft mit dem damals aktuellen Brutalismus. Zu dem übrigens auch der Bau von Mies van der Rohe einen Beitrag geleistet hätte, war er doch in Stahlbeton konzipiert.
Fakten
Autor / Herausgeber Victor Deupi und Jean-François Lejeune
Verlag Birkhäuser Verlag, Basel/Berlin 2021
Zum Verlag
aus Bauwelt 19.2022
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